Bitte folgen!

Von Jörn Klare |
Leitplanke links - Leitplanke rechts. Rund um die Uhr im Einsatz, unterwegs auf dem "grauen Band" der Autobahn. Dabei ein Auge auf den Rückspiegel, denn "die Gefahr kommt von hinten" - Raser, die ihren Wagen nicht unter Kontrolle haben. Die Beamten der Autobahnpolizeihauptwache Hagen kontrollieren mit ihren beiden Streifenwagen im Schichtdienst gut 100 Kilometer Fahrbahn.
"A 45 Fahrtrichtung Dortmund zwischen Schwerte-Ergste und WK – ein Pritschenlaster, der hat einen PKW hinten drauf, der hängt ganz schief auf der Ladefläche. Weil er nur mit einem Spanngurt gesichert ist, fürchtet der Verkehrsteilnehmer, dass er runterfällt, vielleicht kommt der in eure Richtung. – Schmitz: War das jetzt für uns?"

Donnerstagmorgen, kurz nach Sonnenaufgang, am Westhofener-Kreuz. Streifenwagen 1541 der Polizeiautobahnhauptwache Hagen steht im gesicherten Bereich einer Baustelle. Die Polizeikommissare Martin Mietze, 39 Jahre alt und Bianca Schmitz, 33 Jahre, überwachen die Autobahn. Auf dem Funk die Kollegen der anderen Einsatzwagen.

"Ja, wir hören hier nur so ein Pfeifen, Knacken und Rauschen – ich glaub, der ist auf der 44 gesichtet worden der Wagen. – Ja, und gut gesichert, erledigt."

Der Verkehr zähfließend - gut zu beobachten.

Schmitz: "Oh, der war nicht angeschnallt."
Mietze: "Trucker"
Schmitz: "Ja"
Mietze: "Der Kieskutscher, ne?"
Schmitz: "Ja. – Willst du den noch fangen?"

Ja, Mietze will. Der Kommissar - sportlich, schlanker Typ, kurze braune Haare - startet den Opel-Vectra-Kombi – 150 PS, 200 km/h Höchstgeschwindigkeit – schaltet das Blaulicht ein, beginnt mit der Verfolgung des nicht angeschnallten Lkw-Fahrers.

Mietze: "Wenn sie hier mit dem Reklameauto rumfahren …"

- dem grün-silbernen Polizeieinsatzwagen -

"… dann sind die Leute angeschnallt. Wenn aber irgendwo steht, an der Baustelle, oder da wo Kurven sind, da ist dann der Überraschungseffekt ein bisschen größer."

Zwei Minuten später - der Streifenwagen mit 80 Stundenkilometern neben dem gesuchten Lastwagen. Kommissarin Schmitz – freundlich offenes Wesen, Pferdeschwanz und Brille – mustert Fahrer und Beifahrer.
Schmitz: "Der hat den Gurt so runterhängen. Glaube ich. Weil der die Beine so hoch hat. Ich meine der Gurt hängt so ein bisschen weiter runter."
Mietze: "Unterm Arm – ist auch nicht richtig."
Schmitz: "Aber jetzt hat er ihn hochgezogen. Jetzt sehe ich, jetzt ist er nämlich höher. Pech gehabt."

Mietze steuert den Wagen vor den Latser, auf dem Dach des Streifenwagen leuchtet der Schriftzug "Bitte-Folgen!".

Schmitz:" Das haben wir auch schon mal länger an, bis zur Tankstelle. Das kann auch schon mal passieren."
Mietze: "Spätestens wenn so eine Schlange hinter Ihnen herkommt, dann wissen -"
Schmitz: "Ah, da haben wir was vergessen."
Schmitz: "Früher war das ein Drehknopf und das war einfacher. Und wenn es jetzt sehr hell ist, kann man das nicht blinken sehen und dann vergisst man das manchmal. Ich versuche, das immer direkt gleich auszumachen, aber man kann das auch schon mal vergessen."

