Blutiger Kampf um kostbare Steine

Von Barbara Lehmann · 22.01.2007
Der amerikanische Film "Blood Diamond", der in dieser Woche in unsere Kinos kommt, spielt während des Bürgerkrieges in Sierra Leone. Mit zugedröhnten Kindersoldaten, Flüchtlingselend und skrupellosen südafrikanischen Bossen lässt er nichts aus, um an das Gewissen der Diamantenkäufer zu appellieren. In der Hauptrolle brilliert Leonardo DiCaprio.
Die Handkamera schleudert uns mitten hinein in den Überfall der Rebellentruppe: Macheten schneiden wie Sensen durch die Luft, Gliedmaßen landen abgehackt auf Holzböcken, Leichenberge häufen sich zwischen Palmen. Aus dem Gemetzel schält sich actionreich die Geschichte des in den Diamantenminen versklavten Fischers Solomon Vandy: Die Suche nach seinen verschleppten Sohn und einem wertvollen Rohdiamanten treibt ihn nur wenig später kreuz und quer durch das bürgerkriegsversehrte Sierra Leone. Der weiße Exsöldner und Diamantenschmuggler Danny Archer und die amerikanische Journalistin Maddy Bowen unterstützen ihn aus keineswegs uneigennützigen Motiven: Sie hofft auf Fakten über den schmutzigen Handel von Diamanten gegen Gewehre, Archer will über den pinkfarbenen Hochkaräter einfach nur raus, aus der afrikanischen Hölle.
Danny Archers Darsteller Leonardo DiCaprio: "Wir lernen Archer zunächst in vielerlei Hinsicht als einen sehr unsympathischen Charakter kennen. Aber er sucht seine Identität in dieser afrikanischen Post-Apartheid Umgebung. Er hat in Angola gegen die Schwarzen gekämpft. Nun schlägt er sich damit durch, dass er illegal mit Diamanten handelt. Sein militärischer Hintergrund hilft ihm dabei. Archer verkauft Waffen an die Rebellen, also an die Leute, gegen die er sein ganzes Leben lang gekämpft hat. Beim Versuch, Blutdiamanten über die Grenze zu schmuggeln, wird er geschnappt und landet im Gefängnis. So steht er wieder vor dem Nichts, ohne Geld und Perspektive. Solomons wertvoller Rohdiamant symbolisiert für ihn jede nur denkbare Möglichkeit, aus dieser Umgebung rauszukommen, in der er sein Leben verbracht hat und die er verachtet."

In einer bravourösen Gratwanderung zwischen Aufklärung und Unterhaltung entreißen Edward Zwick und seine Starcrew - Leonardo DiCaprio, Jennifer Connelly und Djimon Hounsou - einen der blutigsten Kriege auf dem afrikanischen Kontinent dem Vergessen. Vorwiegend als Kampf um die Hoheit über die Diamentenressourcen führten ihn die Warlords beider Seiten in den neunziger Jahren gleichermaßen rücksichtslos. Profiteure waren die internationale Diamantenindustrie- und Händler sowie ihre wechselnden politischen Verbündeten. Im Januar 2002 wurde der zerstörte westafrikanische Zwergstaat mithilfe der UNO in einen explosiven Frieden entlassen.

Umgeben von einer zerstörten Infrastruktur, Arbeitslosigkeit und einer korrupten Elite können die mühsam demobilisierten Warlords von gestern schon morgen wieder zu den Kalaschnikows greifen. Mathias John von Amnesty International:

"Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass mit Diamanten aus den Konfliktgebieten diese Konflikte überhaupt erst weiter angefeuert worden sind, dass diese Konflikte durch diese Diamanten überhaupt erst weiterlaufen konnten, dass an diesen Diamanten in großem Umfang auch Blut klebt, weil damit die Waffen gekauft worden sind, und die Menschen dann unter den Auswirkungen dieser Waffen und Munitionen gelitten haben. Und ich denke, dass dies eine Bürde ist auch für die Diamantenindustrie, die sie verpflichtet, gerade dagegen etwas zu tun. Natürlich gehe ich davon aus, dass der Diamantenhandel davon auch sehr profitiert hat, weil damit eben auch Geld verdient worden ist, was bei der Diamantenindustrie geblieben ist. Und ich würde sagen, dass hier auch eine Aufgabe für die Verbraucher und Verbraucherinnen vor Ort ist, denn die können zu ihren Juwelieren gehen und fragen, ob die Diamanten tatsächlich aus konfliktfreien Regionen kommen und danach dann auch ihre Kaufentscheidung treffen."

