Blutleer und schockgefroren
Der tschechische Regisseur Dusan David Parizek treibt Georg Büchner und seinem Stück "Dantons Tod" alles revolutionäre Eros aus - kein Spiel, keine Emotion darf sich auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses zeigen.
"Voll von Aktualität" soll dem tschechischen Regisseur Dusan David Parizek "Dantons Tod" erschienen sein – davon jedoch ist in der Inszenierung für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg praktisch nichts zu spüren. In dieser Hinsicht lohnender wäre vermutlich am selben Abend der Besuch im Leipziger "Centraltheater" gewesen, wo ja der Schauspieler und Regisseur Thomas Thieme Büchners Texte, den "Hessischen Landboten" etwa oder eben auch "Dantons Tod", überprüfen wollte im Hinblick auf die Frage, was sie denn wohl mit einer richtigen Revolte, und zwar natürlich der, die in Leipzig vor genau 20 Jahren begann, heute noch zu tun haben könnten. In Hamburg dagegen ist das "Danton"-Pendant nichts als ein müder Abgesang – mit einem Danton als nur noch bei Frau und Geliebter einigermaßen lebens-, aber eben auch schon todeslustigem Alt-Hippie und einem Robespierre, der hier aussieht (und vor allem auftritt) wie ein fundamentalistischer Evangelikaler, der eigentlich immer nur beten und beschwören kann und Freunden wie Opfern vor allem immerzu Blumen mitbringt.
Wie wenig der Tscheche Parizek (der als junger Mann in Prag ja immerhin auch eine "samtene" Revolution erlebt haben müsste vor zwei Jahrzehnten!) jeden revolutionären Gedanken auf den Abfall der Geschichte expedieren will, zeigt schon das Vorspiel vor dem Theater. Da stehen die beiden Protagonisten auf dem gläsernen Regendach vor dem Eingang zum Theater und halten hohle Reden an ein gedachtes Volk; in den kalten Hamburger Abend hinein dreschen sie Phrasen und leeres Stroh (und sorgen so immerhin für ein paar Verkehrsbehinderungen auf der Kirchenallee), und dazu dröhnt vom Band Beifalls- und Protest-Gelärme. Dieses Geschrei ist mit den Reden erkennbar nicht synchronisiert, das heißt: Das brüllende Volk reagiert nicht auf die Redner. Und mit der Zeit merkt jeder, dass es sich hier um Getöse aus dem Fußballstadion handelt. Dort, so könnte diese szenische Anordnung gedacht sein, ist der einzige Ort, wo revolutionäre Masse noch als Moment der Bewegung auftritt. Drinnen im Theater bewegt uns dann nichts.
Vor abstrakten Wänden (Schachbrett- oder Parkett-Muster, senkrecht gestellt) wird gegangen, gestanden und gesprochen; aber kein Spiel, keine Emotion darf sich zeigen. Hier soll um Himmels willen nichts "illustriert" werden, wie schockgefroren und vollkommen blutleer wird der Text zelebriert. Auch den hat Parizek stark reduziert, genauso wie das Personal. So finden etwa die exzessiven Palaver der todgeweihten Ex-Revolutionäre kurz vor dem Gang zur Guillotine nicht statt. Und auch die großen Debatten zwischen den extrem ineinander verstrickten Antipoden Danton und Robespierre zeigen nichts von der immensen Poetik im Diskurs. Über Revolution, diese Erkenntnis haut Parizek dem Publikum mit Penetranz um die Ohren, wäre eigentlich kein Wort mehr zu verlieren; auch nicht über die Möglichkeit vor-revolutionärer Verhältnisse, die ja auch moderne Gesellschaften immer wieder heimsuchen können. Mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise jüngerer Zeit und kurz vor dem 9. November muss diese Haltung im Theater absurd wirken; auf jeden Fall ein bisschen ignorant. Vielleicht sogar reaktionär.
