Blütezeit der griechischen Kultur

Der deutsche Historiker Johann Gustav Droysen hat im 19. Jh. den "Hellenismus" erstmals als Epoche gewertet. Sie beginnt 336 v. Chr. mit dem Herrschaftsantritt Alexanders des Großen und endet 30 v. Chr. mit dem Tod der ägyptischen Königin Kleopatra. Der vorliegende Sammelband beleuchtet alle Lebensbereiche der damaligen Zeit, fasst den Begriff "Kultur" sehr weit und beachtet auch die nichtgriechischen Einflüsse.
Vor zwei Jahren veranstaltete das Augsburger Institut für europäische Kulturgeschichte eine Tagung mit dem Ziel, die Kulturgeschichte des Hellenismus neu zu beleuchten und besonders die Bedingungen und Beweggründe der Menschen für ein bestimmtes Handeln in den Mittelpunkt zu stellen. Die insgesamt 18 Beiträge liegen in diesem Sammelband vor, und das Ergebnis ist umfassend, weil es alle wichtigen Lebensbereiche der Zeit abdeckt. Das fängt bei Religion und Mythos an, setzt sich über Kunst und Literatur fort, geht weiter über das wirtschaftliche Wachstum und endet beim privaten Bereich, der Familie.

Der Herausgeber Gregor Weber, Jg. 1961, Professor für Alte Geschichte an der Universität Augsburg, weist in seinem Vorwort auf Johann Gustav Droysen hin, der im 19. Jahrhundert den "Hellenismus" erstmals als komplexe Epoche gewertet hat. Der Untertitel markiert mit zwei berühmten historischen Figuren den Anfang und das Ende der Epoche: Alexander III., der 336 vor Christi Geburt den makedonischen Thron bestieg und schon nach seinen ersten Siegen "der Große" genannt wurde; und Kleopatra VII., die sich 30 v. Chr. das Leben nahm, Geliebte von Caesar und Augustus und praktisch eine späte Nachfolgerin (Diadochin) Alexanders, sie war die Herrscherin des Ptolemäerreiches (heute Ägypten), eines der wichtigsten Nachfolgestaaten des Alexanderreichs.

Im ersten Beitrag - über die politische Geschichte der Zeit - weist der Althistoriker Jürgen Malitz auf Alexanders Absicht hin, die makedonisch-griechische Elite mit der persischen zu vermischen, wozu er Massenhochzeiten arrangierte; sein Reich sollte auch orientalisch geprägt sein. Griechische Kultur verbreitete sich unter gleichzeitiger Verarbeitung fremder Einflüsse in neue Kulturräume. Griechisch wurde Weltsprache in einem Gebiet, das immerhin vom gesamten Mittelmeerraum bis Indien reichte, die Wirtschaft erblühte, und es entstand ein Welthandelssystem (über die Seidenstraßen bis nach China).

Burkhard Meißner, Hamburg, definiert Kultur als "die mit Hingabe gepflegten Lebensformen", deshalb spricht er auch von der "Kultur des Krieges", die schon damals grundsätzlich Verstöße gegen die Menschlichkeit verbot. Andere Beiträge handeln von der Rolle der Frau (Linda-Marie Günther, Bochum) oder von der Beziehung der Griechen zu den Fremden (Hilmar Klinkott, Tübingen).

Leider widmet sich kein Beitrag dem hellenistischen Erbe in heutiger Zeit, dabei bestehen die damaligen Stadtgründungen bis heute, die wichtigste ist sicher Alexandria mit seiner berühmten Bibliothek, Sinnbild für die rasante Entwicklung einer Wissensgesellschaft. Am augenfälligsten ist das hellenistische Erbe in der Architektur, bruchlos übernommen von den Römern, auferstanden im europäischen Klassizismus (Friedrich Schinkel), entschmückt im Neoklassizismus des 20. Jh., der nicht nur in totalitären Gesellschaften gedieh (Kommunismus, Faschismus, NS), sondern auch in demokratischen; manche zählen sogar Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin dazu.

Die Autoren sind allesamt Hochschullehrer, deren Beiträge (um die 20 Seiten) teilweise ungemein detailliert sind, denen Stil und Lesbarkeit aber glücklicherweise nicht egal sind. Da sie weitgehend auf unverständliche Fachbegriffe verzichten, ist der ungewöhnlich reich illustrierte Band nicht nur für Spezialisten, sondern für ein breiteres Publikum interessant.

Rezensiert von Peter Urban-Halle

Gregor Weber (Hrsg.): Kulturgeschichte des Hellenismus. Von Alexander dem Großen bis Kleopatra
Mit 78 Abbildungen, Karten und Stammbäumen.
Klett-Cotta, Stuttgart 2007
504 Seiten, 34,50 Euro