Bob Dylan und Johnny Cash in "Travelin' Thru"

Wie zwei Jungs drauflos singen

06:15 Minuten
Johnny Cash und Bob Dylan spielen auf ihren Gitarren zusammen.
Gegensätze auf einer Wellenlänge: Bob Dylan zusammen mit Johnny Cash bei einem Auftritt Ende der 1960er-Jahre. © Everett Collection
Fanny Tanck im Gespräch mit Mascha Drost · 04.11.2019
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Bob Dylan wandte sich Ende der 60er der Country-Musik zu - und nahm auch Songs mit Johnny Cash auf. Jetzt sind in der "Bootleg Series" die Aufnahmen dieser Session erschienen. Ein intimes Zeitzeugnis nicht nur für Dylan-Fans.
Im Februar 1969 kam es zu einer historischen Begegnung: Bob Dylan und Johnny Cash nahmen in Nashville zusammen Songs auf. Einer davon eröffnet das Album "Nashville Skyline": "Girl from the North Country", ein alter Dylan-Song als Duett.
Nun sind auch die restlichen Aufnahmen dieser Sessions erschienen: "Travelin' Thru" ist der 15. Teil der "Bootleg Series" und versammelt auf drei CDs bisher unveröffentlichte Songs aus den Jahren 1967 bis 1969. Auf zwei CDs sind die Duette zu hören, bei denen Dylan und Cash einige ihrer alten Lieder zusammen neu einspielen.

In ihren Krisen gegenseitig aufgefangen

Bob Dylan und Johny Cash haben sich gegenseitig beeinflusst. "Sie haben sich aufgefangen in ihren jeweiligen Krisen", sagt die Musikjournalistin Fanny Tanck. Dylan hatte sich davor gerade aus dem Showgeschäft zurückgezogen, weil es ihm zu psychedelisch und zu viel wurde, Cash dagegen kämpfte mit Selbstzweifeln.
"Man kann hier hören, wie sich die beiden in der intimsten Form, die es überhaupt gibt in der Musik, quasi im Akt des Singens von ihren Zweifeln entbinden", sagt Tanck. "Und auch von den Erwartungen der Öffentlichkeit. Zum Teil klingen sie wie zwei kleine Jungs, die einfach mal wieder drauflos singen dürfen. Und darin haben sie sich natürlich auch musikalisch befruchtet."

Mal Buddies, mal Ehepaar

Eine Begegnung der Gegensätze: Einerseits Cash, der ewig dunkle, sonore Melancholiker, andererseits Dylan, das wendige, schwebende Leichtgewicht. "Mal sind sie Buddies, mal Ehepaar, mal sind die Songs schon relativ fertig, mal quatschen Sie zwischendrin, fragen June Carter hinter der Scheibe um Rat", so Tanck. "Aber immer hat man das Gefühl, Unterschied und die völlige Einheit müssen kein Widerspruch sein."
Auf den Aufnahmen entstehe eine ganz weiche Aura: "innig, melodisch, beweglich und auf eine bestimmte Weise rein". Wenn Dylan Country singe, klinge seine Stimme ungewöhnlich klassisch, fast romantisch. Dieses "schöne Singen" hätten ihm viele immer abgesprochen.

Kaufempfehlung auch für Einsteiger

Diese Ausgabe der "Bootleg Series" biete nicht nur Aufnahmen für die eingeschworene Dylan-Gemeinde. "Diese Freundschaft, der gegenseitige Respekt, auch die musikalische Fusion ist musikalisch noch gar nicht hinreichend dokumentiert."
Daher sei "Travelin' Thru" auch ein Zeitzeugnis. "Das ist eine Etappe im Leben zweier Menschen, die, egal ob man ihre Songs an sich mag, eine unschlagbare Kombi waren. Unterhaltsam, berührend und absolut unverwechselbar."
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