Die Kühlschrankkälte schadet im Übrigen auch dem Ensemble – Markus John als Danton darf da eben nur schlaff und ausgepowert agieren, Lukas Holzhausen als Robespierre im Pastoren-Outfit und mit Blumen nur der Schatten eines Moral-Apostels sein; und der "blutige Engel" Saint-Just kommt (mit Aleksandar Radenkovic) zwar vor, ist aber eigentlich nicht vorhanden. Auch sonst bleibt im stark reduzierten Ensemble niemand wirklich prägend haften in der Erinnerung. Der Beifall ist der mittlerweile handelsübliche Quietsch-Jubel wie bei Pop-Konzerten; und genauso schnell wie bei Pop-Konzerten ist er auch verflogen. Beunruhigend viele Plätze übrigens blieben leer im Schauspielhaus – und das zur Premiere! So viel Vorauskredit hat Parizek in Hamburg trotz einiger Erfolge offenbar immer noch nicht.
Wie wenig der Tscheche Parizek (der als junger Mann in Prag ja immerhin auch eine "samtene" Revolution erlebt haben müsste vor zwei Jahrzehnten!) jeden revolutionären Gedanken auf den Abfall der Geschichte expedieren will, zeigt schon das Vorspiel vor dem Theater. Da stehen die beiden Protagonisten auf dem gläsernen Regendach vor dem Eingang zum Theater und halten hohle Reden an ein gedachtes Volk; in den kalten Hamburger Abend hinein dreschen sie Phrasen und leeres Stroh (und sorgen so immerhin für ein paar Verkehrsbehinderungen auf der Kirchenallee), und dazu dröhnt vom Band Beifalls- und Protest-Gelärme. Dieses Geschrei ist mit den Reden erkennbar nicht synchronisiert, das heißt: Das brüllende Volk reagiert nicht auf die Redner. Und mit der Zeit merkt jeder, dass es sich hier um Getöse aus dem Fußballstadion handelt. Dort, so könnte diese szenische Anordnung gedacht sein, ist der einzige Ort, wo revolutionäre Masse noch als Moment der Bewegung auftritt. Drinnen im Theater bewegt uns dann nichts.
Vor abstrakten Wänden (Schachbrett- oder Parkett-Muster, senkrecht gestellt) wird gegangen, gestanden und gesprochen; aber kein Spiel, keine Emotion darf sich zeigen. Hier soll um Himmels willen nichts "illustriert" werden, wie schockgefroren und vollkommen blutleer wird der Text zelebriert. Auch den hat Parizek stark reduziert, genauso wie das Personal. So finden etwa die exzessiven Palaver der todgeweihten Ex-Revolutionäre kurz vor dem Gang zur Guillotine nicht statt. Und auch die großen Debatten zwischen den extrem ineinander verstrickten Antipoden Danton und Robespierre zeigen nichts von der immensen Poetik im Diskurs. Über Revolution, diese Erkenntnis haut Parizek dem Publikum mit Penetranz um die Ohren, wäre eigentlich kein Wort mehr zu verlieren; auch nicht über die Möglichkeit vor-revolutionärer Verhältnisse, die ja auch moderne Gesellschaften immer wieder heimsuchen können. Mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise jüngerer Zeit und kurz vor dem 9. November muss diese Haltung im Theater absurd wirken; auf jeden Fall ein bisschen ignorant. Vielleicht sogar reaktionär.
Die Kühlschrankkälte schadet im Übrigen auch dem Ensemble – Markus John als Danton darf da eben nur schlaff und ausgepowert agieren, Lukas Holzhausen als Robespierre im Pastoren-Outfit und mit Blumen nur der Schatten eines Moral-Apostels sein; und der "blutige Engel" Saint-Just kommt (mit Aleksandar Radenkovic) zwar vor, ist aber eigentlich nicht vorhanden. Auch sonst bleibt im stark reduzierten Ensemble niemand wirklich prägend haften in der Erinnerung. Der Beifall ist der mittlerweile handelsübliche Quietsch-Jubel wie bei Pop-Konzerten; und genauso schnell wie bei Pop-Konzerten ist er auch verflogen. Beunruhigend viele Plätze übrigens blieben leer im Schauspielhaus – und das zur Premiere! So viel Vorauskredit hat Parizek in Hamburg trotz einiger Erfolge offenbar immer noch nicht.