Böhmer will mehr Kooperation mit der Wirtschaft
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, setzt auf die Arbeit von privaten Stiftungen als Modell für die Bildungspolitik der Bundesregierung. Interessant seien in diesem Zusammenhang Projekte, die für eine bessere Integration von Kindern aus Zuwandererfamilien in das deutsche Bildungs- und Schulsystem sorgen, sagte Böhmer.
Marcus Pindur: Die Länder der westlichen Welt sind das Ziel von Hunderttausenden, wenn nicht Millionen von Zuwanderern. Zuwanderer, die in moderne, wissensorientierte Gesellschaften integriert werden müssen, und das geschieht natürlich durch Bildung. Ein Problem gerade unseres Bildungssystems ist es jedoch, dass die Kinder aus Zuwandererfamilien und hier besonders diejenigen aus dem islamischen Kulturkreis Probleme in der Schule haben und unverhältnismäßig oft ihren Schulabschluss nicht schaffen. Gelungene Integration sieht anders aus. Und eine Frage dabei ist, ob hier nur der Staat oder eben auch die Zivilgesellschaft gefragt ist.
Heute und morgen hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Professor Maria Böhmer, zu einem hochkarätig besetzten Symposium nach Berlin eingeladen, und sie begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Maria Böhmer: Guten Morgen!
Pindur: Ein Name, der mir auf der Rednerliste sofort ins Auge fiel, ist der Name Bill Gates. Was kann denn der Inhaber von Microsoft zur Integration beitragen?
Böhmer: Es hat mich natürlich auch begeistert, dass Bill Gates zugesagt hat, heute zu den Teilnehmern des Symposiums zu sprechen und mit der Bundeskanzlerin zu diskutieren. Bill Gates ist ja nicht nur ein Unternehmer, nicht nur jemand, der in der New Economy zu Hause ist, sondern er hat sich entschlossen, gemeinsam mit seiner Frau eine der größten Stiftungen dieser Welt zu etablieren. Und von daher zeigt er wirklich: Er ist interessiert am Gemeinwohl, an der Entwicklung des Zusammenlebens in der Gesellschaft, an Entwicklungen in dieser Welt. Damit ist er ein Beispiel für viele, und deshalb ist es so wichtig, dass er heute zu uns sprechen wird.
Pindur: Die Zusammenarbeit von privaten Stiftungen und staatlichen Stellen stellt aber gerade im Bildungsbereich eher noch die Ausnahme als die Regel dar.
Böhmer: Das ist richtig, aber eines ist anzumerken zum Thema Integration. Die Stiftungen haben sich vor langen Jahren diesem Thema zugewandt, und sie haben damit Pionierarbeit geleistet, auf die wir jetzt von staatlicher Seite auch aufbauen können. Und dieses Symposium dient auch dazu auszuloten, wie aus den vielen Projekten, die in unserem Land existieren, erfolgreichen Projekten der Stiftungen, auch wirklich ein Programm werden kann, wie sie in das Schulwesen Eingang finden können oder in den Kindergarten oder in die berufliche Ausbildung. Und von daher ist es ein hoch spannender Diskussionsprozess, den wir heute haben wollen, der aber nicht nur beim Reden enden soll, sondern der in Taten münden soll, denn Integration braucht deutliche Veränderung. Sie haben es selbst gesagt: Viele Kinder bleiben auf der Strecke, sind Schulabbrecher. Das wollen wir ändern, denn die Potenziale liegen brach, und das darf nicht sein.
Pindur: Das ist ja ein international besetztes Symposium. Auch der EU-Kommissionspräsident Barroso ist dabei. Die Bundeskanzlerin ist dabei. Was können wir denn am Beispiel anderer Länder in diesem Bereich lernen?
Böhmer: Wir können eines lernen, dass es in den Ländern, die ebenso mit Sprachproblemen bei den Zuwanderern kämpfen, dass es wichtig ist, eine systematische Sprachförderung von Anfang an zu machen. Das heißt für uns ja auch, dass wir umgesteuert haben im Kindergartenbereich, und im nationalen Integrationsplan haben sich die Länder und die Kommunen gemeinsam mit dem Bund dazu verpflichtet, dass Sprachförderung im Kindergarten überall stattfinden muss, damit die Kinder bessere Chancen haben.
Der zweite Punkt ist aber, dass wir beim Bildungssystem genau hinschauen müssen, denn wenn bei uns in Deutschland Bildung immer noch von der sozialen Herkunft stark geprägt ist, dann sind das schlechtere Chancen für Kinder aus Zuwandererfamilien. Aber nicht Kindergarten und Schule können alles leisten. Wir müssen die Eltern stärken, und deshalb will ich ein Netzwerk Bildungspaten aufbauen, auch orientiert an dem Beispiel anderer Länder, wo die Elternhäuser gestärkt werden.