Zwei Minuten später auf einem Parkplatz. Kommissar Mietze und der Beifahrer.

Mietze: "Westhofener Kreuz haben wir gerade gestanden. Sie waren nicht angeschnallt."
Beifahrer: "Aber 100 Prozent!"
Mietze: "Warum konnte ich den schwarzen Gurt nicht erkennen, auf Ihrem schönen weißen T-Shirt? – Ja, sehen sie und das heißt nicht richtig angeschnallt. Das ist ein sogenannter Dreipunktgurt."

Schmitz überprüft mit dem Funkgerät im Streifenwagen routinemäßig die Papiere des Fahrers. Ihr Kollege inspiziert den Wagen

Mietze: "Ausrüstung, Erste Hilfe, Lampe Warndreieck hätte ich gern gesehen vom Fahrer."

Schmitz kommt zurück. Die Papiere sind in Ordnung. Neuigkeiten von der Leitstelle.

Schmitz: "Wir haben einen Einsatz – VU – an einer Baustelle. Halb Fahrsteifen, halb Seitenstreifen."

VU – Verkehrsunfall. Keine Verletzten, doch die Unfallstelle liegt in einem Gefahrenbereich, blockiert einen Fahrsteifen. Die Polizisten müssen sich beeilen - Glück für die Lkw-Besatzung.

Mietze: "Sie sind Fahrzeugführer. Sie achten in Zukunft darauf, dass in Zukunft alle Insassen korrekt angeschnallt sind – nicht um die Wade, nicht um den Kopf. Heute mündlich – das nächste Mal 30 Euro!"
Beifahrer: "Geht klar!"
Mietze: "Ich hoffe. Schönen Tag noch."

Ein paar Kilometer zum nächsten Einsatz. Die Beamten sind hier seit Jahren täglich unterwegs, kennen sich bestens aus. Der Verkehr – dicht, zum Blaulicht kommt das Martinshorn.

Fünf Minuten später an der Unfallstelle. Baustellenbereich mit zwei verengten Fahrbahnen. Ein spanischer 40-Tonner und ein Kleinwagen aus Brandenburg. Kratzer und kleine Dellen an beiden Fahrzeugen. Mietze und Schmitz sichern die Unfallstelle, räumen die Fahrbahn, indem sie die Fahrzeuge in den abgesperrten Baustellenbereich dirigieren.

Mietze: "Wache Hagen – Mietze ist mein Name, was ist passiert?"
Deutscher Fahrer: " Er war auf der rechten Spur, ich war auf der linken und wollte ihn überholen und er ist leicht nach links rübergekommen, wo ich an ihm vorbei wollte mehr oder weniger. Er sagt zwar, ich bin rübergekommen, - so wie ich das verstanden habe - aber er zog auf einmal ein bisschen rüber nach links."
Der Sachschaden - geschätzte 3000 Euro. Die Diskussion - kurz, friedlich. Aussage gegen Aussage. Mögliche Zeugen sind längst weiter gefahren.

Schmitz: "Theoretisch wäre das für einen von ihnen ein Verwarngeld, wenn einer sagen würde, ich war es. Jetzt müssen wir das schriftlich machen. Wir machen da eine 'unklare Sachlage' draus. Ich weiß nicht, ob sie recht haben, ich weiß auch nicht, ob er recht hat."

Im Wagen überprüft Kollege Mietze die Personalien.

Funk: "1541 für Georg."
Mietze: "Zwei Personen, drei Kennzeichen – vorweg die Meldezeit."

Mietze: "Ich kann nur einen verwarnen, wenn ich ihm einen Vorwurf machen kann."
Schmitz: "Ja eben. Das sehe ich auch so. - Gar nichts, der zahlt jetzt nicht."

Wieder raus, den Fahrern die Formulare aushändigen. Beide Wagen können problemlos weiterfahren.

Mietze: "Wir halten den Verkehr jetzt an."

