Blaumann mit Minicomputer

Von Christoph Kersting |
Moderne Computertechnik lässt sich mittlerweile auch in Kleidung implantieren. Schon seit einigen Jahren sind beispielsweise Ski-Jacken mit integriertem MP3-Player auf dem Markt. Wissenschaftler haben nun das Einsatzspektrum ausgeweitet und wollen Computer auch in der Kleidung von Feuerwehrleuten, Technikern und Ärzten einsetzen.
Großbrand in einem Parkhaus am Rand von Paris, nichts Besonderes für die Feuerwehr der französischen Hauptstadt. Doch jeder der Feuerwehrmänner hat seine ganz persönliche High-Tech-Ausrüstung dabei. In der Schutzkleidung wachen Sensoren über mögliche Gefahren im Umfeld der Einsatzkräfte: Wie stark sind Hitze- und Rauchentwicklung? Sind die Körperfunktionen okay? Puls und Blutdruck? Ein Minicomputer im Hosenbund verarbeitet die Daten und gibt sie an ein Display im Helm der Feuerwehrleute weiter. Auch die Einsatzzentrale empfängt die Daten und kann ihre Leute über Sensoren in den Stiefeln der Feuerwehrleute permanent lokalisieren und so Pläne vom Einsatzort entwerfen.

Der Brand im Parkhaus ist eine Übung, doch schon bald sollen die sogenannten Wearable Computers auch bei echten Einsätzen dabei sein.

Die tragbaren Minirechner machen auch überall dort Sinn, wo Technik gewartet wird, Handbücher und Laptop aber stören, sagt Ulrich Glotzbach, der die neuartige Technik am Bremer Technologiezentrum Informatik mitentwickelt hat.

„Das ist das Wesentliche: die Hände frei zu haben. In der Wartung zum Beispiel, so ist der Ursprung dieses Projektes an der Uni Bremen gewesen, in der Wartung von Industrieanlagen im Stahlwerk Bremen, von Kränen, wenn der Wartungstechniker auf den Kran heraufklettern muss, dann ist es praktisch, er hat ein System dabei, mit dem er einfach ein Wartungsprotokoll erstellen kann.“

Für solche Wartungsarbeiten in luftiger Höhe haben die Bremer Forscher einen speziellen Datenhandschuh entwickelt, der verbunden ist mit einem Minicomputer im Gürtel des Technikers sowie einer Datenbrille. Die Krananlagen selbst sind an bestimmten Punkten mit RFID-Funketiketten ausgestattet. Diese Funkchips wiederum werden von einem RFID-Scanner im Handschuh des Wartungstechnikers ausgelesen:

„Und wenn der Wartungstechniker in die Nähe eines solchen Etikettes kommt, dann erkennt das System, wo sich der Handschuh und damit der Techniker befindet. Und – das ist der Sinn dabei – es geht das System in ein Untermenü in dieser optischen Anzeige der Brille, so dass man sich nicht aufwändig durch komplexe Menüführungen durchklicken muss, sondern es ist gleich ein Untermenü aufgerufen, aus dem dann eine weitere Auswahl getroffen werden kann.“

Durch bestimmte Fingerbewegungen kann der Wartungstechniker nun Daten abrufen, den Cursor an die richtige Stelle bewegen und Inspektionsergebnisse eingeben. Mit einem Rollen des Handgelenks wandert er dabei auf der Seite von oben nach unten, der Computer im Gürtel speichert die Eingaben am Ende in einer Datenbank. Damit erleichtert die Wearable-Computer-Technik nicht nur die Wartung vor Ort, sondern vermeidet auch das, was der Bremer Projektleiter Michael Lawo als „Medienbrüche“ bezeichnet:

„Das heißt, was wir heute vielfältig im Arbeitsleben haben: Eine Person oder ein Bereich macht nichts anderes als Arbeitspapiere vorzubereiten, die werden dann ausgedruckt, die bekommt dann jemand übergeben über eine Arbeitsplanung, wenn er dieses gemacht hat, dokumentiert er, was er genau gemacht hat, und dann sind wiederum andere Leute da, die diese Daten in das System eintragen.“

Die Hände frei haben für Wesentliches, unnötige Arbeitsschritte und Fehlerquellen vermeiden – darum geht es auch beim Einsatz der tragbaren Minicomputer im Klinikbereich.

Visite im oberösterreichischen Spital Steyr. Chirurg Kurt Adamer und eine Krankenschwester brauchen dabei keine Patientenakte. Dafür trägt der Arzt an seiner Hose einen Computer von der Größe einer Gürtelschnalle, der per WLAN mit dem Netzwerk des Krankenhauses verbunden ist. Ähnlich wie der Krantechniker identifiziert der Arzt seine Patientin beiläufig mit einem RFID-Reader, der ein Funketikett am Handgelenk der Frau ausliest. Auf einem Monitor am Bett erscheint nun die gesamte Patientenakte, durch die sich der Chirurg mit einem Bewegungssensor am Handgelenk manövriert.

Der Husten der Patientin gefällt dem Arzt nicht, die Lunge soll geröntgt werden. Auf ihrem PDA hat die Krankenschwester direkten Zugriff auf die Daten der Röntgenabteilung und kann sofort einen Termin reservieren.
Computer- und Sensortechnik am Patientenbett – sicherlich nicht jedermanns Sache. Doch am Ende profitiert auch der Patient davon, weil der Arzt mehr Zeit für ihn hat, sagt Chirurg Kurt Adamer:

„Die Zwischenergebnisse sind so, dass alle überzeugt sind, dass wir da Richtungsweisendes aufweisen. Denn Sie müssen sich vorstellen, dass einerseits der Arbeitsplatz für einen Chirurgen nicht weniger komplex ist als in einem Auto- oder Flugzeugcockpit. Und wenn Sie im Endanflug von einem Piloten verlangen würden, dass er jetzt auf dem Oberschenkel irgendwo das Laptop aufmacht und den Computer mit der Maus bedient, da würde niemand auf die Idee kommen.“

Der Klinikbetreiber, zu dem auch das Spital Steyr gehört, will die tragbaren Computer 2009 in all seinen Häusern einführen. Und auch in der Sicherheits- und Wartungstechnik sollen die Wearable Computers laut dem Bremer Projektteam im nächsten Jahr auf den Markt kommen.