Bohumil Hrabal

Der Poet der Prager Vorstadt

Der tschechische Autor Bohumil Hrabal.
Der tschechische Autor Bohumil Hrabal. © picture-alliance / dpa / CTK / Karel Kestner
Von Tomas Fitzel · 25.09.2014
Er gilt als einer der bekanntesten Schriftsteller Tschechiens. Dabei passt Bohumil Hrabal in keine Schublade. Er war Kulissenschieber, Stahlwerker und literarischer Avantgardist. Zu seinem 100. Geburtstag präsentiert das Literaturhaus Berlin eine Ausstellung mit dem Untertitel "Gesammelte Rohheiten".
Es gibt Autoren, die glaubt man zu kennen, auch ohne dass man von ihnen auch nur eine Zeile gelesen hat, einfach weil sie so sehr einen Typus verkörpern. Zu diesen gehört ohne Zweifel Bohumil Hrabal. Zusammen mit Jaroslav Haseks Figur des braven Soldaten Schweijk gilt Hrabal als der Urtyp des tschechischen Autors, des Schriftstellers, der seine Zeit vor allem bei viel böhmischen Bier in Gasthäusern verbringt und dort endlos vor sich hin bramarbarsiert, immer mit Ironie gewürzt und viel Witz.
Bohumil Hrabal: "Also das ist ganz einfach. Von Anfang an ich will zuerst mich amüsieren. Ich bin der erste Leser meiner Erzählungen."
So Bohumil Hrabal selbst über seine Absicht als Autor. Aber man muss sich auch von Klischees befreien und dazu dient ganz hervorragend diese Ausstellung im Berliner Literaturhaus. Denn Hrabal hat nichts mit der Altprager Gemütlichkeit zu tun, dem goldenen Prag, dem Prag von Gustav Myrink oder etwa Franz Kafka. Dies wird gleich zu Anfang der Ausstellung deutlich, durch die Tomas Pavlicek zusammen mit seinem deutschen Partner vom Berliner Literaturhaus, Lutz Dittrich, führt.
Tomas Pavlicek: "Bohumil Hrabal war immer als Schriftsteller aus Liben bezeichnet. Liben ist ein Vorort von Prag in die Richtung Osten und dieser Vorort war schon für die tschechische Avantgarde sehr interessant. Bohumil Hrabal hat eigentlich die Poetik der Peripherie, nicht nur Holosovice, sondern auch Liben gezeigt."
Die Poesie des Stahlwerk
Diese Übergangslandschaft von Vorstadt, Industrieanlagen und Brache war der literarische Raum von Hrabal. Eine Parallele stellt sich ein zu der gleichzeitigen Pasolini-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, denn dort sind ähnliche Fotos zu sehen. Beide, Hrabal und Pasolini, interessieren sich für die Peripherie und die Sprache der Leute dort. Hrabal arbeitete sogar mit ihnen im Stahlwerk, eine höchst gefährliche Arbeit, wo er auch einen schweren Unfall erlitt.
Bohumil Hrabal: "Diese Arbeit war für mich außerordentlich schön und poetisch und diese Leute, diese derbe Leute sind für mich faszinierend, ihr Slang auch die Erlebnisweisheit."
Hrabal arbeitete auch als Kulissenschieber, Altpapierpacker und bei der Bahn als Fahrdienstleiter. Man begegnet der Stimme von Hrabal überall in dieser Ausstellung. Der Audioguide ist deshalb ein Muss. Ansonsten verzichtet man ganz auf szenatorische Effekte. Sehr schlicht, sehr klassisch sind viele Fotos und einige Texte zu sehen. An Gegenständen zeigt man nur seinen Hut, seine Schreibmaschine und eine pseudomedizinische Apparatur, einen Ionisator, der in einer seiner Erzählungen vorkommt. Und selbstverständlich ein Bierfass, denn Hrabal ist ja in einer Brauerei aufgewachsen. In seiner Heimatstadt Nymburk an der Elbe wurde zu seinem 100. Geburtstag zu seinen Ehren ein extra Bier mit seinem Namen gebraut. Im Gasthaus, in der Kneipe fand er schließlich seine Bafler.
Bohumil Hrabal: "Also dieser Typus der Bafler ist ein ganz romantischer Typus, diese Menschen, diese Bafler brauchen zu seinem Leben auch Poesie und gerade wenn sie übersteigern diese Poesie bis zum Baflertum, also da sind sie ebenbürtig meinem Onkel Pepin. Also der erste Bafler war immer mein Onkel Pepin."