Pindur: Gibt es denn auch schon in Deutschland Ansätze für erfolgreiche Integrationsprojekte in diesem, wie es in Neudeutsch heißt, Public-Private-Partnership-Modell?
Böhmer: Ich will Ihnen kurz zwei Bereiche nennen. Das eine ist das Projekt Frühstart der Herti-Stiftung. Hier gibt es bemerkenswert von Anfang an eine sehr enge Kooperation mit dem hessischen Bildungsministerium. Das heißt: Erzieherinnen und Erzieher sind fortgebildet worden für die frühe Sprachförderung im Kindergarten. Das ist sehr erfolgreich, und es ist beispielhaft.
Das Zweite ist das Projekt Förderunterricht der Merkator-Stiftung. Auch hier erprobt inzwischen in vielen Schulen und es sind über 1000 Lehramtsstudenten, die Förderunterricht an mehr als 6000 Schülerinnen und Schülern aus Zuwandererfamilien gegeben haben, damit sie besser Deutsch lernen können. Aber es ist auch wichtig für die Lehramtsstudenten, denn sie selbst sammeln damit Erfahrung mit Zuwandererkindern.
Pindur: Nun kann man ja fragen, ob den Kindern nicht mit mehr Lehrern an den Schulen gedient wäre. Welche Kompetenzen sollten denn Ihrer Ansicht nach unbedingt im Bildungsbereich beim Staat bleiben, und welche könnten dann von privaten Akteuren ausgefüllt werden?
Böhmer: Also, die Stiftungen können natürlich die staatliche Verantwortung nicht übernehmen, aber sie können ergänzende Funktionen haben. Sie können anregen, und sie können durch Pilotprojekte auch neue Wege ausloten. Das ist das Spannende eigentlich, dass wir von den Stiftungen, von deren Erfahrungen lernen können, aber dann zugleich auch gemeinsam ausloten müssen, wie ein solches erfolgreiches Pilotprojekt dann in das Regelsystem – sei es Kindergarten oder Schule – übertragen werden kann. Denn was im Kleinen klappt, das muss noch einmal dann auch daraufhin überprüft werden, wie geschieht das in allen Schulen. Und wenn es jetzt beispielsweise um den Förderunterricht geht, dann können wir wirklich auf gute Erfahrungen setzen, die die Merkator-Stiftung gesammelt hat. Und ich wünsche mir auch, dass alle Lehrerinnen und Lehrer besser vorbereitet sind auf diese Aufgabe, mit Kindern aus Zuwandererfamilien in der Schule zu arbeiten. Auch deshalb ist ein solches Projekt wichtig.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!
Böhmer: Danke, Ihnen auch!
Pindur: Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Maria Böhmer. Sie ist heute Gastgeberin eines großen internationalen Symposiums zum Thema Public-Private-Partnership und Integration.
Heute und morgen hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Professor Maria Böhmer, zu einem hochkarätig besetzten Symposium nach Berlin eingeladen, und sie begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Maria Böhmer: Guten Morgen!
Pindur: Ein Name, der mir auf der Rednerliste sofort ins Auge fiel, ist der Name Bill Gates. Was kann denn der Inhaber von Microsoft zur Integration beitragen?
Böhmer: Es hat mich natürlich auch begeistert, dass Bill Gates zugesagt hat, heute zu den Teilnehmern des Symposiums zu sprechen und mit der Bundeskanzlerin zu diskutieren. Bill Gates ist ja nicht nur ein Unternehmer, nicht nur jemand, der in der New Economy zu Hause ist, sondern er hat sich entschlossen, gemeinsam mit seiner Frau eine der größten Stiftungen dieser Welt zu etablieren. Und von daher zeigt er wirklich: Er ist interessiert am Gemeinwohl, an der Entwicklung des Zusammenlebens in der Gesellschaft, an Entwicklungen in dieser Welt. Damit ist er ein Beispiel für viele, und deshalb ist es so wichtig, dass er heute zu uns sprechen wird.
Pindur: Die Zusammenarbeit von privaten Stiftungen und staatlichen Stellen stellt aber gerade im Bildungsbereich eher noch die Ausnahme als die Regel dar.