Zurück zur Wache. Die Polizisten tragen während der gesamten Schicht kugelsichere Westen unter der Uniform und Pistolen.

Mietze: "Darin besteht ja die Gefahr, dass man nicht weiß, wen man da anspricht. Das kann ja auch mal ein Böser sein. Kann ja auch mal der Böse im Lkw fahren."

Alle Überprüfungen sollen möglichst zu zweit vorgenommen werden.

Mietze: "Grundsatz der Eigensicherung, wie man so sagt im Polizeijargon. Also sollte immer so sein, dass beide draußen sind."
Schmitz: "Also einer spricht an, einer sichert."
Mietze: "Aber das sind jetzt so Tricks, die sollen wir nicht verraten."

Goldbach: "Frauen müssen hier bleiben! Die brauchen sie für Durchsuchungszwecke."

30 Minuten später in der Hauptwache der Autobahnpolizei Hagen – der Vorgesetzte - Hauptkommissar Rainer Goldbach - einer schmaler Typ Anfang 50, die hellblonden Haare ordentlich gescheitelt –- macht Witze. Kommissarin Schmitz nimmt es – mit Humor.

Schmitz: "Frauen können aber nie die Klappe halten, die können das nicht geheim halten. Die können gehen."
Goldbach: "Deswegen können Frauen ja auch zwei Sachen gleichzeitig. Sonst würden die ja nie was machen, außer quatschen."
Schmitz: "Wir können Lesen und Quatschen und gleichzeitig auch noch Zuhören!"

Die Wache an der Raststätte Lennhof zwischen dem Westhofener Kreuz und der Anschlussstelle Hagen Nord - ein zwei Jahre alter, einstöckiger Funktionsbau. Herzstück: der nüchterne Wach- und Funkraum, in dem die Anfragen und Fahndungsaufträge eintreffen und die Einsätze rund um die Uhr vergeben und besprochen werden. Blau-grünes Linoleum, ein langer geschwungener Tisch darauf fünf Computerbildschirme, ein paar Telefone. Die Fenster zur Autobahn. An der Wand ein Kalender der Polizeigewerkschaft. Die Funkanlage - analog und somit antiquiert, selbst die albanische Polizei ist moderner ausgestattet.

Der Zuständigkeitsbereich der je nach Schicht mindestens sechs Beamten und zwei Streifenwagen reicht von Lichtendorf bis Wuppertal auf der A1, von Witten bis Hagen–Süd auf der A 45 und von Hagen bis Hemer auf der A 46 - gut 100 Autobahnkilometer insgesamt. Goldbach 33 Dienstjahre, davon 30 im Schichtdienst ist der Dienstgruppenleiter, das heißt Chef der Wache.

"Seit 1983 bin ich hier, da habe ich damals schon gesagt, die Prügeleien in den Kneipen und Wohnungen, auf Dauer das kann es auch nicht sein auf Dauer. Dann habe ich gesagt, geh zur Autobahn, da kann man sich spezialisieren im Aufgabengebiet und ruhiger arbeiten."

Von einigen wenigen Fortbildungsmöglichkeiten abgesehen, sind Autobahnpolizisten nicht anders ausgebildet als andere Beamte der Schutzpolizei. Was zählt ist die Erfahrung, die möglichst von den älteren Kollegen an die jüngeren weitergegeben werden soll. Goldbach lehnt sich entspannt zurück.

"Die Kollegen, die hier sind, da wollen eigentlich wenige von weg und die Kollegen, die außen stehen, die sagen: ‚Ach die Einbahnstraßenpolizisten! Die kennen nur das graue Band. Rechts und links Leitplanke, wie auf Schienen. Die können nicht rückwärts fahren.’ Das ist aber normales Geplänkel. Die einen wollen zur Autobahn, die anderen sagen, das ist ihnen zu ruhig hier, weil nichts passiert die wollen Action haben."

Die Action ist im Alltag der Autobahnpolizei äußerst begrenzt.

