Böhning nennt Gesundheitsreform "asozialstes Reformwerk"
Das SPD-Parteivorstandsmitglied Björn Böhning hat die Gesundheitsreform der Bundesregierung scharf kritisiert. Im kommenden Berliner Wahlkampf zwischen Wowereit und Künast will er die SPD als Partei für die ganze Stadt anbieten.
Ute Welty: Er gilt als amtsmüde, lustlos und launisch, und heute auf dem SPD-Landesparteitag wird Berlins Regierender Bürgermeister antreten, um das Gegenteil zu beweisen. Das weiß wohl niemand besser als Björn Böhning, früher Juso-Vorsitzender, Mitglied im SPD-Bundesvorstand und einer der engsten Berater von Wowereit. Guten Morgen, Herr Böhning!
Björn Böhning: Schönen guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Gegenkandidatin Ihres Chefs ist Renate Künast von den Grünen, die vor einer Woche vorgelegt hat mit einer kämpferischen Kandidatinnen-Antrittsrede. Wie oft haben Sie im Team das Video ihres Auftritts angeschaut und analysiert?
Böhning: Oh, ehrlich gesagt gar nicht.
Welty: Ach! Warum nicht? Interessiert es Sie nicht, was sie gemacht hat?
Böhning: Doch, es interessiert natürlich, was Frau Künast macht, aber es interessiert uns viel mehr, was wir machen wollen und was wir in den nächsten sechs Monaten noch in dieser Regierung umsetzen wollen, weil der Wahlkampf noch lange nicht begonnen hat. Und dann darüber zu reden, was in den nächsten fünf Jahren passieren soll, und da habe ich von den anderen wenig gehört, von Frau Künast wenig gehört. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen und sozialen Zusammenhalt schaffen, das ist unser Profil.
Welty: Schauen wir mal auf den Landesparteitag heute, wo wird Wowereit heute seine Schwerpunkte setzen? Er hat ja den Nachteil, dass er sich im Gegensatz zu Frau Künast an der Wirklichkeit seiner neun Jahre Regierungszeit messen lassen muss.
Böhning: Das ist genau der Vorteil, den wir natürlich auch ausspielen werden. Wir haben in den letzten vier Jahren mehr als 100.000 neue Arbeitsplätze in Berlin geschaffen, Frau Künast verspricht jetzt noch mal 100.000. Ich glaube, das ist unglaubwürdig, das war schon bei Gerhard Schröder unglaubwürdig. Entscheidend ist, dass wir eine positive Bilanz bei der Wirtschaftsentwicklung haben, und entscheidend ist auch, dass wir die Spaltung der Stadt verhindert haben, die ja noch 2001 sehr stark drohte, auch durch die Krise der Bankgesellschaft.
Welty: Sie verweisen auf die Erfolge, es gibt aber auch eine Menge Themen, die zumindest strittig sind. Da geht es um Fluglärm, da geht es um Wasserpreise und es geht um einen umstrittenen Autobahnausbau – da kann man schon Wähler prima mit verprellen, da muss man sich kaum noch Mühe geben.
Böhning: Die SPD hat entschieden, dass sie auch für Infrastruktur in Berlin ist, damit noch mehr Unternehmen und Arbeitsplätze in die Stadt kommen. Dazu gehört dann eben auch der Bau eines Teilstücks einer Autobahn. Zweitens ist beim Thema Flugrouten ja diese Woche auch gelungen darzustellen, dass Klaus Wowereit und die SPD ganz eng bei denjenigen stehen, die jetzt auf die Straße gehen gegen neue Flugrouten, die die deutsche Flugsicherung benannt hat – die Bürgerinitiative in Zehlendorf hat ja Herrn Wowereit sogar zum Ehrenmitglied ernannt. Und zudem ist es natürlich so, dass es in einer Stadt wie Berlin ständig neue Kritiken gibt, ständig neue Streitherde. Die Frage ist, wie reguliert, wie gestaltet man diese Konflikte. Und da heißt es: mit der ganzen Stadt und nicht mit einer Klientel.
Welty: Was bedeutet das konkret, Konflikte mit der ganzen Stadt zu gestalten?
Böhning: Es braucht in Berlin immer eine Kraft, die so ganz verschiedene Bezirke wie Lichtenberg, Neukölln, Kreuzberg, Reinickendorf zusammenhält und nicht nur für einzelne Innenstadtbezirke oder einzelne wenige Kieze steht, sondern die ganz Berlin in Blick nimmt. Wir haben nun knapp dreieinhalb Millionen Einwohner, und alle haben ihr Recht, sich hier wohlzufühlen in dieser Stadt.
Welty: Dieser Wahlkampf SPD gegen Grüne, was, glauben Sie, wird das bundesweit für Auswirkungen haben? Wird das die Parteienlandschaft noch mehr durcheinanderwirbeln, weil dann eben auch "natürliche Koalitionspartner", in Anführungszeichen, wie SPD und Grüne nicht mehr unbedingt an einem Strang ziehen?
