Blues Pills aus Schweden

Die Rückkehr des Bluesrock

Elin Larsson, Sängerin der schwedischen Blues-Rock-Band Blues Pills
Die Band Blues Pills auf dem Gurten-Festival © picture alliance / dpa - PETER KLAUNZER
09.08.2016
Auf ihrem zweiten Album "Lady In Gold” setzen die Blues Pills auf Bluesrock der späten 60er- und frühen 70er-Jahre. Damit liegt die schwedische Band voll im Trend - und könnte schon bald weitere Nachahmer motivieren.
"Ich denke, in den 60ern waren die Leute wahnsinnig gut gekleidet. Und wie cool wäre es, wenn wir das immer noch wären? Wobei ich nicht nur auf Vintage-Klamotten stehe, sondern auf den gesamten Lifestyle. Denn damals gab es viele politische Strömungen – weshalb die Zeit oft mit den 20ern verglichen wird. Die damalige Frauenbewegung bildet zum Beispiel das Fundament für das, was heute in Schweden passiert. Und wenn ich die Musik dieser Zeit mit dem vergleiche, was momentan im Radio läuft, ist das einfach banal – sie bedeutet rein gar nichts."
Die geballte Portion Kulturpessimismus – aus dem Mund einer 27-jährigen Schwedin, die ohne Fernsehen, aber mit der umfangreichen Plattensammlung ihres Vaters aufgewachsen ist. Die die Beatles quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat und sich nie für aktuelle Klänge oder Trends interessierte.
Elin Larsson, das gibt sie offen zu, lebt lieber in einer anderen Zeit und Welt. Mit farbenfrohen Hippie-Klamotten und handgemachter, erdiger Musik.
"Was mich noch an den 60ern und 70ern fasziniert, sind all die großen Musiker, die in irgendwelchen Bands gespielt, ihre eigenen Songs geschrieben und live aufgenommen haben. Während diese ganzen TV-Shows, bei denen irgendwelche Idole kreiert werden, so gar nichts mit Kunst zu tun haben. Und noch weniger mit Musik. Das ist nichts anderes als Kaugummi. Es wäre viel wichtiger, ein guter Musiker und Künstler zu sein."

Rückbesinnung auf den Rock alter Schule

Eine Maxime, der Blues Pills seit ihrer Gründung 2011 folgen – mit ausgiebigen Live-Aktivitäten und einem Debüt-Album, das allein in Deutschland über 100.000 Exemplare verkauft und Platz 4 der Charts belegte. Eine kleine Sensation, die von den Medien kaum wahrgenommen wurde – wohl aber von Musikfans, die in der Band eine willkommene Abwechslung zum blutlosen musikalischen Allerlei der Gegenwart erblicken.
Eben eine Rückbesinnung auf den Rock alter Schule. Und der wird inzwischen von einer ganzen Reihe von Bands intoniert, die zur selben Zeit angefangen und dieselbe Motivation haben, wie Elin erklärt.
"Es scheint sich eine Szene zu entwickeln. Und ich mag Bands wie Kadavar oder Graveyard, die in dieselbe Richtung gehen. Wobei ich aber in erster Linie tue, was ich tun will. Also ich möchte eine Songwriterin sein und nur singen, was mir etwas bedeutet – und nicht so sehr anderen."
Im Falle von "Lady In Gold" sind es zehn Stücke, die den heftigen Blues-Rock von Led Zeppelin, Free und Grand Funk Railroad, den entspannten Westküsten-Sound von Fleetwood Mac und den Soul von Ike & Tina Turner, aber auch Janis Joplin beschwören. Die richtig wild drauflosrocken oder ganz sanft und gefühlvoll daherkommen, eine raue Produktion aufweisen und zum ersten Mal durch Streicher und Orgeln glänzen.

Ein scheinbar "altmodischer" Sound

Ganz ohne Computer, Sequencer und programmierte Samples. Handgemachte, ent-digitalisierte Musik. Ein scheinbar "altmodischer" Sound, zu dem Elin vor allem über gescheiterte Beziehungen singt. Ihre persönliche Spezialität.
"Ich schätze, ich hatte ein paar sehr dramatische Beziehungen in meinem Leben. Aber indem ich Songs darüber schreibe, kommt dabei meist etwas Gutes heraus – und ich fühle mich gleich viel besser. 'I Felt A Change' ist zum Beispiel eine sehr persönliche Geschichte. Ich musste sie einfach aufschreiben, um sie aus dem Kopf zu kriegen."
So viel Offenheit kommt an – genau wie Drama und Gefühl. Eine Mischung, die hohes Identifikationspotential besitzt und eines der Erfolgsgeheimnisse der Blues Pills ist. Das wichtigste – und davon ist auch Elin überzeugt – dürfte jedoch das Engagement ihrer Plattenfirma sein.
Ein Label namens "Nuclear Blast", dessen Repertoire primär aus Heavy Metal-Bands besteht und einen reinen Nischenmarkt bedient. Doch die Verantwortlichen haben das wachsende Interesse an Bands mit Retro-Sound wie den Black Keys, den Rival Sons oder Vintage Trouble – und das Talent der Blues Pills erkannt. Folglich haben sie sich auch nicht gescheut, in Marketing und Promotion zu investieren und die Band auf allen wichtigen Festivals zu platzieren.

"Selbst Heavy Metal hat seine Wurzeln im Blues"

"Ich schätze, es hat eine Menge mit 'Nuclear Blast' zu tun: Wir haben ihnen viel zu verdanken. Aber es ist auch so, dass Metal- und Rockfans im Allgemeinen große Musikliebhaber sind, die immer Neues entdecken wollen. Sie suchen ständig nach coolen Bands und gehen wirklich in die Tiefe. Außerdem hat jede Musik – selbst Heavy Metal – seine Wurzeln im Blues. Und wir spielen Blues-Rock. Weshalb die Leute da vielleicht eine Gemeinsamkeit erkennen."
Rahmenbedingungen, von denen viele Newcomer nur träumen, die aber schon bald Schule machen könnten. Denn der kommerzielle Erfolg der Blues Pills dürfte die Musikindustrie motivieren, wieder mehr Rock-Bands statt DJs unter Vertrag zu nehmen.
Insofern sind Elin und ihre Jungs fast schon Rebellen, die die Zukunft der Musiklandschaft verändern könnten. Wobei "Lady In Gold" hoffentlich erst der Auftakt zu mehr ist.
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