"Blaubart" als Bollywood-Film

Von Camilla Hildebrandt · 03.11.2008
Noch studiert die 22-jährige Rahel Fiona Juschka an der Berliner "Hochschule für Musik Hanns Eisler" Regie. Sie hat gerade ihren neuen Film "Blaubart" für die Berlinale-Sektion "Perspektive Deutsches Kino" eingereicht. Aus dem Märchen ist ein Musical geworden, in dem die Psychologie Blaubarts, der seine Frauen umbringen ließ, im Mittelpunkt steht.
Kameramann beim Dreh: "Rahel, willst du den Stuhl noch leicht angeschnitten haben oder - so leicht angeschnitten?"

Zeit – die hat Rahel Fiona Juschka eigentlich selten, aber sie nimmt sie sich einfach, mitten in den Dreharbeiten. Die Kostümbildnerin fragt nach einer fehlenden Strumpfhose, der Schauspieler hat ihre Anweisung noch nicht genau verstanden und der Kameramann klagt über einen fehlenden Akku. Rahel lächelt – so ist das immer, sagt die junge Frau mit den langen, dunklen Haaren und den strahlenden, braunen Augen.

"Ein großes Ziel ist, dass jeder die Produktion liebt. Und ich hab es noch nie erlebt, dass keiner nie mehr mit mir arbeiten würde. Ich habe mit den meisten zum zigsten Mal zusammengearbeitet und hab mir ein Team aufgebaut, was auch in Zukunft zusammenarbeiten will. Und ich habe einen Stab an Schauspielern, der sich täglich erweitert."

Rahel Fiona Juschka beim Dreh: "Die Vase stellst du aber in der Totalen hin, Glas im Detail, Vase in der Totalen!"

Im Rahmen ihres Regie-Studiums an der Berliner Hanns Eisler Musikhochschule hat sie schon ganz andere Verhältnisse kennen gelernt, zum Beispiel bei Assistenzen an verschiedenen Opernhäusern.

"Wirklich, es interessiert sich keiner für einen anderen Bereich, der nicht sein eigener ist, und auch der eigene Bereich wird nur halbherzig gemacht, wenn die Hierarchie so ist, wie sie momentan ist, dass der Regisseur oder die Produktionsleitung immer auf die anderen Kleinen draufhaut."

Dass sie einmal Regisseurin werden würde, das ist der 22-Jährigen schon als Kind klar gewesen. Und ihre Eltern hätten unwissentlich den Grundstein dafür gelegt. Ihre Mutter hat lange Jahre als Hebamme gearbeitet, der Vater ist Pfarrer in Berlin.

"Mein Vater organisiert viel in der Gemeinde, und ich hab in frühster Kindheit auf der Bühne gestanden, weil ich zu den ganzen Silvester- und Weihnachtsaufführungen immer spielen musste und meistens die Maria. Und dann hab ich das selbst zu meiner Passion gemacht und in den Gemeinderäumen selbst Stücke geschrieben und mir Leute gekrallt und aufgeführt." (lacht)

Rahel Fiona Juschka beim Dreh: "Wunderbar! Cut! Ist gekauft! Jetzt alles von vorne!"

Was sie am meisten an der Regiearbeit interessiert, ist die Verbindung von Theater, Musik und Film. Für ihre Vordiplomarbeit - die Inszenierung des Leonard-Bernstein-Musicals "Trouble in Tahiti" - hat Rahel zum Beispiel eigene Filmaufnahmen benutzt. Auf eine große Leinwand projiziert sind diese einerseits das TV-Programm für die Protagonisten. Andererseits können die Protagonisten auch hinter der Leinwand verschwinden, um dann auf der Leinwand wieder aufzutauchen, um dort ihre Träume auszuleben.

"...so verbinde ich das immer, dass das ein neuer Raum ist, der geöffnet wird. (…) Ich glaube, das ist das einzige Medium, was wirklich weit gefächert die Menschen erreicht, weil grundsätzlich ein bewegtes Bild sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und das Spannende ist daran, Musik und Film zu verbinden."

Ihr neustes Werk – der vielen Film- und Musicalproduktionen, die die 22-Jährige alle während ihres Studium produziert hat -, wird vielleicht bald auf der Berlinale zu sehen sein: das Märchen "Blaubart".

"Meine Dramaturgin und ich haben uns ein ganzes Jahr damit beschäftigt, denn das Psychologische in dem Märchen ist ja das Interessante, das haben wir versucht aufzugreifen in den Dreharbeiten. Und das Ganze ist natürlich ein Musicalfilm, das heißt, Songs wurden komponiert, ich musste sie auch mit komponieren."

"Es geht uns hauptsächlich durch Rückblenden um die Beziehung der ersten Frau zu Blaubart, und wie konnte dieser Mann so werden, dass er tatsächlich dann alle Frauen umgebracht hat."

Gedreht wurde im "Haus Cumberland" – wo auch schon Bernd Eichinger und Tom Tykwer gearbeitet haben. Ein riesiger, denkmalgeschützter Gebäudekomplex am Berliner Kurfürstendamm.

"Das sind 3500 Quadratmeter, zwei Innenhöfe, vier Stockwerke, voll unterkellert. Ich: Ja, warum nicht! Hab´s mir angeguckt, und es war unglaublich, da kann man alles drehen: DDR-Film, Kriegsfilm, Kinder verschwunden und Filme, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts spielen."

Rahel Fiona Juschka beim Dreh: (Lachen) "Na gut, noch mal, und vor allem zur Kamera hingewendet!"

300 Euro stehen ihr von der Hochschule für jede Produktion zur Verfügung, auch für die Abschlussarbeit. Ein – sehr eigener – Bollywood-Film soll das werden, sagt Rahel Fiona Juschka schmunzelnd. Und fast ihre ganze Familie ist wie immer dabei.

"Meine Familie ist der Bestandteil, der es mir ermöglicht, so viele Projekte auf die Beine zu stellen, weil sie unglaublich künstlerisch begabt sind. Meine kleine Schwester, die ist neun, mit der hab ich schon vier Filme gedreht und auch einen Preis gewonnen. Meine zweitälteste Schwester, die ist 20, und die hab ich jetzt als meine Choreographin eingestellt, ja so läuft das weiter."

Und nach dem Studium?

"Ganz spontan? Oscar! (lacht)... auf jeden Fall würde ich gerne für die Filmdrehs finanziert werden, das ist ganz wichtig, weil ich sehr gerne mit Menschen arbeite, mein Team habe, das es echt verdient hat, Geld dafür zu kommen. Sie würden zwar bis ins Unendliche mit mir weiterarbeiten, auch ohne Geld, aber das ist mir langsam auch unangenehm. Weil sie so viel Arbeit, Energie und Fleiß reinstecken und es als ihrs betrachten."

Rahel Fiona Juschka beim Filmen: "Cut, danke, wunderbar gemacht Menschenskinder!"