Bodo Ramelow

Hoffnungen und Bauchschmerzen

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Der Politiker der Links-Partei Bodo Ramelow (Bild: Michael Reichel / dpa). © Michael Reichel/dpa
Von Henry Bernhard · 24.11.2014
Rot-Rot-Grün verfügt über eine Stimme Mehrheit im Thüringer Landtag. Wenige Tage vor der Abstimmung ist noch nicht sicher, ob es wirklich mit der Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten klappt. Bei den Sozialdemokraten sind nicht alle überzeugt.
"Den Partnern SPD und Grünen wollen wir anbieten eine Koalition auf Augenhöhe und ein gemeinsames Entwickeln und dann noch ein gemeinsames Umsetzen von Politik."
Der Linke Bodo Ramelow am Tag nach der Landtagswahl. Ein linker Ministerpräsident in Thüringen, gewählt mit dem Stimmen von SPD und Grünen - das wäre ein Tabubruch, argwöhnisch beäugt aus ganz Deutschland. Die SPD-Basis sieht das mit gemischten Gefühlen. Es gab ja eine Alternative. Auch ein "Weiter so" mit der CDU wäre möglich gewesen. Doch die Bilanz von fünf Jahren Schwarz-Rot war bitter für die SPD: Von mageren 18 Prozent ist sie auf kümmerliche zwölf Prozent abgestürzt.
Zudem waren die Verletzungen, die die CDU der SPD beigebracht hat, zu schmerzlich. Sie gipfelten in der Bemerkung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring, der den SPD-Kultusminister indirekt mit der verhassten DDR-Bildungsministerin Margot Honecker verglich. Nun, mit Aussicht auf Rot-Rot-Grün, ist "CDU-Bashing" in der SPD ein beliebtes Mittel, um Frust und Enttäuschung abzulassen. Zuletzt auf dem SPD-Parteitag. Leidenschaftlich vorgetragen von dem jungen Landrat Peter Heimrich:
"Was ist das für eine verkommene Combo, an die wir uns fünf weitere Jahre binden sollen!? Die glauben tatsächlich, dass Thüringen ihnen gehört! Deswegen lasst uns dieses Mal die Alternative wagen: Schicken wie die Mohring-Truppe in die Opposition! Vielen Dank."
Aber es gibt auch Genossen, für die die Wahl eines linken Ministerpräsidenten einem Verrat gleicht. Der bekannteste ist mittlerweile der 35-jährige Stefan Sandmann, Vorsitzender des SPD-Ortsvereines in Ilmenau, selbständiger Unternehmensberater und freiwilliger Feuerwehrmann. Am 9. November, als auf dem Erfurter Domplatz Tausende gegen Rot-Rot-Grün demonstrierten, redete er Klartext.
"Mit den Wurzeln der Sozialdemokratie hat das nichts zu tun! Die wollten uns zu Thälmanns Zeiten vernichten; und sie wollten uns 1946 bis 49 vernichten; und bis 89 haben sie uns verboten. Und jetzt wollen sie mit denen wieder zusammengehen - das ist ne Schande."
Stefan Sandmannn will an dem Tag, an dem die SPD einen linken Ministerpräsidenten wählt, sein rotes Parteibuch zurückgeben. Aber dann gibt es noch die leisen SPD-Mitglieder. Es sind vor allem die Jungen in der Partei, denen der Blick zurück eher fremd ist. Sie wollen nach vorn schauen wollen, "Projekte" verwirklichen, sich dafür Mehrheiten suchen. Der Thüringer Juso-Vorsitzende Markus Giebe am Tag des Koalitionsvertrags.
"'Ein Tag zum Feiern' wäre wahrscheinlich der falsche Ausdruck. Ich glaube, wir sind sehr zufrieden, dass ein Koalitionsvertrag zustande gekommen ist, der gerade im Bereich Jugend viele Fortschritte verspricht ..."
Geschichten der alten Genossen
Oder Kevin Groß, Jahrgang 1991. Als sich die Sozialdemokraten 1989 wieder in der DDR gründeten, war er noch nicht einmal geboren. Er hört aber gern die Geschichten der alten Genossen und kann deren Bedenken verstehen.
"Ich habe auch einen Riesen-Respekt vor den Leuten, die gerade jetzt sich äußern und sagen: 'Nee, ich habe Bauchschmerzen dabei mit den Linken!'. Das ist vollkommen klar, dass die Leute, die das mitgemacht haben, die auch unter dem System, unter der Diktatur gelitten haben, dass die so eine Meinung haben."
Markus Giebe: "Weil es ja wirklich eine unsichere Zeit war: Die Leute hätten am nächsten Tag im Knast sitzen können."
Romy Arnold: "Teilweise ist man ja auch ein bisschen neidisch, dass man da nicht dabei war: So eine Aufbruchsstimmung. Ich finde das auch wichtig, dass das zu unserem Selbstverständnis gehört, aber es ist eben nicht nur das."
Romy Arnold von den Jusos ist 28 Jahre alt. Für sie ist Die Linke auf Bundesebene zu wenig kompromissbereit. Dennoch gäbe es große Übereinstimmungen zwischen Linken und Sozialdemokraten, meint die Jungsozialistin, die Politik und Geschichte in Jena studiert hat.
"Also, wir haben ja trotzdem linke Positionen, linke Inhalte, die wir umsetzen wollen, linkes Programm auch in vielen Teilen ..."
Kevin Groß: "Die Linke ist nicht mehr deckungsgleich mit der SED. Wir haben inhaltlich riesengroße Schnittmengen; wir haben personell riesengroße Schnittmengen: Ich meine, wie viele Sozialdemokraten sind bei der Agenda 2010 zur Linkspartei gewechselt?"
Markus Giebe: "Ich glaube, die SPD ist stark geworden als linke Partei, eben genau mit solchen Kernthemen wie soziale Gerechtigkeit. Und wir tun uns selbst keinen Gefallen damit, wenn wir uns von unseren Grundsätzen dort entfernen."
Kevin Groß: "Ich meine, die SPD hatte auch bis 1980 einen Arbeitskries "Marxisten in der SPD". So what the fuck? Man muss sich der Vergangenheit stellen; und vor allen Dingen muss die Linke aufarbeiten. Und wir müssen sie dazu drängen; dafür werden wir auf jeden Fall sorgen! So, und wenn wir keine schlechte Realpolitik an vielen Stellen gemacht hätten - dann bräuchten wir die Linkspartei gar nicht!"
Die Thüringer Jusos jedenfalls sind zuversichtlich, was Rot-Rot-Grün in Thüringen betrifft. Und vielleicht könnte es bald auch ein Modell für eine Zusammenarbeit auf Bundesebene sein, mein zumindest Kevin Groß, der für die SPD in den Erfurter Stadtrat gewählt wurde. Eine Vorstellung, wie eine Mehrheit links der Mitte auch in Berlin organsiert werden könnte, hat er schon.
Kevin Groß: "Na ja: Wir sollten uns wieder fragen: Was ist für uns Links? Ich denke, dass sich die neue Linke in Magdeburg getroffen hat, war ganz gut, um einfach eine Debatte innerhalb der Partei auszulösen und gerade jetzt auch wieder über Vermögenssteuer zu sprechen. Die Grünen müssen sich, glaube ich, fragen, ob sie rechts oder links neben der SPD stehen, ob die eher Schwarz-Grün toll finden. Und die Linke muss einfach mal dafür sorgen, dass nicht so viele verwirrte Leute zu ihr kommen."
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