Böhning: Nein, das glaube ich nicht. Es ist erst mal Spannung drin, und was ist schöner als Spannung? Weil das mobilisiert bei allen Parteien und das mobilisiert natürlich auch bei der SPD, und wir kämpfen dafür, dass wir als Kraft der sozialen Gerechtigkeit auch in Deutschland führend werden, weil ja gestern zum Beispiel durch die Beschlüsse der schwarz-gelben Bundesregierung, die Gesundheitsreform auf den Weg zu bringen, das asozialste Reformwerk der letzten 50 Jahre ... Und das wird auch in den nächsten Wochen und Monaten noch darzustellen sein, was es bedeutet, wenn die Kopfpauschale in Deutschland eingeführt ist.
Welty: Hätten Sie je damit gerechnet, dass die Grünen mit der SPD gleichziehen respektive die einst mitgliederstärkste Partei überholen in den Umfragen?
Böhning: In den Umfragen habe ich absolut damit gerechnet, auch Anfang des Jahres schon, weil die Grünen natürlich auch eine in vielen Themen – wie bei der Atomkraft, wie beim Thema Umweltschutz – wichtige Botschaften senden und auch eine wichtige Kraft in unserem Lande sind. Entscheidend ist aber, wie wird die Kombination. Und wir stehen für sozial-ökologische Politik als SPD. Beispielsweise in Berlin wollen wir nicht ein Klimaschutzgesetz wie die Grünen, was einen Euro pro Quadratmeter Mehrkosten erzeugt für die Mieterinnen und Mieter, da muss die soziale Balance hergestellt sein.
Welty: In dieser direkten Konkurrenz mit den Grünen, sieht so der strukturelle Erneuerungsprozess aus, den Sie nach der desaströsen Bundestagswahl gefordert haben?
Böhning: Weil ich einen strukturellen Erneuerungsprozess eingefordert habe, wusste ich auch, dass dieser Erneuerungsprozess nicht innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen sein kann. Das waren … Ich habe bereits im Frühjahr diesen Jahres vor einer geliehenen Stärke gewarnt und gesagt, wir müssen unsere eigenen Hausaufgaben machen, Vertrauen zurückgewinnen. Auf dem Weg befinden wir uns noch, und auf dem Weg werden wir uns auch noch länger befinden. Und entscheidend ist, dass wir im nächsten Jahr in den Ländern deutlich machen, dass wir soziale Kompetenz haben, dass wir für Arbeitsplätze kämpfen, so wie es uns in Nordrhein-Westfalen ja beispielsweise auch gelungen ist.
Welty: Er blickt optimistisch in die Zukunft: Björn Böhning in Deutschlandradio Kultur, Mitglied im SPD-Bundesvorstand und Berater von Berlins regierendem Bürgermeister Wowereit. Ich danke fürs Gespräch!
Böhning: Ich danke auch, schönen Tag!
Björn Böhning: Schönen guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Gegenkandidatin Ihres Chefs ist Renate Künast von den Grünen, die vor einer Woche vorgelegt hat mit einer kämpferischen Kandidatinnen-Antrittsrede. Wie oft haben Sie im Team das Video ihres Auftritts angeschaut und analysiert?
Böhning: Oh, ehrlich gesagt gar nicht.
Welty: Ach! Warum nicht? Interessiert es Sie nicht, was sie gemacht hat?
Böhning: Doch, es interessiert natürlich, was Frau Künast macht, aber es interessiert uns viel mehr, was wir machen wollen und was wir in den nächsten sechs Monaten noch in dieser Regierung umsetzen wollen, weil der Wahlkampf noch lange nicht begonnen hat. Und dann darüber zu reden, was in den nächsten fünf Jahren passieren soll, und da habe ich von den anderen wenig gehört, von Frau Künast wenig gehört. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen und sozialen Zusammenhalt schaffen, das ist unser Profil.
Welty: Schauen wir mal auf den Landesparteitag heute, wo wird Wowereit heute seine Schwerpunkte setzen? Er hat ja den Nachteil, dass er sich im Gegensatz zu Frau Künast an der Wirklichkeit seiner neun Jahre Regierungszeit messen lassen muss.
Böhning: Das ist genau der Vorteil, den wir natürlich auch ausspielen werden. Wir haben in den letzten vier Jahren mehr als 100.000 neue Arbeitsplätze in Berlin geschaffen, Frau Künast verspricht jetzt noch mal 100.000. Ich glaube, das ist unglaubwürdig, das war schon bei Gerhard Schröder unglaubwürdig. Entscheidend ist, dass wir eine positive Bilanz bei der Wirtschaftsentwicklung haben, und entscheidend ist auch, dass wir die Spaltung der Stadt verhindert haben, die ja noch 2001 sehr stark drohte, auch durch die Krise der Bankgesellschaft.
