Blockaden als Protestform

Der neue Exportschlager aus Kanada

10:15 Minuten
Ein Mann mit gehörntem Helm protestiert in Kanadas Hauptstadt Ottawa
Protest gegen Anti-Corona-Maßnahmen in Ottawa: "legitimes Mittel des zivilen Ungehorsams". © picture alliance / NURphoto / Mahamed Kadri
Moritz Sommer im Gespräch mit Axel Rahmlow · 14.02.2022
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Trucker in Kanada blockierten aus Unzufriedenheit mit der Corona-Politik eine wichtige Brücke in die USA. Die Blockade als Protestform findet nun Nachahmer, werde aber zumindest hierzulande nicht von Dauer sein, glaubt der Soziologe Moritz Sommer.
In Kanada blockierten Trucker wochenlang eine Brücke, in Berlin setzen sich Klimaschützer auf die Stadtautobahn: Werden die Mittel von Protestierenden immer radikaler, aber auch wirkungsvoller? Einfach nur demonstrieren, ohne dass andere Menschen oder Lieferketten gestört werden, scheint nicht mehr zu genügen.
Konvois und Blockaden seien ein legitimes Mittel des zivilen Ungehorsams und könnten zum Nachdenken anregen und Aufmerksamkeit erzeugen, sagt der Soziologe Moritz Sommer, Vorstandsmitglied des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung. Im Fall der blockierten Brücke in Kanada, deren Bilder um die ganze Welt gingen, habe das gut funktioniert – auch weil es einen Zusammenhang zwischen dem Ort (der Grenze zu den USA) und dem Anlass der Proteste (geforderte Impfnachweise der Trucker) gegeben habe.

Zusammenhang zwischen Ort und Anlass

Dieser Zusammenhang sei auch erkennbar bei Straßenblockaden, wenn die Demonstranten eine Verkehrswende forderten, sagt Sommer. Anders sei es allerdings bei Autobahnblockaden, wenn gegen die Verschwendung von Lebensmitteln protestiert werde: „Das ist eine Schwachstelle.“
Auch die Sternfahrt von Lkw-Fahrern nach Brüssel sei eher eine symbolische Aktion, als dass für die breite Öffentlichkeit ein Zusammenhang zu den Anti-Corona-Maßnahmen erkennbar sei. „So braucht es dann mehr argumentative Schritte, um von der Notwendigkeit des Protestes und auch dieser Protestform zu überzeugen.“

Mit wenigen Menschen viel blockieren

Interessante Parallele: Sowohl die jüngsten Aktionen von Impfgegnern als auch die von Umweltschützern richten sich gegen den Straßenverkehr. Kein Zufall, findet Sommer, da das Auto zentral für die kapitalistische Gegenwart sei. Man könne mit solchen Blockaden von wenigen Menschen viel erreichen und eine ganze Stadt lahmlegen: „Das ist eine sehr einfache und naheliegende Stellschraube, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und diesen Konflikt in die Bevölkerung zu tragen.“
Das Foto zeigt Trucker und andere Autofahrer, die eine Brücke blockieren.
Nichts geht mehr: In Kanada blockierten Trucker eine wichtige Brücke und erhielten damit auch international Aufmerksamkeit.© dpa-Bildfunk / AP
Es sei gut möglich, dass die Blockade der Ambassador Bridge zu einem neuen Exportschlager werde, meint Sommer: „Diese Bilder der Trucker in Kanada waren sehr eindrücklich mit ihren patriotischen Flaggen, die über die Kühlerhauben gelegt wurden. All das hat dazu beigetragen, dass sich diejenigen, die neue Mittel des Protests suchen, inspiriert gefühlt haben. Ich kann mir vorstellen, dass dies in nächster Zeit aufgegriffen wird.“
Doch danach werde diese Protestform wohl auch bald wieder abebben - denn ein solch wichtiger und symbolhafter Punkt wie die Brücke in Kanada sei hierzulande nicht erkennbar.