Zugedröhnte Kindersoldaten, Flüchtlingselend, westafrikanische Marodeure, skrupellose südafrikanische Bosse: "Blood Diamond" lässt nichts aus, um an das Gewissen der Diamantenkäufer zu appellieren. Zwar hat sich die Diamantenindustrie beim Kimberley- Abkommen von 2003 gemeinsam mit 71 Nationen verpflichtet, den illegalen Handel mit Zertifikaten und versiegelten Containern zu unterbinden. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International, die den Film begleitend mit Aktionen unterstützen, sehen das anders: Sie verweisen darauf, dass aufgrund korrupter Regime, poröser Grenzen und mangelnder unabhängiger Kontrollen auch weiterhin "Blutdiamanten" aus Krisengebieten illegal durch Schlupflöcher in die internationalen Märkte drängen. Die durch den Film aufgescheuchte Diamantenindustrie hielt schon Monate vor der amerikanischen Premiere mit einer millionenschweren Imagekampagne dagegen: Weniger als ein Prozent aller Rohdiamanten, suggeriert die Website www.diamondfacts.com, entstammten heutzutage noch kriegerischen Quellen.

Mathias John vonAmnesty International: "Im Augenblick sehen wir nicht den politischen Willen, dass der Kimberley-Prozess erweitert wird – es gibt natürlich auch Probleme mit der Finanzierung. Es ist wichtig, dass die Regierungen dort auch in ihren Möglichkeiten gestärkt werden. Die Diamantenindustrie muss endlich auch eine Veröffentlichung der Daten über den Diamantenhandel zustimmen, die ja seit dem Inkrafttreten des Kimberley-Prozesses im Jahre 2003 eigentlich auch vorliegen. Ich glaube, dass hier auch eine Aufgabe für die Bundesregierung ist, die ja mit der EU-Ratspräsidentschaft seit Anfang dieses Jahres auch den Vorsitz im Kimberley-Prozess übernommen hat. Da können die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung durchaus auch konkrete Arbeit leisten gegen Konflikte überall auf der Welt einen kleinen Schritt dafür tun, dass diese Konfliktdiamanten eben nicht mehr dazu beitragen können, dass die Menschenrechte verletzt werden und die Konflikte weiter angeheizt werden."

Trotz seiner politischen Stoßrichtung gelingt es Regisseur Edward Zwick, die Odyssee nach dem wertvollen Stein auch ins Archetypische zu heben. Afrikas zerrissene Dschungel-, Wüsten- und Bergkulisse sowie die obligatorischen Sonnenauf- und -untergänge erweisen sich mit den Bildstörungen des Krieges zunehmend als Seelenlandschaft der zwischen den Fronten zerriebenen Helden.

Im Trio der ungleichen Stars brilliert vor allem Leonardo DiCaprio. Dieser erstaunliche Verwandlungskünstler ist dieser schon an seinem Akzent erkennbare Archer aus Zimbabwe, vormals Rhodesien, der seinen Platz in Afrika nach dem Ende der Apartheid nicht mehr findet. Ursprünglich kämpfte er in Angola gegen die Schwarzen, nun paktiert er mit der verachteten Guerilla beim Tausch von Diamanten gegen Waffen. Außer seiner Militärerfahrung hat er einzig die blitzschnellen Reaktionen eines Tiers auf der Lauer und einen weitausgreifenden Gang zu bieten.

Der Film erzählt Maggys und Archers Liebesgeschichte mit Reminiszenzen an "Casablanca": Ihr anfänglicher Schlagabtausch um Moral und Krieg mündet immer mehr in ein gegenseitiges Streicheln mit Blicken und Schweigen. Am Schluss hängt Archer, ein angeschossener Prometheus, an einem Felsen und lässt den roten afrikanischen Sand durch seine Finger rinnen. Trotz zehntausender Kriegstoter und zwei Millionen Vertriebener funkelt in Hollywood Sierra Leones kostbarer Stein als Symbol der Liebe.