Blitzen, Messen, Scannen

Von Thomas Wagner |
Das passiert fast jedem Autofahrer einmal: Ein wenig zu viel auf's Gaspedal gedrückt und dann der verräterrische Blitz. Das Unternehmen eso in Tettnang im Bodenseekreis ist Deutschlands einziger Hersteller optischer Kontrollsysteme - und kommt sogar Motorradfahrern auf die Schliche.
Eine Kreisstraße in der Nähe von Tettnang im Bodenseekreis: Der unauffällige Kleinbus steht unter einer Brücke, nach einer leichten Kurve. Testingenieur Daniel Bohner drückt an jenem Gerät verschiedene Tasten, dessen Kabel unscheinbar zu zwei beige-grauen Kameras am Straßenrand führen.

"Nachdem wir die Komponenten am Straßenrand aufgestellt haben, stelle ich jetzt den Grenzwert ein. Da geben wir hier 59 Kilometer/Stunde ein. Dann wähle ich noch die dementsprechenden Kameras an, die eingeschaltet werden, um eben den Fahrer und das Kennzeichen zu fotografieren.

Und hier werden jetzt die Kameras eingestellt; ich habe vier verschiedene Objektive, zur Auswahl, die ich anwählen kann, je nach Messsituation. Dann drücke ich auf o.k, drücke unten auf 'Messen'. Und wenn jetzt der erste über 50 Kilometer/Stunde hinein fährt, gibt's ein Foto."

Daniel Bohner muss nicht lange warten. Zwei Minuten später:

"Jetzt sehen wir: Ein Fahrzeug ist hier mit 64 Kilometer/Stunde durchgefahren. Und mit einem einfachen Tastendruck auf dem Bildschirm kann ich nochmals in den digitalen Zoom reingehen, das Kennzeichen einwandfrei lesen.

Und jetzt kommt schon der nächste durchgefahren. Den kann ich mir natürlich genau herholen, den Fahrer anschauen. Und schon wieder ist einer durchgefahren. Und wie man sehen kann, sind die Fotos gestochen scharf."

Stimmt! Das Gesicht der Fahrer ist deutlich erkennbar, als ob sie sich für ein Passfoto in Pose gesetzt hätten. Viele zeigen einen verwunderten, erschreckten Gesichtsausdruck – kein Wunder: Es hat ja gerade geblitzt.

"An den Messrechner sind dann jeweils ein oder zwei Kameras angeschlossen. Und jeweils an den Kameras auch eine Blitzeinheit, die den Fahrer-Innenraum in den PKW aufhellt. Nur noch einen leichten roten Blitz kann er im Augenwinkel erkennen."

Herzstück des Systems ist jedoch ein zentraler Rechner, der mit zwei sogenannten Bewegungssensoren verbunden ist. Dabei handelt es sich um optische Sensoren, die in geringem Abstand voneinander die Helligkeitsunterschiede messen, die ein vorbeibrausendes Auto erzeugt. Aus diesen Helligkeitsunterschieden kann der Computer die Geschwindigkeit berechnen.

"Das ist ein optisches Messsystem, kein Radarmesssystem. Wir haben ein passives System. Das heißt: Wir sind nicht ort- und störbar. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass unsere Technik auch in Kurven einsetzbar ist. Also wir haben keine Anforderungen an den Messplatz. Ein Radar muss parallel zur Straße aufgestellt werden.

Und das können sie halt in der Kurve nicht tun. Und bei unserem System spielt das keine Rolle, weil wir nur eine Messbasis von einem halben Meter haben. Und um diesen halben Meter spielt sich alles ab."

Erklärt Christoph Münz, Geschäftsführer des Unternehmens eso in Tettnang im Bodenseekreis. Einziger Unternehmenszweck: Planung und Herstellung von optischen Geschwindigkeitsmesssystemen für Kunden in aller Welt.

In Tettnang haben sich die Experten auf optische Bewegungssysteme spezialisiert; das sind vereinfacht gesagt 'High-Tech-Bewegungsmelder' mit angeschlossenem Rechner und Kameras für die Beweisfotos. Die stehen in Konkurrenz zur klassischen Radarfalle.