"Wir haben ja keine Rennautos, abgesehen mal von der Verkehrsdichte – weil alle sagen immer: Autobahnpolizei, die muss ja Autos haben, wie – ne, ne. Das ist Diesel einfach. Der macht bei Volmarstein am Berg nur 130 und dann ist Schluss. Dann machen sie Blaulicht aus, sonst schämen sie sich."

Und Verfolgungsfahrten, wie sie in keinem der allabendlichen Fernsehkrimis fehlen dürfen? Goldbach winkt ab. Äußerst selten – vielleicht einmal im Monat.

"Die Leute, die abhauen, die haben meistens noch irgendwo Dreck am Stecken. Ich sag immer, viele Jäger sind des Hasen Tod. So lange der auf der Autobahn bleibt, kommt der auch nicht weg. Außer er fährt die nächste Ausfahrt raus und kennt sich aus und fährt um drei Ecken. Gerade in dem Bereich, wo man sich selber nicht mehr auskennt. Dann habe ich verloren."

Ein schiefes Grinsen. Die Gefahr, sagt der Polizeihauptkommissar, lauert in der Routine.

"Auf der Autobahn ist immer wichtig, dass man ein Auge hinten hat. Die Gefahr kommt immer von hinten, sollte sie zumindest, und nicht von vorn. Man sollte sich immer die Geschwindigkeit vor Augen führen. Wenn einer mit 200 ankommt und sieht in 100 Metern ein Hindernis vor sich – dann ist es vorbei. Wenn man Glück hat verabschiedet er sich allein, weil er die Kiste verreißt."

Noch ein schiefes Grinsen – dann der nächste Einsatz.

Funk: "1501 für Georg"
Wachdienstleiter: "1501"
Funk: "Eine Fahndung: Eine Zugmaschine soll Schlangenlinie fahren. Standort 68 bis 65 Richtung Köln."
Mietze: "Christian, wir? - Eih, Einsatz!"

Schmitz und Mietze greifen zu ihren Jacken, eilen zum Streifenwagen.

Zwei Minuten nach der Meldung ist die 1541 auf der Straße. Mietze drückt aufs Gas. Schmitz hält Ausschau.

Vier Minuten später überholen die beiden Kommissare den beschriebenen 40-Tonner.

Schmitz: "Da ist er!"
Mietze: "Welcher?"
Schmitz: "Der! Da ist er! - Der bohrt sich gerade in der Nase."

Mietze setzt sich vor den Lastwagen, Schmitz schaltet das "Bitte-Folgen!"-Zeichen ein. Zur nächsten Ausfahrt. Der Lkw-Fahrer wird langsamer, bleibt fast stehen. Schmitz am Mikrophon für den Außenlautsprecher.

Beide Fahrzeuge auf dem Seitenstreifen. Die Polizisten am Führerhaus des Lasters.

Mietze: "Kommen Sie mal raus! So, einmal meiner Kollegin folgen."

Der Fahrer im Trainingsanzug - ca. 50 Jahre alt, untersetzt, freundliches Gesicht – wirkt erschöpft, fast ein wenig verwirrt. Seine Schritte - unsicher. Das könnte vom langen Sitzen kommen. Misstrauische Blicke der Polizisten.

Schmitz: "Haben sie das schon mal gemacht?"
Fahrer: "Ne!"
Schmitz: "Gleich tief Lust holen, gleichmäßig kräftig reinpusten, bis ich sage Stopp!"
Mietze: "Haben sie schon mal einen Luftballon aufgepustet? Ja! So ist das ungefähr. Sechs Sekunden schön kräftig reinpusten!"

Alkoholkontrolle. Schmitz hält das Testgerät – kaum größer als eine Tafel Schokolade - darauf ein austauschbarer Aufsatz zum Reinpusten. Der Fahrer lächelt verlegen, scheint nicht richtig mitzubekommen, was hier passiert.

Schmitz: "So los geht’s! Ich halte das schon fest. - Weiter, weiter, weiter! - Prima. Das war es."

