Blick in den dunklen Kern der Persönlichkeit

Von Eberhard Spreng · 09.05.2012
Der kanadische Regisseur Robert Lepage hat in Madrid eine neue Themenreihe gestartet. Die Stücke dieses Zyklus beschäftigen sich mit dem Spiel mit Karten, mit ihrer Symbolik, mit Mathematik und mit den vielen Kombinationsmöglichkeiten. Den Auftakt machte "Spades" - "Pik".
Ein junges Paar wird von einem Kerl in Elvis Presley Kostüm getraut. Ein Zimmermädchen führt ein anderes in die Raumpflege ein, ein Mann an der Bar scheitert beim Bezahlen an der Sperrung seiner Kreditkarten. Immer wieder tauchen diese und weitere Menschen innerhalb einer Dramaturgie auf, die quasi spiralförmig fortschreitet und ihre Figuren in der Welt von Las Vegas in unverbundenen kurzen Szenen allmählich immer weiter entwickelt.

Der irische Schauspieler Tony Guilfoyle verkörpert eine zentrale Figur: einen amerikanischen Fernsehmann, der auf Medienmessen Ideen für Serien und TV-Formate verkauft und plötzlich wieder seiner eigentlich schon überwundenen Spielleidenschaft verfällt. Lepages Leitfrage: Was geschieht, wenn man dem dunklen, unbekannten Kern der Persönlichkeit konfrontiert ist, der Sucht und dem Nicht-Anders-Können?

Immer dann taucht ein kurioser Cowboy auf. Er stiftet bei einem jungen Paar erotische Verwirrung und nimmt als Pfandleiher dem heillos verschuldeten Spieler die Armbanduhr ab, der das eigentlich unveräußerliche Erinnerungsstück seit dem Tod seiner Mutter mit sich führte.

Er ist so etwas wie der geheime Spieleiter, eine Rätselfigur, eine unberechenbare, fast allmächtige Größe, die im Kartenspiel nur der Joker sein kann. Am Ende hat er alles an sich gerissen und legt fröhlich sein Maske ab. Ironisch, mit Federboa und Showästhetik lässt Lepage die Reise seiner Figuren ins Herz der Finsternis enden, das ein internationales Ensemble gemeinsam entwickelt hat und im Rund des Madrider Teatro Circo Price in spanisch, englisch und französisch auffährt, wobei die übliche Magie des Lepage-Theaters sich bei der Uraufführung noch nicht entfalten konnte.
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