Böhning: "Enduring Freedom" hat zu mehr Gewalt geführt
Der Juso-Bundesvorsitzende Björn Böhning (SPD) hat sich gegen eine weitere Beteiligung an der Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" (OEF) in Afghanistan ausgesprochen. Die Mission habe zur Eskalation der Gewalt beigetragen, sagte Böhning. Auch innerhalb der SPD gebe es "erheblichen Widerstand" gegen den Einsatz.
Leonie March: Die Basis der Grünen empfiehlt ihrer Fraktion entgegen der Vorstellungen ihrer Parteispitze, bei beiden Abstimmungen nicht zuzustimmen, und erntet dafür Kritik. CDU und FDP nannten das Votum verantwortungslos. SPD-Fraktionschef Struck sagte, die Grünen hätten sich aus der Realpolitik verabschiedet. Er geht weiterhin davon aus, dass die Mehrheit seiner Fraktion zustimmt, andere Sozialdemokraten sind sich da nicht so sicher. Über die Debatte um den Afghanistan-Einsatz in der SPD spreche ich jetzt mit Björn Böhning, Vorsitzender der Jusos. Guten Morgen, Herr Böhning!
Björn Böhning: Schönen guten Morgen, Frau March!
March: Droht der SPD-Führung beim Parteitag Ende Oktober Ähnliches wie gerade der Grünen-Spitze?
Böhning: Wenn man nicht die Debatten in der SPD berücksichtigt und die Debatte darum führt, wie wir in Afghanistan zukünftig handeln wollen, dann droht der SPD eine Schlappe. Aber ich glaube, insgesamt ist die Debatte sehr konstruktiv, und wir versuchen, es erst mal zu trennen zwischen Antiterrorkampf und Einsatz ISAF und darüber zu diskutieren, wie ist eigentlich die Zukunft in Afghanistan, wie können wir da rauskommen in mehreren Jahren und wie gelingt es uns, die Eskalation vor Ort einzudämmen.
March: Und Sie versuchen auch gar nicht, zu einer einheitlichen Haltung zu kommen?
Böhning: Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen und die Diskussionen werden das ergeben. Aber ich glaube, erst mal ist es wichtig festzuhalten. Ich bin für eine Zustimmung zu dem Mandat ISAF, ich bin auch dafür, das Tornado-Mandat zu verlängern. Ich bin aber dafür, das Mandat OEF, also den Antiterrorkampf, in Afghanistan zu beenden, weil er nicht zur Deeskalation, sondern zur Eskalation, nicht zu mehr Frieden, sondern zu mehr Gewalt geführt hat.
March: Viele Genossen teile diese Ansicht. Wie stark ist der Widerstand denn in der Parteibasis?
Böhning: Der Widerstand ist stark, auch insgesamt gegen den Afghanistan-Einsatz. Aber man muss diesem Widerstand auch nicht unbedingt Rechnung tragen, sondern man muss gucken, was ist das Beste, damit das afghanische Volk zukünftig in Frieden und Gewaltfreiheit leben kann. Und da hat es leider gezeigt, dass der Antiterrorkampf nicht nur völkerrechtlich brüchig geworden ist in der Argumentation, sondern auch insgesamt in der Situation vor Ort nicht das afghanische Volk und das Herz des afghanischen Volkes erreichen konnte.
March: Nun wurde aber ja der Einsatz am Hindukusch auch die Unterstützung von "Enduring Freedom" noch von der rot-grünen Regierung beschlossen, die Tornados mit Zustimmung der SPD-Fraktion entsandt. Jetzt sind nicht der gesamte Einsatz, wie Sie gerade gesagt haben, aber eben "Enduring Freedom" und auch die Tornados umstritten. Wie kommt es zu diesem Sinneswandel?
Böhning: Ich denke, das ist einfach ein Zeitablauf in der Debatte. Wir haben lange darüber diskutiert, wie gehen wir mit Militäreinsätzen um. Wir haben uns in der SPD dafür entschieden, dass wir die Fundamentalpositionen, überhaupt gar keine Kriegseinsätze, gar kein Militär, diese Position ist in der SPD nicht mehr so haltbar. Und deswegen glaube ich, ist die Zukunft, darüber zu diskutieren, wie können wir Militäreinsätze mit einem zivilen Mandat untermauern, wie sind wir in der Lage, eine friedenspolitische Strategie in einem Land zu entwerfen. Das sind die Fragen der Zukunft, und das macht sich jetzt an der OEF-Debatte fest.
March: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck betont ja trotzdem fast gebetsmühlenartig, dass er mit einer Mehrheit seiner SPD-Fraktion bei beiden Abstimmungen rechnet. Ignoriert er damit die Stimmen der Basis?