Welty: Sie verweisen auf die Erfolge, es gibt aber auch eine Menge Themen, die zumindest strittig sind. Da geht es um Fluglärm, da geht es um Wasserpreise und es geht um einen umstrittenen Autobahnausbau – da kann man schon Wähler prima mit verprellen, da muss man sich kaum noch Mühe geben.
Böhning: Die SPD hat entschieden, dass sie auch für Infrastruktur in Berlin ist, damit noch mehr Unternehmen und Arbeitsplätze in die Stadt kommen. Dazu gehört dann eben auch der Bau eines Teilstücks einer Autobahn. Zweitens ist beim Thema Flugrouten ja diese Woche auch gelungen darzustellen, dass Klaus Wowereit und die SPD ganz eng bei denjenigen stehen, die jetzt auf die Straße gehen gegen neue Flugrouten, die die deutsche Flugsicherung benannt hat – die Bürgerinitiative in Zehlendorf hat ja Herrn Wowereit sogar zum Ehrenmitglied ernannt. Und zudem ist es natürlich so, dass es in einer Stadt wie Berlin ständig neue Kritiken gibt, ständig neue Streitherde. Die Frage ist, wie reguliert, wie gestaltet man diese Konflikte. Und da heißt es: mit der ganzen Stadt und nicht mit einer Klientel.
Welty: Was bedeutet das konkret, Konflikte mit der ganzen Stadt zu gestalten?
Böhning: Es braucht in Berlin immer eine Kraft, die so ganz verschiedene Bezirke wie Lichtenberg, Neukölln, Kreuzberg, Reinickendorf zusammenhält und nicht nur für einzelne Innenstadtbezirke oder einzelne wenige Kieze steht, sondern die ganz Berlin in Blick nimmt. Wir haben nun knapp dreieinhalb Millionen Einwohner, und alle haben ihr Recht, sich hier wohlzufühlen in dieser Stadt.
Welty: Dieser Wahlkampf SPD gegen Grüne, was, glauben Sie, wird das bundesweit für Auswirkungen haben? Wird das die Parteienlandschaft noch mehr durcheinanderwirbeln, weil dann eben auch "natürliche Koalitionspartner", in Anführungszeichen, wie SPD und Grüne nicht mehr unbedingt an einem Strang ziehen?
Böhning: Nein, das glaube ich nicht. Es ist erst mal Spannung drin, und was ist schöner als Spannung? Weil das mobilisiert bei allen Parteien und das mobilisiert natürlich auch bei der SPD, und wir kämpfen dafür, dass wir als Kraft der sozialen Gerechtigkeit auch in Deutschland führend werden, weil ja gestern zum Beispiel durch die Beschlüsse der schwarz-gelben Bundesregierung, die Gesundheitsreform auf den Weg zu bringen, das asozialste Reformwerk der letzten 50 Jahre ... Und das wird auch in den nächsten Wochen und Monaten noch darzustellen sein, was es bedeutet, wenn die Kopfpauschale in Deutschland eingeführt ist.
Welty: Hätten Sie je damit gerechnet, dass die Grünen mit der SPD gleichziehen respektive die einst mitgliederstärkste Partei überholen in den Umfragen?
Böhning: In den Umfragen habe ich absolut damit gerechnet, auch Anfang des Jahres schon, weil die Grünen natürlich auch eine in vielen Themen – wie bei der Atomkraft, wie beim Thema Umweltschutz – wichtige Botschaften senden und auch eine wichtige Kraft in unserem Lande sind. Entscheidend ist aber, wie wird die Kombination. Und wir stehen für sozial-ökologische Politik als SPD. Beispielsweise in Berlin wollen wir nicht ein Klimaschutzgesetz wie die Grünen, was einen Euro pro Quadratmeter Mehrkosten erzeugt für die Mieterinnen und Mieter, da muss die soziale Balance hergestellt sein.
Welty: In dieser direkten Konkurrenz mit den Grünen, sieht so der strukturelle Erneuerungsprozess aus, den Sie nach der desaströsen Bundestagswahl gefordert haben?
Böhning: Weil ich einen strukturellen Erneuerungsprozess eingefordert habe, wusste ich auch, dass dieser Erneuerungsprozess nicht innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen sein kann. Das waren … Ich habe bereits im Frühjahr diesen Jahres vor einer geliehenen Stärke gewarnt und gesagt, wir müssen unsere eigenen Hausaufgaben machen, Vertrauen zurückgewinnen. Auf dem Weg befinden wir uns noch, und auf dem Weg werden wir uns auch noch länger befinden. Und entscheidend ist, dass wir im nächsten Jahr in den Ländern deutlich machen, dass wir soziale Kompetenz haben, dass wir für Arbeitsplätze kämpfen, so wie es uns in Nordrhein-Westfalen ja beispielsweise auch gelungen ist.
Welty: Er blickt optimistisch in die Zukunft: Björn Böhning in Deutschlandradio Kultur, Mitglied im SPD-Bundesvorstand und Berater von Berlins regierendem Bürgermeister Wowereit. Ich danke fürs Gespräch!
Böhning: Ich danke auch, schönen Tag!