Blut, Wasser und Coca-Cola
Der Medienkünstler Michael Weisser hat im Inneren des Bremer Kolonialdenkmals "Der Elefant" eine Installation zum Thema Durst geschaffen. Sie soll das Leid des Herero-Volkes ins Gedächtnis rufen.
Jahrzehntelang war der düstere Raum verwaist und nicht öffentlich zugänglich. Jetzt ist er für eine Woche geöffnet. Hat man das Bronzetor durchschritten, verebbt der Straßenlärm. Musik aus dem Computer erklingt. Den Besucher umgibt die unerwartete Aura eines Mausoleums, von Entrückung und Jenseitigkeit.
Scheinwerfer und Kerzen schaffen eine sakrale Atmosphäre, es riecht nach Weihrauch.
"Wir sind im ehemaligen Reichskolonialdenkmal ’Der Elefant’, die vermutlich größte Backsteinfigur ihrer Art in der Welt, und wir sind hier in der Krypta. Das ist ein zwölfeckiger Raum, etwa sieben mal fünf Meter in den Ausmaßen."
Der Medienkünstler Michael Weisser hat für seine Installation die so genannte Krypta des "Elefanten" gewählt. Ein schwieriger, ein kontaminierter Ort: Über der Gruft, die an die Grabanlage einer Kirche erinnert, erhebt sich eine monumentale, zehn Meter hohe Skulptur aus gebrannten dunkelroten Klinkern. Das massive Relief stellt einen Elefanten in XXL-Format dar und wurde 1932 im Auftrag der Deutschen Kolonialgesellschaft gemauert. Realisiert wurde ein Entwurf des Bildhauers Fritz Behn, der mit zahlreichen Porträts von Zeitgenossen, vor allem aber als Tierbildhauer reüssiert hatte. Orang-Utans, schreitende Antilopen und fauchende Leoparden in realistischer Manier waren seine Spezialität. Einen Elefanten hatte Fritz Behn bereits 1908 für ein in Berlin geplantes, jedoch nie realisiertes nationales Kolonialdenkmal entworfen.
Nach 1945 wurde es still um den "Kolonialelefanten" - bis die Anti-Apartheid-Bewegung den steinernen Jumbo 1990 zum "Antikolonialdenkmal" erklärte. Die Krypta unter dem Elefanten aber ist erst jetzt in den Fokus geraten. Kommunalpolitiker, ein Verein und der Künstler Michael Weisser wollen sie zu einem Treffpunkt machen.
Weisser: "Wir haben ihn übernommen in einem extrem desolaten Zustand. Kein Strom, Unmengen von Spinnweben und Unmengen an Tieren, zum Teil noch Gerümpel drin, und wir haben diese Krypta entrümpelt, wir haben Strom reingelegt, wir haben ihn nutzbar gemacht, und damit haben wir einen phantastischen Raum, um künstlerische Projekte hier zu zeigen."
Objekte, Fotos, Musik und nicht zuletzt die Aura der Gruft selbst hat der 60-jährige Weisser zu einer minimalistischen Installation gefügt. Sie bezieht sich auf ein Ereignis vor 105 Jahren, am 11. August 1904: die Entscheidungsschlacht zwischen der deutschen Kolonialarmee und den aufständischen Herero am Waterberg im heutigen Namibia.
Weisser: "Um sich der dortigen Bevölkerung zu entledigen, um das Land frei zu machen für die deutschen Siedler, wurden die Herero, Nama und anderen Volksstämme dort in die Wüste getrieben. Die Wüste wurde abgeriegelt, und die Leute verdursteten dort."
"Durst" heißt deshalb auch die Arbeit von Michael Weisser: Auf dem altarartigen Tisch liegt eine Generalstabskarte des damaligen Schlachtfeldes, darüber ist ein Schachbrettmuster gelegt. Auf den linken Feldern stehen bauchige, mit Rotwein gefüllte Gläser, Anspielung auf das Blut Christi und die christlichen Missionare, die den deutschen Siedlern einst das Terrain bereitet hatten. Auf den rechten Feldern kleinere, mit Quellwasser aus der Omaheke-Wüste gefüllte Gläser, Symbol für den schmachvollen Tod Tausender und einen frühen, im deutschen Namen verübten Völkermord.
