Blinde mit Berufung

Von Waltraud Tschirner · 13.01.2008
Sabriye Tenberken erblindete durch eine Krankheit im Alter von zwölf Jahren. Sie studierte Tibetologie in Bonn und musste selbst die Braille-Sprache auf tibetisch entwickeln. Nach einem Besuch in Tibet gründete sie dort eine Blindenschule und bestieg mit Teenagern einen Achttausender.
Vermutlich klingelt es mittlerweile bei den meisten Hörern ohnehin, wenn sie den Namen Sabriye Tenberken hören- denn was diese Frau auf die Beine stellt, das imponiert derart, dass die Medien quasi bei der 37-jährigen Schlange stehen und das nun schon seit einigen Jahren. Dabei fing das Leben für sie 1970 erst einmal ziemlich normal an.

Bereits mit neun Jahren allerdings begann sie durch eine Krankheit immer schlechter zu sehen und erblindete mit zwölf ganz. Da so eine körperliche Beeinträchtigung - zumal bei Kindern - fast immer mit seelischer Grausamkeit einhergeht, die einem andere Menschen zufügen und mit Ausgeschlossensein aus der Gesellschaft, wurde aus Sabryie ein verschüchtertes Kind.

Das sollte sich allerdings ändern, als sie in ein Internat für Blinde kam. Aus dieser Einrichtung startete - dank kluger Pädagogen - eine selbstbewusste Person in ein eigenständiges Leben, die auf der Stirn ein kämpferisches "Ich bin blind, na und?" stehen hatte.

Durch eine Tibetausstellung angeregt studierte sie an der Uni Bonn unter anderem Tibetologie und stellte damit endgültig die Weichen für ihr Leben. Denn da vor ihr noch kein anderer blinder Mensch versucht hatte, die tibetische Sprache zu lernen, musste sie selbst die Braille-Sprache auf tibetisch entwickeln. Mit der im Rucksack und ihrem Stock stand sie dann irgendwann ganz allein in Tibet…

Inzwischen hat sie dort - gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Paul Kronenberg - das Blindenzentrum Tibet gegründet und vielen jungen Menschen den Anstoß gegeben, den sie im Blindeninternat bekam. Nur war es da - wo hohe UV-Strahlung, schlechte hygienische Bedingungen und Mangelernährung verstärkt zu Erblindung führen - ganz besonders schwierig. Denn in Tibet galt Blindheit als eine Art Strafe für Verfehlungen im vorherigen Leben und entsprechend ging man mit den Betroffenen um.

Sabriye Tenberken hat vielen Blinden dort zu ihrer Würde und einem selbstbestimmten Leben verholfen. Sie hat die Organisation "Braille ohne Grenzen" gegründet, und meint das absolut programmatisch - wie man spätestens bei der Gipfelbesteigung mit blinden Jugendlichen zur Kenntnis nehmen konnte.