Bluttest auf Trisomie 21

Wissen hat einen Preis

08:25 Minuten
Illustration: Eine schwangere Frau blickt nachdenklich auf Ihren Bauch.
Wie gehen Schwangere damit um, dass Trisomie-Tests nun kostenlos möglich sind? Lara Mars befürchtet, dass der gesellschaftliche Druck auf werdende Eltern dadurch zunimmt. © Getty Images / iStockphoto / Tatyana Antusenok
Lara Mars im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 09.08.2022
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Der Bluttest NIPT auf Trisomie 21 ist jetzt kostenlos. Kritiker fürchten, dass der Druck auf Eltern steigt, die Schwangerschaft abzubrechen. Es brauche bessere Aufklärung und Begleitung, sagt Lara Mars, die selbst ein Kind mit Down-Syndrom hat.
Als Lara Mars schwanger war, haben sie und ihr Mann sich bewusst dagegen entschieden, zu testen, ob ihr Kind voraussichtlich behindert sein wird. Erst nach der Geburt stellte sich heraus: Die Tochter hat Trisomie 21.

Kurz bricht die Welt zusammen

"Da brach erst mal kurz die Welt zusammen", erzählt Mars. Was ein Leben mit Down-Syndrom für Eltern und Kind bedeuten könnte, damit hatte sie sich bis zu diesem Zeitpunkt kaum auseinandergesetzt.

Als wir die Diagnose bekommen haben, sind in meinem Kopf unglaublich viele stereotype Bilder aufgeploppt. Wenn ich heute daran zurückdenke, muss ich fast über mich selber lachen, weil das nichts zu tun hat mit dem Leben, das wir jetzt führen.

Lara Mars

Mars entschied sich deshalb, an die Öffentlichkeit zu gehen, um Eltern in einer ähnlichen Situation zu unterstützen. Sie berät zum Thema Trisomie und Inklusion und initiierte das in Kliniken, Praxen und Beratungsstellen ausliegende Heft "Von Mutter zu Mutter". Darin vermittelt sie Eindrücke davon, welche Schwierigkeiten, aber auch welches Glück die Trisomie des Kindes im Alltag mit sich bringt.
"Das Leben ist nicht vorbei, wenn man ein Kind mit Down-Syndrom bekommt", sagt Mars. "Ganz im Gegenteil, man kriegt noch eine Menge Dinge mit, die man sonst vielleicht gar nicht mitbekommen hätte." Auch auf dem Instagram-Account von Lara Mars kann man sich davon ein Bild machen.

Bluttest als Kassenleistung

Seit dem 1. Juli 2022 können Schwangere einen nichtinvasiven Pränatal-Test (NIPT) auf verschiedene Formen der Trisomie kostenlos als Krankenkassenleistung bekommen. Das zivilgesellschaftliche Bündnis #NoNIPT protestiert gegen diese Neuregelung. Aus ihrer Sicht ist die Kassenfinanzierung des Tests "Ausdruck der strukturellen Behindertenfeindlichkeit in unserem Land.
Bisher mussten werdende Eltern, die einen nichtinvasiven Test durchführen lassen wollten, diesen selbst bezahlen, erklärt Lara Mars. Der Bluttest ist mit erheblich weniger Risiken für Mutter und Kind verbunden als eine Fruchtwasseruntersuchung während der Schwangerschaft.
Welche Auswirkungen die Gesetzesänderung haben wird, sei schwer einzuschätzen, sagt Mars. In Deutschland würden dazu bisher keine aussagekräftigen Zahlen erhoben. In Dänemark habe sich aber gezeigt, dass die Geburten von Kindern mit Down-Syndrom stark zurückgingen, seit dort die Kosten für den NIPT von den Kassen übernommen werden.

Der Druck nimmt zu

Vor allem der gesellschaftliche Druck bereitet Mars Sorgen: Von betroffenen Schwangere werde immer selbstverständlicher erwartet, dass sie sich für einen Abbruch entscheiden. "Das muss doch heutzutage nicht mehr sein" - solche Sätze fielen häufig.

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Sie habe auch schon oft davon gehört, dass Schwangere zusammen mit der Diagnose gleich den Überweisungsschein für einen Abbruch in die Hand bekämen, sagt Mars, die diese Entwicklung "mit sehr großer Angst" verfolgt.

Aufklärung tut Not

Zwar findet es Mars nicht verwerflich, wenn Schwangere einen Trisomie-Test machen wollen. Wichtig ist ihr aber, dass diese sich zuvor so unvoreingenommen wie möglich mit den möglichen Folgen des Ergebnisses auseinandersetzen:
"Was macht das mit mir? Kann ich dann überhaupt noch Informationen einholen, die nicht gefärbt von meiner eigenen Erfahrung sind?"
Auch deshalb führt für Mars kein Weg daran vorbei, werdende Eltern besser auf die Diagnose nach einem Bluttest vorzubereiten - und "dass wir als Gesellschaft enorm an der Aufklärungsarbeit drumherum arbeiten."
(fka)
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