Der Künstler hat selber Waterberg und Omaheke-Wüste bereist - und stieß auf eine dritte Flüssigkeit.
"Als ich Namibia besucht hab, ist mir aufgefallen, dass es eine unglaubliche Dominanz dieses Markenartikels Nummer eins gibt - Coca-Cola, und in jedem kleinsten Ort, selbst in der nackten Wüste, waren riesige Wandbilder, und die habe ich fotografiert, und ich habe aus diesen Werbeschildern kleine Ausschnitte gewählt, die ich zu einem Bild aus insgesamt hundert solchen Ausschnitten zusammengesetzt habe."
Wie ein Altarbild hängt die Coca-Cola-Collage über dem historischen Schlachtfeld und weist in die Gegenwart. Doch Rotwein, Wasser und Coca-Cola spielen nicht nur auf den Durst nach Trinkbarem an. Michael Weisser möchte den Ausstellungstitel auch in übertragenem Sinne verstanden wissen:
"Zum anderen hatte ich immer wieder einen ganz starken Wissensdurst verspürt, nämlich mehr zu wissen über das Land, mehr zu wissen über die Situation, und als ich in dieser Omaheke-Wüste stand, da spürte ich in mir so ’n bisschen: Was müssen die Menschen damals gelitten haben, die hier in diese Wüste getrieben wurden und die verdurstet sind."
Ein bisschen viel Symbole? Peter Katjavivi, Generaldirektor der namibischen Planungskommission und selber Angehöriger des Herero-Volkes, ist zur Einweihung des kleinen Erinnerungsmales aus Steinen vom Waterberg nach Bremen gekommen und hat einen Blick auf Michael Weissers Arbeit nebenan geworfen.
"Ich glaube, das ist eine wohl überlegte Darstellung der historischen Tatsachen in Namibia während der Kolonialzeit. Die vielen Symbole werden bestimmt jeden berühren, der sich die Ausstellung ansieht. Ich glaube, Weisser hat sehr erfolgreich eine komplizierte Geschichte auf menschliche Weise vermittelt." (Aus dem Englischen übersetzt)
Und dennoch: Weissers Arbeit schafft zwar mit der Visualisierung von Blutdurst und Wissensdurst ein weites Feld kritischer Assoziationen, hat aber gegen die pathetische Aura des Ortes, seine verlogene Feierlichkeit, die durch Musik und Kerzenflackern keinesfalls gebrochen wird, einen schweren Stand.
Scheinwerfer und Kerzen schaffen eine sakrale Atmosphäre, es riecht nach Weihrauch.
"Wir sind im ehemaligen Reichskolonialdenkmal ’Der Elefant’, die vermutlich größte Backsteinfigur ihrer Art in der Welt, und wir sind hier in der Krypta. Das ist ein zwölfeckiger Raum, etwa sieben mal fünf Meter in den Ausmaßen."
Der Medienkünstler Michael Weisser hat für seine Installation die so genannte Krypta des "Elefanten" gewählt. Ein schwieriger, ein kontaminierter Ort: Über der Gruft, die an die Grabanlage einer Kirche erinnert, erhebt sich eine monumentale, zehn Meter hohe Skulptur aus gebrannten dunkelroten Klinkern. Das massive Relief stellt einen Elefanten in XXL-Format dar und wurde 1932 im Auftrag der Deutschen Kolonialgesellschaft gemauert. Realisiert wurde ein Entwurf des Bildhauers Fritz Behn, der mit zahlreichen Porträts von Zeitgenossen, vor allem aber als Tierbildhauer reüssiert hatte. Orang-Utans, schreitende Antilopen und fauchende Leoparden in realistischer Manier waren seine Spezialität. Einen Elefanten hatte Fritz Behn bereits 1908 für ein in Berlin geplantes, jedoch nie realisiertes nationales Kolonialdenkmal entworfen.
Nach 1945 wurde es still um den "Kolonialelefanten" - bis die Anti-Apartheid-Bewegung den steinernen Jumbo 1990 zum "Antikolonialdenkmal" erklärte. Die Krypta unter dem Elefanten aber ist erst jetzt in den Fokus geraten. Kommunalpolitiker, ein Verein und der Künstler Michael Weisser wollen sie zu einem Treffpunkt machen.