Der Mann gibt sich Mühe. Die Kommissarin schaut auf das kleine Display.

Schmitz: "Jawoll!"

2,1 Promille, das heißt "volltrunken". Schon bei 1,1 Promille beginnt der Bereich der Fahruntüchtigkeit. Wer darüber liegt, macht sich strafbar.

Mietze: "Was haben sie denn getrunken? Tee oder Alkohol?"
Fahrer: " Bitte?"
Mietze: "Tee oder Alkohol? - Sie haben Alkohol getrunken. Sie fahren jetzt erst mal mit zur Polizeiwache!"
Fahrer: "Ne, oder?"
Mietze: "Aber bestimmt. Weil wer Alkohol trinkt, gehört nicht auf die Straße. Ist doch logisch. Sehen sie selbst ein oder?"
Fahrer: "Oh, ne!"
Mietze: "Ja!"

Schmitz sitzt im Streifwagen, kümmert sich schon um den Abtransport des 40-Tonners. Draußen - der Fahrer hofft auch Nachsicht.

Mietze: "Da können wir nichts machen. Nein. Die Ursache haben sie ja gesetzt! Was soll ich da jetzt zu sagen, das haben sie vorher gewusst. Da können wir gar nichts machen. Alkohol und Drogen haben im Straßenverkehr nichts zu suchen."

Um den Alkoholgehalt genau und beweiskräftig festzustellen, muss der Fahrer zu Blutentnahme.

Mietze: "So, ich taste sei jetzt einmal ab. Sie sitzen dann bei uns im Auto. Hört sich blöd an: Haben sie eine Pistole mit? Messer mit? Weil wenn ich was finde, bin ich böse. Deswegen frage ich sie vorher."
Fahrer: "Ne."
Mietze: "Nix mit? Rasierklingen in der Tasche auch nicht?"
Fahrer: "Nein."
Mietze: "Einmal die Hände bitte auf das Wagendach oben. Sie kennen das aus dem Film."

Auf dem Weg ins Hagener Polizeipräsidium. Dort angekommen realisiert der Berufsfahrer, was passiert ist und was passieren wird.

Schmitz: "Das Heulen bringt jetzt nichts. Da können wir jetzt auch nicht daran ändern."
Mietze: "Jetzt haben sie zwar Mist gebaut. Aber es ist ja nichts passiert!"
Fahrer: "Doch. Arbeitsplatz ist weg."
Mietze: "Das ist richtig, aber stellen sie sich doch mal vor, sie hätten jemanden angefahren. Das wäre doch viel schlimmer gewesen."

Ein langer Behördenflur - Warten auf den Arzt. Der Lkw-Führer auf einer Bank, den Kopf in den Händen.

Fahrer: "So schafft man arbeitslos, gell."
Schmitz: "Haha – das haben sie sich selbst geschafft, würde ich sagen."
Mietze: "Also ich will ihnen eins sagen, mir wäre es lieber, wenn sie nicht arbeitslos wären. Aber ich habe es nicht erfunden."

Kommissarin Schmitz verdreht die Augen. Für Selbstmitleid hat sie kein Verständnis.

"Nein. Pech. Das ist jetzt gemein, aber wer besoffen Auto fährt und Lkw fährt mit einem 40-Tonner auf der Autobahn, der kann froh sein, das nicht mehr passiert ist. Da habe ich überhaupt kein Verständnis für."

Schmitz ist gern Polizist. Die Regeln und Gesetzen vertritt sie aus Überzeugung - auch wenn es manchmal schwer fällt.

"So lange nichts passiert – sage ich mal – sind ja gewisse Regeln vielleicht überflüssig. Wenn ich jetzt als Privatperson denke oder rede, dann sage ich mir natürlich auch: Muss das jetzt sein, das eine oder andere. Natürlich - als Privatperson. Aber ich muss natürlich auch immer den Fall verkaufen, wenn es schiefgeht. Und ich sage immer, die Gesetze und Vorschriften würde es ja nicht geben, wenn nicht irgendwelche Sachen schon mal schiefgelaufen wären."

