Börner: Naher Osten bietet riesiges Wirtschaftspotenzial

Moderation: Christopher Ricke |
Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Groß- und Außenhandel, Anton Börner, hat für einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Nahen Osten zur Stärkung des Friedensprozesses plädiert. Das wirtschaftliche Potenzial in einem friedlichen Nahen Osten wäre "schier unerschöpflich", sagte Börner.
Christopher Ricke: Der Nahostkonflikt ist der komplizierteste Konflikt, den es auf der Welt gibt. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern in Jerusalem, in der Stadt, die wie keine andere für diesen Konflikt steht. Dennoch sei der Nahostfriedensprozess alternativlos. Die politischen Gespräche in Israel finden auf höchster Ebene statt. Mit der Kanzlerin ist nicht nur das halbe Kabinett gereist, sondern auch eine umfängliche Wirtschaftsdelegation, denn auch Wirtschaftsbeziehungen können zum Frieden beitragen. Denn wer gute Geschäfte miteinander macht, der schießt nicht aufeinander. – Anton Börner ist der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Groß- und Außenhandel. Er hat die Kanzlerin auf ihrer Reise in den letzten Tagen begleitet. Guten Morgen Herr Börner!

Anton Börner: Guten Morgen Herr Ricke!

Ricke: Wenn man sich so die Zahlen anguckt, sieht das doch eigentlich ganz prima aus. Handelsbeziehungen zu Israel – da werden für vier Milliarden Euro Geschäfte gemacht. Der deutsch-arabische Handel liegt gar bei 34 Milliarden. Welches Potenzial hätte denn ein wirklich friedlicher Naher Osten für die deutsche Wirtschaft?

Börner: Das Potenzial für einen friedlichen Nahen Osten ist schier unerschöpflich – nicht nur für die deutsche Wirtschaft, für die Weltwirtschaft insgesamt. Man muss sich einmal vorstellen: Der Nahe Osten verfügt über ein unerschöpfliches Potenzial an Arbeitskräften zu relativ geringen Kosten. Es gibt genug Land. Es gibt aber auch ein riesiges Akademiker- und Facharbeiterpotenzial. Wenn man nach Israel schaut: Israel ist technologisch ein Riese, ist das Land mit der Nummer 1 auf der Welt, was Forschung und Entwicklung betrifft. Wenn man das alles zusammenpacken könnte und beide Seiten friedlich miteinander an einem Strang ziehen, unterstützt durch europäisches oder auch asiatisches und amerikanisches Kapital, das kann man sich nicht vorstellen, was das für eine Konjunkturlokomotive wäre.

Ricke: Es gibt aber doch eine erhebliche Fallhöhe: Israel, ein Hightech-Land, Mikroelektronik, Gentechnik. Gaza-Streifen – vor der Blockade, was kam da? Erdbeeren und Schnittblumen. Und aus dem Westjordanland etwas Kunsthandwerk für die deutschen Weihnachtsmärkte. Wo kann denn, wenn man helfen will, die deutsche Wirtschaft ansetzen, damit alle ein Auskommen haben und Wohlstand dann auch wirklich zum Frieden führt?

Börner: Das Bild ist nicht ganz richtig gezeichnet. Gaza zum Beispiel hat einen sehr hohen Akademikeranteil. Es gibt dort sehr gute Universitäten. Der Facharbeiteranteil oder der Anteil der hochqualifizierten ausgebildeten Menschen liegt bei 60 Prozent der Bevölkerung. Ähnliche Strukturen haben wir auf der sogenannten Westbank, also in Palästina. Auch da ist der Akademikeranteil sehr hoch. Es gibt dort sehr gute Universitäten, die auch von Deutschen mit gesponsert werden oder auch mitgetragen werden. Also das Potenzial ist nicht nur auf israelischer Seite vorhanden. Aber eines ist natürlich richtig: es gibt ein riesiges Gefälle und Landwirtschaft und Kunsthandwerk, Kleinsthandwerksbereiche sind natürlich in der Lage, auch kurzfristig Arbeitsplätze zu schaffen, oder wären in der Lage, kurzfristig Arbeitsplätze zu schaffen und vor allem, was ganz wichtig ist, den Menschen in den Dörfern und Städten zu zeigen, dass man friedlich nicht nur die eigene Existenz, sondern auch die der Familien und der Kinder sichern kann und dass es zum Wohl aller wäre, wenn man der Gewalt abschwören könnte.