Böhning: Es ist erst mal seine Position als Fraktionsvorsitzender, das darf ihm niemand übel nehmen. Ich glaube aber, dass es in der SPD, nicht nur in der SPD-Fraktion, erheblichen Widerstand gegen das OEF-Mandat gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf dem Parteitag eine reine pauschale Verlängerung des OEF-Mandats ohne jegliche Debatte darüber, wie die Zukunft in Afghanistan aussehen wird, gegeben wird.
March: Aber noch mal: Fühlt sich die Basis übergangen von der Parteiführung?
Böhning: Nein, das glaube ich nicht. Das ist die Frage jetzt der Zugänge und gelingt es der Parteiführung, hier aber vor allem auch dem Außenminister, auf die Basis zuzugehen und eben genau darüber zu diskutieren, wie ich es eben skizziert habe. Diese Signale fehlen mir, insbesondere vom Außenminister.
March: Nun wissen Sie ja auch, dass sich die Mehrheit der Bürger in Deutschland für einen baldigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ausspricht und auch den Tornados sehr kritisch gegenübersteht. Was entgegnen Sie denen, wenn man Ihnen vorwirft, Politik gegen die Bürger zu machen?
Böhning: Ich denke, das große Ziel muss doch sein, dass wir in Afghanistan alles tun, damit die Präsenz ausländischer Streitkräfte, also auch der Bundeswehr, zukünftig abgebaut und irgendwann auch beendet werden kann. Und was müssen wir dafür tun? Dafür müssen wir tun, dass die Sicherheitsstrukturen, die Zivilgesellschaft, auch die staatlichen Apparate aufgebaut werden, auch die Ausbildung der Polizeikräfte und Armee vor Ort. Das müssen wir tun und müssen unter Umständen auch mehr tun, als wir bis heute getan haben. Denn es ist doch, glaube ich, auch das Grundanliegen der Bürgerinnen und Bürger, dass die Bundeswehr aus Afghanistan irgendwann abgezogen werden kann. Das wird aber nicht dadurch stattfinden, dass man einfach heute sagt, gut, wir lassen das Ganze. Das führt dann zu einer Gewaltspirale, die wir nicht wollen und die wir auch nicht akzeptieren können.
March: Trotzdem, die Bürger wünschen sich einen rascheren Abzug.
Böhning: Ja, ich denke, dass man auch an dieser Stelle nicht alles tun muss. Man muss die Sicherheitslage vor Ort entscheiden, man muss beachten, wie ist es auch in der internationalen Konstellation, wie gelingt es uns auch, die Regierung Karzai in Afghanistan zu unterstützen. Und wenn es rasch geht, bin ich sofort dabei. Wenn die Einschätzung ist, dass es nicht so rasch gehen kann, sondern dann vor Ort zu einem Chaos führt, dann kann man das nicht tun. Und dann sollte man, glaube ich, das Bauchgefühl dann auch nicht walten lassen.
March: Björn Böhning, Vorsitzender der Jusos, vielen Dank für das Gespräch.
Björn Böhning: Schönen guten Morgen, Frau March!
March: Droht der SPD-Führung beim Parteitag Ende Oktober Ähnliches wie gerade der Grünen-Spitze?
Böhning: Wenn man nicht die Debatten in der SPD berücksichtigt und die Debatte darum führt, wie wir in Afghanistan zukünftig handeln wollen, dann droht der SPD eine Schlappe. Aber ich glaube, insgesamt ist die Debatte sehr konstruktiv, und wir versuchen, es erst mal zu trennen zwischen Antiterrorkampf und Einsatz ISAF und darüber zu diskutieren, wie ist eigentlich die Zukunft in Afghanistan, wie können wir da rauskommen in mehreren Jahren und wie gelingt es uns, die Eskalation vor Ort einzudämmen.
March: Und Sie versuchen auch gar nicht, zu einer einheitlichen Haltung zu kommen?
Böhning: Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen und die Diskussionen werden das ergeben. Aber ich glaube, erst mal ist es wichtig festzuhalten. Ich bin für eine Zustimmung zu dem Mandat ISAF, ich bin auch dafür, das Tornado-Mandat zu verlängern. Ich bin aber dafür, das Mandat OEF, also den Antiterrorkampf, in Afghanistan zu beenden, weil er nicht zur Deeskalation, sondern zur Eskalation, nicht zu mehr Frieden, sondern zu mehr Gewalt geführt hat.
March: Viele Genossen teile diese Ansicht. Wie stark ist der Widerstand denn in der Parteibasis?
