Blick auf Hillary Clinton

Bekannt, aber nicht vertraut

Hillary Clinton lässt sich auf dem Parteitag der US-Demokraten feiern, sie hält den Daumen hoch.
Lässt sich auf dem Parteitag der US-Demokraten feiern: Hillary Clinton vor den Delegierten. © AFP / Nicholas Kamm
Von Andreas Horchler · 01.08.2016
Beobachter sahen Hillary Clinton sowohl als Kandidatin der Demokraten als auch als nächste Präsidentin der USA. Doch die Wähler sind nicht überzeugt von der Spitzenpolitikerin. Ihr Image: eine kühle, unnahbare Macht-Politikerin. Das will Clinton ändern.
"Amerika schreibt heute Abend Geschichte", sagte Clinton. Zum ersten Mal tritt eine Frau für eine der beiden großen Parteien an, um Präsidentin zu werden.
"Wir haben es in der Hand. Wir müssen uns entscheiden, ob wir gemeinsam an die Arbeit gehen, um auch gemeinsam aufzusteigen."
Ein klarer Appell an alle Demokraten, um jede Stimme zu kämpfen.
Besonders im industrialisierten Mittleren Westen, in Swing States wie Ohio will Clinton am 8. November gewinnen.
Reform der Parteienfinanzierung, härtere Regeln für die Wall Street, bessere Gesundheitsversorgung und bessere Infrastruktur, freie Hochschulbildung, Kampf gegen den Klimawandel – sie ließ kein wichtiges Politikfeld aus: Millionen von Emigranten würden eingebürgert. Alle Religionen würden akzeptiert, das Schulsystem verbessert.

Clintons Eltern waren Republikaner

Trump säe nichts als Angst. Die Republikanische Partei habe sich zu Reagans "Morgen in Amerika" zu Trumps "Mitternacht in Amerika" entwickelt.
Wie konnte ein nettes republikanisches Mädchen aus Park Ridge nur auf die schiefe Bahn geraten, sagte Clinton bei einem Jahrestreffen ihrer Schule.
Sie wuchs behütet in Park Ridge, einem feineren Vorort Chicagos auf. Den konservativen Eltern folgend machte sie noch 1964 als Goldwater-Girl für den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Barry Goldwater stark. Als sie an das Wellesley College und später an die Yale-Universität wechselte, um dort Rechtswissenschaften zu studieren, änderte sie ihre politische Haltung und wechselte zu den Demokraten.
Sie nahm an Protesten gegen den Vietnamkrieg teil und machte sich für Bürger - und Frauenrechte stark. An der Eliteuniversität traf sie einen anderen Jurastudenten. Sie fragte eine Freundin: Wer ist das? Und sie sagte: Bill Clinton aus Arkansas, er redet unaufhörlich darüber.
1975 heirateten Hillary und Bill Clinton, 1979 wurde Clinton Gouverneur im Südstaat Arkansas.
"Ich hätte wohl zu Hause bleiben können. Kekse backen und Tee kochen."

Clinton war im Watergate-Ausschuss

Hillary Clinton blieb nicht zu Hause. Sie hatte ihre eigene Karriere als Juristin, als Spezialistin für Kinderrecht, als Mitglied im Watergate-Ausschuss, der die Anklage gegen Richard Nixon vorbereitete, als Teilhaberin der Anwaltskanzlei Rose Law Firm in Little Rock, Arkansas.
Auch als First Lady von 1993 bis 2000 blieb Hillary Clinton aktiv und organisierte für ihren Mann eine Gesundheitsreform, die scheiterte.
Die Clintons hatten und haben sich seit ihrem politischen Aufstieg mit Skandalen auseinanderzusetzen. Immer wieder. In der Whitewater-Affäre musste Hillary Clinton 1996 vor einem Geschworenengericht aussagen. Bill und Hillary Clinton waren in dessen Zeit als Gouverneur an Grundstücksspekulationen beteiligt. Bill Clinton beharrte, er sei "stiller Investor", Hillary Clinton eine unbedeutende Anwältin gewesen. Am Ende wurde der Fall von Juristen als zweifelhaft, aber nicht illegal bezeichnet.
Hillary Clinton soll an der ungerechtfertigten Entlassung von Angestellten des Reisebüros im Weißen Haus beteiligt gewesen sein.
"I did not..."
1995 und 1996 hatte Präsident Bill Clinton eine Affäre mit der 22-jährigen Monika Lewinsky. Der Präsident überstand das gegen ihn angestrengte Amtsenthebungsverfahren. Viele Bürger fragten sich, ob die Ehe der Clintons nicht längst ein reines Zweck - und Machtbündnis geworden war.

