Blaue Süßlupine

Die Eiweiß-Bombe für Veganer

Hier wird aus der Süßlupine ein Eiweißdrink: Marc Zillmann bei der Prolupin GmbH in Grimmen
Hier wird aus der Süßlupine ein Eiweißdrink: Marc Zillmann bei der Prolupin GmbH in Grimmen © Imago
Von Gerhard Richter · 10.03.2015
Anhänger fleischloser Ernährung setzen schon lange auf Soja als Eiweißquelle. Mit der Blauen Süßlupine kommt nun etwas Abwechslung in den Speiseplan. Eine Firma aus Mecklenburg will die Pflanze in Deutschland ganz groß rausbringen.
Malte Stampe lässt eine Handvoll kleine weiße Kerne auf die Tischplatte rieseln. Es sind die Samen der blauen Süßlupine, sie sind etwa so groß wie Bohnen oder Erbsen. Die Lupine als Nutzpflanze hat ein Potenzial, das der Weltbevölkerung langfristig helfen könnte.
"Grundsätzlich werden die tierischen Proteine nicht ausreichen, um die Weltbevölkerung dauerhaft zu ernähren. Da gibt es keinerlei Streit drüber. Die Frage ist nur das Wann. Und insofern sollten wir anfangen, rein pflanzliche Alternativen zu entwickeln und den Konsum ein bisschen in diese Richtung zu bringen."
Genau das ist der Masterplan von Malte Stampe. Er ist Geschäftsführer der Prolupin GmbH, einer Ausgründung des Fraunhofer Instituts im bayerischen Freising. Die Forscher dort haben es geschafft, das Eiweiß der Lupine zu extrahieren. Und zwar weitgehend geschmacksneutral. Die meisten Lupinensorten sind wegen ihres hohen Alkaloidgehalts nämlich viel zu bitter. Nur die blaue Süßlupine ist überhaupt essbar. Und eines der ersten Produkte daraus ist jetzt trinkbar.
"Es ist ein rein pflanzlicher Drink, ein Lupinendrink, der maximal an eine normale Milch heranreichen soll im Bereich Vollfett, aber ein rein pflanzliches Produkt ist."
Lupine ist lactosefrei, glutenfrei, cholesterinfrei und gentechnikfrei
Aus dem Protein, also dem reinen Eiweiß haben die Lebensmitteltechniker diesen Drink kreiert. Der Geschäftsführer schraubt ein Tetrapak auf und gießt ein. Sieht aus wie Milch. Malte Stampe schaut gespannt zu, wie ich einen Schluck koste. Ob es tatsächlich maximal neutral schmeckt?
"Also es wird einen pflanzlichen Geschmack noch haben, aber das liegt eher daran, dass wir in der Entwicklung noch einen Schritt rausgenommen haben, in der Belastung des Proteins. Immer wenn ich ein Protein belaste, mechanisch oder durch Wärme, desto mehr schmeckt es auch pflanzlich. Das heißt, wenn ich die Menge rein pflanzlichen Proteins reduziere, schmeckt es weniger pflanzlich oder wenn ich es weniger belaste. Und daran arbeiten wir."
Der Drink ist angenehm sanft im Mund, milchig, kein bisschen bitter, schmeckt leicht nach Getreide, ein bisschen wie Hafer. Malte Stampe atmet auf. Je weniger das Lupineneiweiß nach Lupine schmeckt, desto leichter rutscht es in den Markt. Als gesunder Zusatz in anderen Lebensmitteln. Lupine ist lactosefrei, glutenfrei, cholesterinfrei und gentechnikfrei. Ideal für Veganer, Vegetarier oder Menschen mit Intoleranzen. Also für alle außer für Lupinenallergiker. Für den Ackerboden bringt die Lupine Vorteile. Die Pflanze wächst gut auf den sandigen trocken Böden in Mecklenburg und Vorpommern.
"Die Lupine an sich benötigt gar keine Düngemittel. Insofern ist es auch ein ganz fantastisches Angebot an die Bauern, die eh jedes Jahr fünf Prozent ihrer Fläche nach neuer EU-Verordnung brach liegen lassen müssen, und anstelle brachliegen, dürfen sie zum Beispiel Lupinen anbauen."
Die Lupinenpflanze bindet Stickstoff aus der Luft und speichert ihn im Boden. Kostenloser Dünger für die Bauern. Lupinen sind ergiebig. Auf einem Hektar Acker wachsen zum Beispiel 14.000 Liter Lupinendrink. Und die Verarbeitung geht so: Nach der Ernte werden die Lupinensamen geschält und zu Flocken gequetscht. Diese Flocken sind das Grundmaterial der Prolupin GmbH.
Auch Speiseeis wird aus der Süßlupine hergestellt
Hinter den Büroräumen ist die Produktionshalle. Hier stehen vier große Edelstahltanks. Die Mitarbeiter tragen weiße Gummistiefel, weiße Kitteln und - passend zur Lupine - blaue Plastikhauben auf dem Kopf. Ihr Job besteht darin, die Lupinenflocken durch Extraktionsverfahren aufzutrennen: in Öl, Fasern und in das reine Proteinmehl. Der Lebenstechnologe Marc Zillmann entwickelt daraus Produkte. Zum Beispiel: Speiseeis. Es heißt Lupinesse und enthält keine Milch. Dank Zillmann schmeckt die Mischung aus Wasser, Pflanzenfett, Lupine, Aroma und Zucker trotzdem wie Eis.
"Beim Eismachen, besonders in Bezug auf die Lupine kommt´s darauf an, dass sie dieses Mundgefühl haben. Dass das Eis weich ist, cremig und zart schmelzend. Und nicht ähnlich massiv da liegt wie ein Eisblock."
Marc Zillmann ist ein Experte für Lupine. Im Studium hat er sich mit dieser Pflanze beschäftigt und seine Abschlussarbeit darüber geschrieben. Jetzt schaut sich der 30-Jährige vor allem Milch- und Fleischprodukte an, ob er bestimmte Anteile darin durch Mehle, Fasern oder Schalen des Lupinensamens ersetzen kann. Bei der Leberwurst zum Beispiel hat das schon geklappt.
"Die innere Lupinenfaser, die ist relativ weich. Und durch diese weiche Textur kann man ideal - sagen wir mal - tierisches Fett kopieren. Und deshalb: Obwohl Sie Fett reduzieren, bleibt die Leberwurst immer noch geschmeidig und schmierbar. Wenn sie nur das Fett rausnehmen aus der Leberwurst, wird sie trocken und brüchig. Eine reine Konsistenzfrage."
So will die Prolupin Gmbh den Markt erobern. Fleisch und Molkereiprodukte durch Lupineneiweiß ersetzen und eigene Produkte entwickeln. Ein Masterplan. In diesem Jahr, so lautet das Ziel, sollen 15 Mitarbeiter 3500 Tonnen Lupinenflocken verarbeiten. Das ist weniger als ein Tausendstel im Vergleich zu den 4,5 Millionen Tonnen Soja, die jedes Jahr in Deutschland an Schlachttiere verfüttert werden. Für die Prolupin Gmbh aber es ist ein Schritt auf dem Weg zur pflanzlichen Ernährung.
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