Seine Texte sind Aktionskunst
Seine Figuren, die Bafler, auf tschechisch die Pabitelé, sie plaudern nicht, sie plappern nicht, sie bramarbarsieren auch nicht, sie bafeln, tschechisch pabit', ein Wort, das man vergeblich im Wörterbuch suchen würde.
Tomas Pavlicek: "Das versteht man nicht, eigentlich ist das auch für die Leute man muss einfach Hrabal lesen, um das verstehen".
Lutz Dittrich: "Im Grunde eine neue Wortschöpfung, die sich dann so etabliert hat erstaunlicherweise, toll!"
Tomas Pavlicek: "Den Begriff konnte man schon im 19. Jahrhundert bei Jaroslav Vrchlicky lesen, das war ein bekannter Dichter, sehr wichtig ein Klassiker der tschechischen Literatur und der hat mit pabit mit diesem Begriff eigentlich rauchen gemeint."
So kursierte dieses Fantasiewort nur in kleinen avantgardistischen Künstlerkreisen, anfangs eben noch mit einer ganz anderen Bedeutung, bis es Hrabal zum Grundbegriff seiner Poetik umfunktionierte. Auch dies wird gezeigt, Hrabal, der erst sehr spät zu schreiben begann, muss immer im Zusammenhang mit diesen experimentellen Künstlergruppen gesehen werden, in denen sich Autoren, Maler, Musiker und Philosophen austauschten. Hrabals Texte sind daher auch eine Form von Aktionskunst. Sehr beeinflusst hat ihn dabei der Philosoph Egon Bondy, erläutern Tomas Pavlicek und Lutz Dittrich.
Tomas Pavlicek: "Egon Body hat geprägt eine Theorie, die er totaler Realismus genannt hat und das sollte als Opposition für das sozialistischer Realismus dienen und er wollte das alltägliche Leben der Menschen in der Tschechoslowakei der 50iger-Jahre zeigen."
Lutz Dittrich: "Das hat dann wiederum Hrabal mitunter den Pornografie-Vorwurf eingebracht, weswegen bei seinem Erstling dieser Text Jarmilka auch ausgesondert wurde, da hatte Hrabal schon früh Konflikte mit den offiziellen Stellen."
Das erste Buch von Hrabal wurde noch verboten. Dann in den sechziger Jahren endlich der große Durchbruch.
Liebe nach Fahrplan und Lerchen am Faden
Es ist vor allem die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Jiri Menzel, die Hrabal auch international bekannt machte, denn ihr gemeinsamer Film "Liebe nach Fahrplan", Ostre sledovane vlaky gewann 1968 den Oscar als bester ausländischer Film.
Im gleichen Jahr bereitete die Rote Armee dem Prager Frühling ein gewaltsames Ende, Menzels und Hrabals zweiter Film "Lerchen am Faden", Skrivanci na niti, landete im Giftschrank und konnte erstmals auf der Berlinale 1990 gezeigt werden, wo er den Goldenen Bären gewann. Hrabal emigrierte nicht wie etwa Milan Kundera, er versuchte in seiner ironischen Art sich durchzulavieren, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren, aber den Tschechen stand nicht der Sinn nach Ironie. Die Ausstellungsmacher fanden eine sehr interessante Zeitungsseite, auf der Hrabal in einem Artikel oben wie gewohnt ironisch über den Bafler schreibt, in einem Interview darunter sich aber sehr unkritisch gegenüber dem Regime äußert.
Lutz Dittrich: "Die Studenten und die Leute aus dem Untergrund sahen sich durch dieses nicht gegen die diese Vereinnahmung Reagieren Hrabals veranlasst, seine Bücher sogar auch zu verbrennen auf der Kampa ..."
... einer Moldauinsel.
Lutz Dittrich: "... die waren ganz empört, die Studenten sagten: wie kann sich der Hrabal dafür hergeben? Hrabal ist nicht Vaclav Havel, der ins Gefängnis geht und ein ganz anderer Typ ist. Er hat seinen Weg hier finden müssen".
Es ist ein Weg in die Einsamkeit. Am Ende werden nochmals in biographischen Tafeln die engsten Weggefährten gezeigt: Onkel Pepin, seine Frau Eliska und der Philosoph Ladislav Klima. Hrabal überlebte sie alle. Nach der samtenen Revolution fand er nicht mehr den Anschluss an die neue Autorengeneration. Im Februar 1997 fällt er aus dem Fenster des Krankenhauses – angeblich beim Taubenfüttern. Aber es bleiben seine Bücher und seine Stimme, von der man in dieser Ausstellung nicht genug bekommen kann.
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