Böhmer: Das ist richtig, aber eines ist anzumerken zum Thema Integration. Die Stiftungen haben sich vor langen Jahren diesem Thema zugewandt, und sie haben damit Pionierarbeit geleistet, auf die wir jetzt von staatlicher Seite auch aufbauen können. Und dieses Symposium dient auch dazu auszuloten, wie aus den vielen Projekten, die in unserem Land existieren, erfolgreichen Projekten der Stiftungen, auch wirklich ein Programm werden kann, wie sie in das Schulwesen Eingang finden können oder in den Kindergarten oder in die berufliche Ausbildung. Und von daher ist es ein hoch spannender Diskussionsprozess, den wir heute haben wollen, der aber nicht nur beim Reden enden soll, sondern der in Taten münden soll, denn Integration braucht deutliche Veränderung. Sie haben es selbst gesagt: Viele Kinder bleiben auf der Strecke, sind Schulabbrecher. Das wollen wir ändern, denn die Potenziale liegen brach, und das darf nicht sein.
Pindur: Das ist ja ein international besetztes Symposium. Auch der EU-Kommissionspräsident Barroso ist dabei. Die Bundeskanzlerin ist dabei. Was können wir denn am Beispiel anderer Länder in diesem Bereich lernen?
Böhmer: Wir können eines lernen, dass es in den Ländern, die ebenso mit Sprachproblemen bei den Zuwanderern kämpfen, dass es wichtig ist, eine systematische Sprachförderung von Anfang an zu machen. Das heißt für uns ja auch, dass wir umgesteuert haben im Kindergartenbereich, und im nationalen Integrationsplan haben sich die Länder und die Kommunen gemeinsam mit dem Bund dazu verpflichtet, dass Sprachförderung im Kindergarten überall stattfinden muss, damit die Kinder bessere Chancen haben.
Der zweite Punkt ist aber, dass wir beim Bildungssystem genau hinschauen müssen, denn wenn bei uns in Deutschland Bildung immer noch von der sozialen Herkunft stark geprägt ist, dann sind das schlechtere Chancen für Kinder aus Zuwandererfamilien. Aber nicht Kindergarten und Schule können alles leisten. Wir müssen die Eltern stärken, und deshalb will ich ein Netzwerk Bildungspaten aufbauen, auch orientiert an dem Beispiel anderer Länder, wo die Elternhäuser gestärkt werden.
Pindur: Gibt es denn auch schon in Deutschland Ansätze für erfolgreiche Integrationsprojekte in diesem, wie es in Neudeutsch heißt, Public-Private-Partnership-Modell?
Böhmer: Ich will Ihnen kurz zwei Bereiche nennen. Das eine ist das Projekt Frühstart der Herti-Stiftung. Hier gibt es bemerkenswert von Anfang an eine sehr enge Kooperation mit dem hessischen Bildungsministerium. Das heißt: Erzieherinnen und Erzieher sind fortgebildet worden für die frühe Sprachförderung im Kindergarten. Das ist sehr erfolgreich, und es ist beispielhaft.
Das Zweite ist das Projekt Förderunterricht der Merkator-Stiftung. Auch hier erprobt inzwischen in vielen Schulen und es sind über 1000 Lehramtsstudenten, die Förderunterricht an mehr als 6000 Schülerinnen und Schülern aus Zuwandererfamilien gegeben haben, damit sie besser Deutsch lernen können. Aber es ist auch wichtig für die Lehramtsstudenten, denn sie selbst sammeln damit Erfahrung mit Zuwandererkindern.
Pindur: Nun kann man ja fragen, ob den Kindern nicht mit mehr Lehrern an den Schulen gedient wäre. Welche Kompetenzen sollten denn Ihrer Ansicht nach unbedingt im Bildungsbereich beim Staat bleiben, und welche könnten dann von privaten Akteuren ausgefüllt werden?
Böhmer: Also, die Stiftungen können natürlich die staatliche Verantwortung nicht übernehmen, aber sie können ergänzende Funktionen haben. Sie können anregen, und sie können durch Pilotprojekte auch neue Wege ausloten. Das ist das Spannende eigentlich, dass wir von den Stiftungen, von deren Erfahrungen lernen können, aber dann zugleich auch gemeinsam ausloten müssen, wie ein solches erfolgreiches Pilotprojekt dann in das Regelsystem – sei es Kindergarten oder Schule – übertragen werden kann. Denn was im Kleinen klappt, das muss noch einmal dann auch daraufhin überprüft werden, wie geschieht das in allen Schulen. Und wenn es jetzt beispielsweise um den Förderunterricht geht, dann können wir wirklich auf gute Erfahrungen setzen, die die Merkator-Stiftung gesammelt hat. Und ich wünsche mir auch, dass alle Lehrerinnen und Lehrer besser vorbereitet sind auf diese Aufgabe, mit Kindern aus Zuwandererfamilien in der Schule zu arbeiten. Auch deshalb ist ein solches Projekt wichtig.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!
Böhmer: Danke, Ihnen auch!
Pindur: Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Maria Böhmer. Sie ist heute Gastgeberin eines großen internationalen Symposiums zum Thema Public-Private-Partnership und Integration.