Böhning: Der Widerstand ist stark, auch insgesamt gegen den Afghanistan-Einsatz. Aber man muss diesem Widerstand auch nicht unbedingt Rechnung tragen, sondern man muss gucken, was ist das Beste, damit das afghanische Volk zukünftig in Frieden und Gewaltfreiheit leben kann. Und da hat es leider gezeigt, dass der Antiterrorkampf nicht nur völkerrechtlich brüchig geworden ist in der Argumentation, sondern auch insgesamt in der Situation vor Ort nicht das afghanische Volk und das Herz des afghanischen Volkes erreichen konnte.
March: Nun wurde aber ja der Einsatz am Hindukusch auch die Unterstützung von "Enduring Freedom" noch von der rot-grünen Regierung beschlossen, die Tornados mit Zustimmung der SPD-Fraktion entsandt. Jetzt sind nicht der gesamte Einsatz, wie Sie gerade gesagt haben, aber eben "Enduring Freedom" und auch die Tornados umstritten. Wie kommt es zu diesem Sinneswandel?
Böhning: Ich denke, das ist einfach ein Zeitablauf in der Debatte. Wir haben lange darüber diskutiert, wie gehen wir mit Militäreinsätzen um. Wir haben uns in der SPD dafür entschieden, dass wir die Fundamentalpositionen, überhaupt gar keine Kriegseinsätze, gar kein Militär, diese Position ist in der SPD nicht mehr so haltbar. Und deswegen glaube ich, ist die Zukunft, darüber zu diskutieren, wie können wir Militäreinsätze mit einem zivilen Mandat untermauern, wie sind wir in der Lage, eine friedenspolitische Strategie in einem Land zu entwerfen. Das sind die Fragen der Zukunft, und das macht sich jetzt an der OEF-Debatte fest.
March: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck betont ja trotzdem fast gebetsmühlenartig, dass er mit einer Mehrheit seiner SPD-Fraktion bei beiden Abstimmungen rechnet. Ignoriert er damit die Stimmen der Basis?
Böhning: Es ist erst mal seine Position als Fraktionsvorsitzender, das darf ihm niemand übel nehmen. Ich glaube aber, dass es in der SPD, nicht nur in der SPD-Fraktion, erheblichen Widerstand gegen das OEF-Mandat gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf dem Parteitag eine reine pauschale Verlängerung des OEF-Mandats ohne jegliche Debatte darüber, wie die Zukunft in Afghanistan aussehen wird, gegeben wird.
March: Aber noch mal: Fühlt sich die Basis übergangen von der Parteiführung?
Böhning: Nein, das glaube ich nicht. Das ist die Frage jetzt der Zugänge und gelingt es der Parteiführung, hier aber vor allem auch dem Außenminister, auf die Basis zuzugehen und eben genau darüber zu diskutieren, wie ich es eben skizziert habe. Diese Signale fehlen mir, insbesondere vom Außenminister.
March: Nun wissen Sie ja auch, dass sich die Mehrheit der Bürger in Deutschland für einen baldigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ausspricht und auch den Tornados sehr kritisch gegenübersteht. Was entgegnen Sie denen, wenn man Ihnen vorwirft, Politik gegen die Bürger zu machen?
Böhning: Ich denke, das große Ziel muss doch sein, dass wir in Afghanistan alles tun, damit die Präsenz ausländischer Streitkräfte, also auch der Bundeswehr, zukünftig abgebaut und irgendwann auch beendet werden kann. Und was müssen wir dafür tun? Dafür müssen wir tun, dass die Sicherheitsstrukturen, die Zivilgesellschaft, auch die staatlichen Apparate aufgebaut werden, auch die Ausbildung der Polizeikräfte und Armee vor Ort. Das müssen wir tun und müssen unter Umständen auch mehr tun, als wir bis heute getan haben. Denn es ist doch, glaube ich, auch das Grundanliegen der Bürgerinnen und Bürger, dass die Bundeswehr aus Afghanistan irgendwann abgezogen werden kann. Das wird aber nicht dadurch stattfinden, dass man einfach heute sagt, gut, wir lassen das Ganze. Das führt dann zu einer Gewaltspirale, die wir nicht wollen und die wir auch nicht akzeptieren können.
March: Trotzdem, die Bürger wünschen sich einen rascheren Abzug.
Böhning: Ja, ich denke, dass man auch an dieser Stelle nicht alles tun muss. Man muss die Sicherheitslage vor Ort entscheiden, man muss beachten, wie ist es auch in der internationalen Konstellation, wie gelingt es uns auch, die Regierung Karzai in Afghanistan zu unterstützen. Und wenn es rasch geht, bin ich sofort dabei. Wenn die Einschätzung ist, dass es nicht so rasch gehen kann, sondern dann vor Ort zu einem Chaos führt, dann kann man das nicht tun. Und dann sollte man, glaube ich, das Bauchgefühl dann auch nicht walten lassen.
March: Björn Böhning, Vorsitzender der Jusos, vielen Dank für das Gespräch.