Nach der Lewinsky kam die Benghazi-Affäre

Viel später, als Hillary Clinton Barack Obamas Außenministerin geworden war, folgte die Benghazi-Affäre. Am 11.September 2012 kamen vier US-Bürger, unter anderem Botschafter Chris Stevens bei einem islamistischen Angriff auf ein Konsulatsgebäude ums Leben. Das Frühwarnsystem im Außenministerium habe kläglich versagt, sagten US-Republikaner. Im sogenannten Benghazi-Ausschuss musste Hillary Clinton im Januar 2013 Rede und Antwort stehen.
"Tatsache ist: Wir haben vier tote Amerikaner. Im Rahmen von Protesten oder sind sie spazieren gegangen und entschieden sich spontan, einige Amerikaner zu töten? Welchen Unterschied macht das im Moment aus? Unsere Aufgabe ist es herauszufinden, was geschehen ist und alles zu tun, damit es nicht wieder passiert."
Ebenfalls als US-Außenministerin nutzte Hillary Clinton einen privaten E-Mail-Server für ihren dienstlichen Schriftverkehr. Sie habe keine Geheimdokumente über diesen Server empfangen oder gesendet, behauptete sie. FBI-Direktor James Comey befand Anfang Juli, die Ministerin habe extrem fahrlässig gehandelt, aber man könne Clinton nicht nachweisen, absichtlich gesetzeswidrig gehandelt zu haben. Deshalb sei eine Anklage nicht zu rechtfertigen. Dieser Auffassung schloss sich auch Justizministerin Loretta Lynch an.
Die Clintons haben ihre Ämter missbraucht, um ihrer Stiftung Geld zu beschaffen, sich wieder und wieder mit juristischen Spitzfindigkeiten längst fälligen Anklagen entzogen, glauben viele konservative Amerikaner, befeuert von der Berichterstattung rechtsgerichteter Sender, die Hillary und Bill Clinton als zielstrebig, machtbesessen, rücksichtslos und kalt darstellen.

"Sie ist überhaupt nicht kühl"

Burns Strider, Chef der in Washington ansässigen Elyson Group, beriet Clinton während ihrer Präsidentschaftskampagne 2007/2008 in Fragen des Glaubens und der Politik. Ist Clinton nun die eiskalte, berechnende Machtpolitikerin?
"Nein, sie ist überhaupt nicht kühl. Ich gehe da in ihre Verteidigung, weil ich eine ganz andere Person kennengelernt habe: Warm, fürsorglich, ausgestattet mit einem bissigen Sinn für Humor. Wenn sie einen Scherz auf ihre Kosten machen wollen, wird sie sich innerhalb einer Minute revanchieren. Sie ist überhaupt nicht die kalte Person, als die sie von der politischen Rechten dargestellt wird."
Clinton wurde Außenministerin unter Barack Obama.
"Mit ihr erhalten Sie eine Außenministerin, die mein volles Vertrauen hat."
Eine Außenministerin, die mehr Zeit in Flugzeugen verbrachte als alle ihre Vorgänger, die Augenzeugin des Spezialeinsatzes wurde, bei dem Al Kaida-Terrorist Osama Bin Laden getötet wurde und dringend empfahl, kein Bild des getöteten Anstifters der Anschläge vom 11. September 2001 zu veröffentlichen. Sie wollte einen Neubeginn bei den Russlandbeziehungen einleiten und trat mit mäßigem Erfolg im Nahen Osten für eine zwei Staaten Lösung ein. Der arabische Frühling überraschte Clinton nicht weniger als ihre europäischen Kollegen.

Kurze Abstinenz von der politischen Bühne

Die Dauerdiplomatie hinterließ Spuren. 2013 entschied sich Clinton, aus der Obama-Regierung auszuscheiden.
Die Abstinenz von der politischen Bühne währte nicht viel länger als zwei Jahre. Im Juni 2015 erklärte Hillary Clinton ihre erneute Kandidatur.
Wie schon 2007 erschien Clinton als Kandidatin, die ohne Probleme die Nominierung der demokratischen Partei gewinnen würde, als klare Nachfolgerin Obamas, die sich am ehesten mit Jeb Bush auseinandersetzen würde.
Es kam anders.
"Wir reden hier über präsidentielles Auftreten. Sehe ich präsidentiell aus? Mal ganz ehrlich: Finden Sie, Hillary sieht präsidentiell aus? Ich finde nicht!"
In einem Vorwahlkampf, der auf republikanischer Seite oft unter der Gürtellinie ausgetragen wurde, erwiesen sich Populisten als besonders starke Kandidaten. Donald Trump und Bernie Sanders. Wachsende Schuldenlast, die Folgen der Rezession von 2008, die Terrorangst erweckten bei vielen US-Bürgern den Eindruck, die Politik in Washington habe versagt.
Die Demokratin wird sich bei der Präsidentenwahl am 8. November auf ältere weiße Frauen und Minderheiten verlassen können. Um das Wohlwollen junger Wählerinnen und Wähler muss sie buhlen.
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