Ricke: Um mit den Palästinensern Geschäfte zu machen, müssen diese Geschäfte erst einmal ermöglicht werden. Da liegt natürlich der Ball jetzt bei den Israelis. Haben Sie denn bei Ihren Gesprächen so etwas wie die Bereitschaft erkannt, die Blockade etwas zu lockern?

Börner: Wir waren im November schon beim Staatspräsidenten und beim Premierminister und hatten jetzt gestern auch auf höchster Ebene mit dem Staatspräsidenten noch mal gesprochen. Wir werden geradezu gedrängt von israelischer Seite, Initiativen zu ergreifen, uns im arabischen Raum zu engagieren - Palästina, aber auch Jordanien, Ägypten und Libanon, in ganz weiter Ferne wird auch Syrien angedeutet. Der Hintergrund ist der – das sagte Schimon Peres gestern bei einem Mittagessen, das er uns in ganz kleinem Kreis gegeben hat -, die israelische Regierung und die Mehrzahl der Israelis haben verstanden, es gibt keinen Frieden ohne wirtschaftliche Entwicklung und es gibt keinen Frieden, wenn man den Menschen nicht klar Perspektiven aufzeigt, und zwar auf wirtschaftlicher Ebene. Schimon Peres sagte das gestern: Die Politik kommt mit ihren Methoden, die veraltet sind, die Hunderte von Jahren alt sind, nicht mehr zum Ziel. Wir müssen völlig neu denken. Wir müssen völlig neu aufsetzen. Da kann uns nur die Wirtschaft helfen, weil die Wirtschaft eben ohne Ideologie und jenseits aller Rituale ans Werk geht und letztlich für alle Menschen etwas Positives bewirkt, nämlich Zukunft und die Basis des Lebens sicherzustellen.

Ricke: Wir sehen es ja, wenn deutsche Unternehmen in Israel investieren und israelische Unternehmen in Deutschland. Bloß die Palästinenser sind noch nicht so weit. Kann man denn wirklich schon lukrativ investieren, oder bleibt es bei einem eher karitativen Ansatz mit einer Gewinnerwartung auf der langen Linie?

Börner: Es gibt zwei Bereiche. Einmal: man kann lukrativ investieren. Wir haben auch letztes Jahr im November schon ein entsprechendes Projekt gestartet auf trilateraler Ebene, im Bereich der Software-Entwicklung mit den Palästinensern, israelischen und deutschen Software-Firmen etwas zu machen. Aber auf der anderen Seite kann man kurzfristig etwas machen, indem man von der palästinensischen Seite die Produkte, die einfach da sind und die produziert werden, in den europäischen Markt importiert. Das heißt schlicht und ergreifend: Wenn wir deren Produkte abkaufen, haben sie auch Geld, wieder weiter zu investieren und weiter zu arbeiten. Das sind kleine Anfänge, aber es funktioniert und es wird auch funktionieren. Da bin ich relativ optimistisch, weil sowohl die israelische Regierung, die palästinensische Regierung sowieso, aber auch der jordanische König, die Bundesregierung und auch die Initiative der EU – Stichwort Tony Blair – an einem Strick ziehen. Ich denke, wenn wir nicht von fundamentalistischer Seite – Stichwort Hamas – hier wieder mit Attentaten gestört werden, könnten wir einen Friedensprozess in diesen Bereichen langsam in Gang bringen.

Ricke: Wie groß ist denn da Ihr Optimismus, auch nach den Vorfällen und der Verhärtung der vergangenen Monate?

Börner: Mir wird von Unternehmerseite aus Palästina, aus Arabien und aus Israel gesagt, wir sollten einfach gehen, marschieren und Fakten schaffen, dass die Menschen erkennen jawohl, es funktioniert. Damit hofft man, auch die Fundamentalisten in den Griff zu kriegen.