Börsengeschäfte mit Nahrungsmitteln

Geldanlage vs. Hungerproblem

Demonstranten protestieren gegen das globale Finanzsystem, Oktober 2011.
Demonstranten protestieren gegen das globale Finanzsystem, Oktober 2011. © picture alliance / dpa
Von Caroline Nokel · 15.07.2014
Die Deutsche Bank und das Versicherungsunternehmen Allianz weigern sich bis heute, auf das Börsengeschäft mit Nahrungsmittel-Wetten zu verzichten. Trotz aller Kritik, dass diese Finanzprodukte das Hungerproblem der Welt verstärken.
"Bei 'activ trades' haben Sie die Möglichkeit, Commodities oder Rohstoffe zu handeln über das Produkt CFD."
Auf der Fachmesse für die Finanz- und Versicherungswirtschaft DKM steht ein Broker des Unternehmens "activ trades" vor seinem Laptop. Er möchte anonym bleiben. Der Mann erklärt, wie Anleger online mit Agrarrohstoffen spekulieren können
"Wir haben die größten Commodities oder die, die am liquidesten sind, das ist Zucker, Kaffee, Kakao, Weizen, Soja, Korn."
Viele private und institutionelle Anleger suchen neue Möglichkeiten, ihr Geld gewinnbringend anzulegen. So fließt immer mehr Kapital auf die Warenterminmärkte. Ursprünglich als Instrument für Landwirte gedacht, um ihre Ernte abzusichern, stehen heute nur noch hinter einem Bruchteil der Verträge tatsächliche Güter wie Weizen oder Mais.
Wissenschaftler sind sich uneinig
Treibt die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln deren Preise in die Höhe? Über diese Frage streitet sich die Wissenschaft. Die Deutsche Bank und die Allianz machen sich die Uneinigkeit zunutze. Bis heute weigern sie sich, auf das Geschäft mit so genannten Rohstoffderivaten zu verzichten. Es gebe keinen eindeutigen Beweis dafür, dass die Spekulation den Hunger in der Welt verstärke. Die Nichtregierungsorganisation foodwatch fordert die Unternehmen auf, die Spekulation mit Rohstoffen zu beenden. Lena Blanken von foodwatch:
"Es gibt Studien, die finden einen Zusammenhang zwischen den Preissprüngen und der exzessiven Spekulation und es gibt eben Studien, die finden diesen Zusammenhang nicht. Aus diesem Grund haben wir einfach mal die Leute befragt, deren tagtägliches Geschäft die Rohstoffbörsen sind. Also Rohstoffhändler, Rohstoffbroker und Analysten."
Es wurden im Auftrag von Foodwatch 180 erfahrene Börsenpraktiker von London über Chicago, bis Shanghai und Frankfurt befragt. Zwei der Studienteilnehmer arbeiten für die Deutsche Bank.
Lena Blanken: "Bei der Umfrage kam raus, dass ein Großteil von diesen Börsenexperten sagt, und zwar 75 Prozent von denen, dass die Spekulation die Nahrungsmittelpreise in die Höhe treibt. Selbst wenn noch Restzweifel bestehen darüber, ob die Spekulation wirklich die Preise treibt, sollte die Deutsche Bank nun vorsorglich handeln und die Reißleine ziehen und die Spekulationsgeschäfte einstellen."
Die Verantwortung hat der Verbraucher
Kurz vor Ostern hatte die Deutsche Bank Vertreter mehrerer NGOs eingeladen, die sie auffordern, aus den Spekulationsgeschäften auszusteigen. Das Ergebnis: ein freundliches Gespräch. Die Konsequenz: Die Bank macht weiter wie bisher. Und die Politik? Bereits im Januar haben sich EU-Parlament, EU-Kommission und Rat auf eine neue Finanzmarktrichtlinie geeinigt, die unter anderem auch die Spekulation mit Nahrungsmitteln eindämmen soll. Lena Blanken von Foodwatch:
"Das Gesetz, was jetzt auf EU-Ebene beschlossen wurde, weist gleich mehrere Lücken auf. Ein Beispiel sind die Positionslimits. Positionslimits sind einfach so ne Art Obergrenze für die spekulativ gehaltenen Börsenverträge, die man halten darf. Das ist im Prinzip ein gutes Instrument, das fordern wir auch, weil dadurch einfach die Spekulation auf ein gesundes Maß zusammen geschrumpft werden könnte. Jedoch ist es nun so, dass in dem Gesetz, was jetzt verabschiedet wurde, die Positionslimits von jedem Land selbst festgelegt werden dürfen. Das heißt, die einzelnen EU-Mitgliedstaaten bekommen einen Wettbewerb um die laxesten Positionslimits, um besonders viel Finanzkapital anzuziehen. In der Folge wird das ganze Instrument wirkungslos sein."
So bleibt vorerst die Verantwortung beim Verbraucher, sich genau zu informieren und den eigenen Versicherer aufzufordern, auf das lukrative Geschäft mit Rohstoffderivaten zu verzichten.