Ein sympathisches Lächeln.

"Wir sind ja auch nur Menschen. Ich will jetzt nicht sagen, wenn einer eine gute Ausrede parat hat, dann machen wir nicht. Ja Mitleid, das ist eine schwierige Sache. Eigentlich darf ich kein Mitleid haben, eigentlich müsste ich das sachlich machen. Und im Ordnungswidrigkeiteinbereich haben wir ja die Möglichkeit. Da haben wir den sogenannten Ermessensspielraum. Da können wir dann schon mal sagen: machen wir ein bisschen weniger Geld. Aber im Straftatenbereich …"

Kollege Mietze – seit 15 Jahren bei der Autobahnpolizei – nickt.

"… sicherlich bei kleineren Verstößen, da können wir schon mal ein Auge zudrücken oder ein mündliche Verwarnung aussprechen. Das kommt immer auf die Umstände an. In welcher Situation der eine oder andere da gerade ist. Oft im Stau da haben wir dann ja, dass die Leute mal kurz eben über den Seitenstreifen fahren da die letzten paar Meter und die Kinder quengeln hinten drin, dem einen ist schlecht – ja, jeder hat da so sein Probleme und manchmal muss man auch alle Fünfe gerade sein lassen und dann hilft auch mal das Gespräch und sagen, dass das nicht in Ordnung ist."

Kurzes Schulterzucken. Zu viel Verständnis – ist auch nicht gut.

"Führerschein verloren, Beruf verloren – sicherlich, aber man steckt da nicht drin, was haben die Bürger für private Probleme zu Hause, also was steckt dahinter. Sicherlich, keiner will Arbeitslose haben, aber man kann das nicht ändern. Und ich muss meine Arbeit auch morgen noch machen können und deshalb darf man sich mit diesen Fällen nicht zu lange beschäftigen. Dann kann man den Job eigentlich nicht mehr machen. Also dann könnte ich da sicher ein Buch darüber schreiben sicherlich, wie arm das in Deutschland hier ist, aber das geht ja natürlich nicht."

Endlich - der Arzt. Die Polizisten haben alles vorbreitet, sogar ein extra Spritzbesteck mitgebracht, incl. eines speziellen Desinfektionstupfers ohne Alkohol, um den Test nicht zu verfälschen. Doch die Formulare sind nach der Logik der Behörde nicht auf dem neustem Stand.

Schmitz: "Mein Formulare sind schon veraltet. Kaum drei Jahre alt."
Arzt: "Da unten steht nämlich bei Ihnen Oxzyanit und deswegen muss man da aufpassen. Das gibt es nämlich gar nicht mehr."
Schmitz: "Oh Gott oh Gott!"
Arzt: "Man kann das auch von Hand hinschreiben, das geht natürlich."
Schmitz: "Ich möchte fast behaupten, dass die Doktoren auf der Wache, das noch nicht so bemerkt haben."
Arzt: "Ja mal ganz ehrlich, wenn ein Anwalt vor Gericht das spitz kriegt – der guckt dann da drauf und sagt: ‚Och mit Oxzyanit, die gibt es ja seit drei Jahren gar nicht mehr!’ Und damit ist die Sache geplatzt wie eine Seifenblase. Das ist so der Hintergrund. Das ist zwar alles Quatsch, aber so ist das."

Eine kurze Untersuchung des alkoholisierten Fahrers.

Arzt: "Ich dreh sie jetzt ein paar Runden, ja?"

Schon nach einer Körperdrehung um die eigene Achse droht der Mann zu stürzen.

Fahrer: "Oh."
Arzt: "Mhm, dann nehmen sie wieder Platz, wollen wir hier nichts riskieren."

Fünf Minuten später geht es mit dem Lkw-Fahrer und der Blutprobe wieder zur Wache der Autobahnpolizei. Dort die Vernehmung für das Protokoll der Akten der Staatsanwaltschaft.