"Jedes Messgerät hat seine Berechtigung und seine Nachteile. Und ein Radargerät hat die gleiche Berechtigung wie unser optisches System. Das kommt auf den Einsatzzweck drauf an, was Sie überwachen möchten. Also wenn Sie sagen, ich habe jetzt eine Stadt mit vielen engen Gassen und viele Parkbuchten, dann würden sie vielleicht die Radartechnik der eso-Technik vorziehen, weil unsere Technik müssten Sie am Straßenrand aufbauen.

Wenn Sie aber eine weitläufige Straße haben oder auch Landstraße, Bundesstraße, Autobahn, aber auch im innerstädtischen Bereich in der normalen Straße, da ist die ESO sehr gut. Weil da können wir unsere Komponenten aufbauen und dementsprechend verdeckt agieren."

Dabei hat die Geschwindigkeitsmesstechnik in den vergangenen Jahren revolutionäre Quantensprünge hinter sich gebracht: Moderne digitale Bewegungssensoren haben klassische Lichtschranken abgelöst. In Verbindung mit den Kameras kann der Rechner sogar selbständig die Bußgeldbescheide erarbeiten. Der Adressat lässt sich über das Kennzeichen ermittelt. Das wird automatisch gescannt; der Rechner gleicht die Daten mit dem zentralen Verkehrsregister ab, erläutert Christoph Münz:

"Es wird einer Schnittstellendatei zugeführt in ein Rechenzentrum. Und dann bekommt derjenige, der die Geschwindigkeit überschritten hat, den Bußgeldbescheid. Das geht alles vollautomatisch. Und heute ist das binnen drei Tagen machbar, dass sie geblitzt werden. Und drei Tage später haben sie den Bußgeldbescheid."

Aus rechtlichen Gründen muss in Deutschland noch ein Beamter per Augenschein prüfen, ob das Kennzeichen auf dem Foto mit dem gescannten Ergebnis übereinstimmt. In anderen europäischen Ländern stellt das Kontrollsystem tatsächlich die Bußgeldbescheide automatisch aus.

"Holland macht es vollautomatisch. Polen macht es vollautomatisch. Ungarn macht es automatisch. Da gibt es sehr viele Länder. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, wo es um eine Fahreridentifikation geht.

In anderen Ländern wie Österreich brauchen Sie nur das Kennzeichen. Sie müssen nicht wissen, wer gefahren ist. Da haben Sie eine Halterhaftung. Und bei uns in Deutschland müssen sie den Fahrer haben."

Längst haben sich moderne Geschwindigkeitsmesssysteme auch zum Schrecken für Zweifahrer entwickelt. Noch vor einigen Jahren konnten sich Motorradfahrer vor der Verfolgung von solchen Messsystemen einigermaßen sicher sein. Fotografiert wurde nämlich in der Regel von vorne. Dort hat ein Motorrad aber kein Kennzeichen. Neue Überwachungsgeräte verfügen dagegen über zwei Kameras.

"Zwei Kameras deshalb, damit wir optional Front- und Heckfotos machen können. Wir können aber auch beide Richtungen gleichzeitig überwachen. Wenn ein Motorrad kommt zum Beispiel haben wir die Möglichkeit, die Kameras synchron auszulösen, haben dann natürlich Fahrer und Kennzeichen. Sie sehen alles von vorne und von hinten."

Täglich sind sie europaweit im Einsatz, die Geschwindigkeits-Messstationen des Unternehmens eso aus Tettnang im Bodenseekreis – häufig unerkannt hinter Gebüschen und Sträuchern versteckt, aber dafür umso effizienter. Denn jedes Gerät, das das Unternehmen verlässt, wird vorher von einem Eichbeamten geprüft.

Die Geschichte der Geschwindigkeitsmessgeräte aus dem Bodenseekreis reicht bis in die 70er-Jahre zurück. Doch bis heute gab es keinen einzigen erfolgreichen Einspruch, der mit Messfehlern oder ungenauen Daten begründet wurde.