Weisser: "Wir haben ihn übernommen in einem extrem desolaten Zustand. Kein Strom, Unmengen von Spinnweben und Unmengen an Tieren, zum Teil noch Gerümpel drin, und wir haben diese Krypta entrümpelt, wir haben Strom reingelegt, wir haben ihn nutzbar gemacht, und damit haben wir einen phantastischen Raum, um künstlerische Projekte hier zu zeigen."
Objekte, Fotos, Musik und nicht zuletzt die Aura der Gruft selbst hat der 60-jährige Weisser zu einer minimalistischen Installation gefügt. Sie bezieht sich auf ein Ereignis vor 105 Jahren, am 11. August 1904: die Entscheidungsschlacht zwischen der deutschen Kolonialarmee und den aufständischen Herero am Waterberg im heutigen Namibia.
Weisser: "Um sich der dortigen Bevölkerung zu entledigen, um das Land frei zu machen für die deutschen Siedler, wurden die Herero, Nama und anderen Volksstämme dort in die Wüste getrieben. Die Wüste wurde abgeriegelt, und die Leute verdursteten dort."
"Durst" heißt deshalb auch die Arbeit von Michael Weisser: Auf dem altarartigen Tisch liegt eine Generalstabskarte des damaligen Schlachtfeldes, darüber ist ein Schachbrettmuster gelegt. Auf den linken Feldern stehen bauchige, mit Rotwein gefüllte Gläser, Anspielung auf das Blut Christi und die christlichen Missionare, die den deutschen Siedlern einst das Terrain bereitet hatten. Auf den rechten Feldern kleinere, mit Quellwasser aus der Omaheke-Wüste gefüllte Gläser, Symbol für den schmachvollen Tod Tausender und einen frühen, im deutschen Namen verübten Völkermord.
Der Künstler hat selber Waterberg und Omaheke-Wüste bereist - und stieß auf eine dritte Flüssigkeit.
"Als ich Namibia besucht hab, ist mir aufgefallen, dass es eine unglaubliche Dominanz dieses Markenartikels Nummer eins gibt - Coca-Cola, und in jedem kleinsten Ort, selbst in der nackten Wüste, waren riesige Wandbilder, und die habe ich fotografiert, und ich habe aus diesen Werbeschildern kleine Ausschnitte gewählt, die ich zu einem Bild aus insgesamt hundert solchen Ausschnitten zusammengesetzt habe."
Wie ein Altarbild hängt die Coca-Cola-Collage über dem historischen Schlachtfeld und weist in die Gegenwart. Doch Rotwein, Wasser und Coca-Cola spielen nicht nur auf den Durst nach Trinkbarem an. Michael Weisser möchte den Ausstellungstitel auch in übertragenem Sinne verstanden wissen:
"Zum anderen hatte ich immer wieder einen ganz starken Wissensdurst verspürt, nämlich mehr zu wissen über das Land, mehr zu wissen über die Situation, und als ich in dieser Omaheke-Wüste stand, da spürte ich in mir so ’n bisschen: Was müssen die Menschen damals gelitten haben, die hier in diese Wüste getrieben wurden und die verdurstet sind."
Ein bisschen viel Symbole? Peter Katjavivi, Generaldirektor der namibischen Planungskommission und selber Angehöriger des Herero-Volkes, ist zur Einweihung des kleinen Erinnerungsmales aus Steinen vom Waterberg nach Bremen gekommen und hat einen Blick auf Michael Weissers Arbeit nebenan geworfen.
"Ich glaube, das ist eine wohl überlegte Darstellung der historischen Tatsachen in Namibia während der Kolonialzeit. Die vielen Symbole werden bestimmt jeden berühren, der sich die Ausstellung ansieht. Ich glaube, Weisser hat sehr erfolgreich eine komplizierte Geschichte auf menschliche Weise vermittelt." (Aus dem Englischen übersetzt)
Und dennoch: Weissers Arbeit schafft zwar mit der Visualisierung von Blutdurst und Wissensdurst ein weites Feld kritischer Assoziationen, hat aber gegen die pathetische Aura des Ortes, seine verlogene Feierlichkeit, die durch Musik und Kerzenflackern keinesfalls gebrochen wird, einen schweren Stand.