Schmitz: "Im Führerhaus vorne neben ihrem Sitz, da stand eine Falsche Chantré, ne große, ne normale, die man so im Supermarkt kauft – die war aber auch leer."
Fahrer: " Um Gottes Willen!"
Schmitz: "Die haben sie nicht leer getrunken?"
Fahrer: "Um Gottes Willen!"
Schmitz: "Aber irgendeiner hat die doch leer getrunken?"
Fahrer: "Na, ja."
Schmitz: "Na, gut."

Kommissar Mietze und Oberkommissar Goldbach kommen dazu. Der Chef ist sauer.

Mietze: "Wen sollen wir den anrufen, der sie abholt?"
Fahrer: "Na gut, die Spedition muss den Lkw eh holen."
Goldbach: "Würde ihr Chef sie denn überhaupt mitnehmen?"
Fahrer: " Ich hoffe es."
Goldbach: "Wenn sie mein Fahrer wären, könnten sie zusehen, wo sie blieben."

Die Vernehmung ist zu Ende – der Täter längst noch nicht nüchtern, immer noch selbstmitleidig.

Schmitz: "Folgendes, das ist wichtig zuzuhören: Ihren Führerschein, die Karte behalten wir auch. Das heißt, sie dürfen ab sofort keine führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeuge mehr führen."
Fahrer: "Schön."
Schmitz: "Nicht schön. Das heißt: kein Führerschein mehr. Das heißt, wenn sie morgen, auch wenn sie wieder nüchtern sind: Autofahren, dann ist das Fahren ohne Fahrerlaubnis. Das ist eine Straftat. Das dürfen sie nicht."
Fahrer: "Was gibt es Schlimmeres?"
Schmitz: "Sie hätten jemanden umfahren können."

Im Wachraum - der Dienstgruppenleiter am Telefon.

Goldbach: "Goldbach, Autobahnpolizei in Hagen. Wir haben einen Sattel angehalten von ihnen, wo der Fahrer volltrunken ist. Sie wollen ja das Auto wahrscheinlich wieder haben. Und den Fahrer vielleicht auch, das weiß ich natürlich nicht."

Drei Minuten später – Kommissarin Schmitz mit dem fertigen Protokoll.

Schmitz: "Möchtest du das noch eben lesen?"
Goldbach: "Aber sicher."
Schmitz: "Habe ich mir gedacht."
Goldbach: "Komm her hier! Ersten Satz."
Schmitz: "Ach Scheiße, ich wusste doch. Watt denn?"
Goldbach: "Entweder machst du da ein Komma hin …"
Schmitz: "Ach, ein Komma!"
Goldbach: "- oder es hieße, 'erhielten'."

Kurz vor Schichtende - Mietze beim Kaffee im kargen Aufenthaltsraum. Auch er ist gern Polizist, meistens jedenfalls -

"Es gibt sicherlich immer den einen oder anderen Verkehrsteilnehmer, der auch mit unseren polizeilichen Maßnahmen nicht einverstanden ist, auch wenn es so Bagatelldelikte sind. Da fühlt man sich manchmal auch so ein bisschen erniedrigt – wenn man da einen Verkehrsteilnehmer anspricht, der so Manager ist oder so, da hat man oft so das Gefühl: ‚Was wollt ihr kleinen Polizisten denn?!"

Eine kleine Falte auf der Stirn. Nur einen Moment, dann ist sie wieder weg.

"Irgendwo repräsentieren wir ja auch noch – in Anführungsstrichen die Gerechtigkeit und so möchte ich eigentlich auch, dass das bleibt, weil man selber auch erfährt - aus der Presse beispielsweise, dass es Ungerechtigkeit an der Tagesordnung gibt in allen gesellschaftspolitischen Schichten und ich bin eigentlich eher ein Gerechtigkeitsmensch. Es sollte schon korrekt zu gehen."