Bloggen gegen Hetze im Netz

Wie ein slowakischer Rentner gegen Rechtsextreme kämpft

Unterstützer der rechtsextremen "Volkspartei Unsere Slowakei" bei einer Demonstration in der Ostslowakei.
Gegner der Demokratie: Unterstützer der rechtsextremen "Volkspartei Unsere Slowakei" bei einer Demonstration in der Ostslowakei. © dpa / picture alliance
Von Michal Hvorecky · 30.03.2017
Ján Levoslav Benčík bietet Rechtsextremen in der Slowakei die Stirn. Detailliert dokumentiert er deren Hetze im Netz - und sorgt damit für Aufsehen. Ein Lehrstück darüber, wie selbst einzelne Menschen Rechtspopulisten Schranken aufzeigen können, findet Autor Michal Hvorecky.
In der Slowakei sind die Gefahren des Rechtsextremismus und -Populismus in den letzten Jahrzehnten katastrophal unterschätzt worden. Das Resultat: im Parlament sitzt die Ľudová strana Naše Slovensko, die "Volkspartei Unsere Slowakei", deren Kern aus Neonazis besteht. Bei den Parlamentswahlen 2016 erhielt sie acht Prozent der Stimmen, momentan liegen die Zustimmungswerte bei zehn Prozent und sie wachsen weiter an. Die meisten ihrer Wähler sind unter 25 Jahre alt.
Am stärksten sind die radikalen Volksparteiler im Internet. Sie betreiben sage und schreibe 139 Facebook-Seiten! Die stärkste ist mit fast 100.000 Usern verlinkt, ihre manipulativen Videos, Fotos und Beiträge erreichen eine Million Menschen, also jeden fünften Slowaken.
Viele Profile lassen sich nur lesen mit einer Kotztüte in der Hand: Holocaust-Leugnung, Hitler-Glorifizierung, verbale Ausfälle gegen Roma, jüdische Weltverschwörung, Anti-Impf-Bewegung, Chemtrails, Fälschung der slowakischen Geschichte und systematisches Putin-Lob.

Benčík zeigt Inhalte von entsetzlichem Hass

Immer wieder haben Inhalte gegen gleich mehrere Gesetze verstoßen, aber niemand hat sich damit befasst. Bis Ján Levoslav Benčík die Bühne betrat. Er war nie Mitglied einer Partei, verbrachte aber 41 Jahre seines Lebens in einer unfreien Welt. Auch deshalb gehörte er im November 1989 zu den führenden Persönlichkeiten der Sanften Revolution in Ružomberok, in Rosenberg, wo er lebt.
Vor etwa drei Jahren begann der Rentner Benčík, Screenshots von öffentlichen Facebook-Profilen und von Webseiten extremistischer Personen und Vereinigungen anzufertigen. Das Material veröffentlicht er kommentiert in seinem Blog – von sich aus und ohne Anspruch auf eine Gegenleistung. Seither erfasst er en détail Äußerungen von entsetzlichem Hass und bizarren Lügen. Seine Aktivitäten stießen schon bald auf ein außerordentliches Echo. Viele Mitglieder und Sympathisanten der Volksparteiler sperrten wegen ihm ihre Profile in den sozialen Netzwerken oder löschten sie sogar komplett.
Benčík erhielt Drohungen und es wurde auf jede erdenkliche Weise versucht, seinen Ruf zu ruinieren. Auf allen 139 Profilen der Partei und auf vielen anderen geistesverwandten Internetseiten wurde eine Kampagne losgetreten: Benčík habe sich durch sein Tun als Stasi-Spitzel entlarvt, als jüdischer Geheimdienstagent, als Helfershelfer der verhassten NGOs. Ein Rentner, der mit seinem Rechner in seiner Plattenbauwohnung in der slowakischen Provinz sitzt, hat die slowakischen Rechtsextremen zur Weißglut gebracht.

Den Rechtsextremisten ein Dorn im Auge

Ján Levoslav Benčík ist also einer Unmenge von Leuten ein Dorn im Auge. Was heißt Dorn, ein regelrechter Balken, direkt in die Pupille gebohrt. Und sie machen vor nichts Halt. Auch gegen mich haben sie, nicht nur einmal, an den Haaren herbeigezogenen Schwachsinn ins Feld geführt. Und was hätte ich tun können? Auf 800 geteilte Inhalte reagieren? Denjenigen, die mich samt meiner Frau und meinen beiden Kindern umbringen wollten, mit Erstunken- und Erlogenem beschwichtigen?
Wir leben in der sogenannten postfaktischen Epoche, meint Benčík, wo Emotionen, und seien sie auch durch noch so offensichtliche Lügen hervorgerufen, mehr Gewicht haben als wahrheitsgetreue Informationen. In einer von Lügen verseuchten Welt erfüllt er den Sinn des Kampfes um die Wahrheit mit Inhalt. Er erinnert uns an die Bedeutung der Demokratie, und dass sie keine Selbstverständlichkeit ist. Seine Geschichte zeigt, dass jeder von uns eine Veränderung bedeuten kann. Die, auf die wir warten, sind wir selbst.
© Übersetzung aus dem Slowakischen: Mirko Kraetsch

Michal Hvorecky, geboren 1976, lebt als freier Autor in Bratislava. Auf Deutsch erschienen drei Bücher, als jüngste Veröffentlichung der Roman "Tod auf der Donau" bei Tropen/Klett-Cotta. Hvorecky studierte Kunstgeschichte an der Universität in Nitra. 2004 wurde er als Writer in Residence für ein Semester an die University of Iowa, USA, eingeladen. In der "FAZ", "Die Welt", "Die ZEIT" oder im Wiener Stadtmagazin "Falter" sind Essays und Geschichten von ihm erschienen. Er wurde mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet und war Grenzgänger-Stipendiat der Robert-Bosch-Stiftung. Seine Bücher wurden in sechs Sprachen übersetzt.


Michal Hvorecky, slowakischer Schriftsteller und Journalist
© Stanislav Jenis
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