"Bist du bereit, deinem Schöpfer zu begegnen?"
Richard Fords Roman "Die Lage des Landes", der dritte Band der Trilogie um den US-Amerikaner Frank Bascombe, ist jetzt auf Deutsch erschienen. Darin lebt der 55-jährige Bascombe in einer wie er sie selbst nennt "Permanenzphase". Ford ist zurzeit zu Gast im literarischen Rahmenprogramm der Salzburger Festspiele.
Richard Ford: "Go away, wasp, go away, bee, wherever you are!” "
Richard Ford, ein schlanker Mann mit hoher Stirn und zurückgekämmten grauen Haaren, ist von seinem Platz aufgesprungen. Ängstlich verfolgt er den Flug einer Wespe, wedelt mit den Händen und spricht mit ihr: Sie solle verschwinden und für immer wegbleiben. Erst als klar ist, dass die Wespe das so genannte chinesische Zimmer von Schloss Leopoldskron verlassen hat, setzt sich Richard Ford wieder auf das grünbezogene Barocksofa. Nun ist der 1944 geborene Schriftsteller wieder die Ruhe selbst. Er fixiert sein Gegenüber mit seinen hellblauen Augen und spricht über seinen neuen Roman "Die Lage des Landes".
Die Hauptfigur, Frank Bascombe, ein Immobilienhändler an der Küste New Jerseys, erfährt aus einer Zeitung von einem Mord. Dem Bericht zufolge hatte der Mörder sein Opfer gefragt: "Bist du bereit, deinem Schöpfer zu begegnen?" Frank Bascombe selbst fühlt sich noch nicht bereit zum Sterben. Schließlich habe er noch einiges vor, zum Beispiel Deutsch zu lernen. Das hat auch Richard Ford schon versucht, vor zehn Jahren, als er in Berlin ein Stipendium antrat:
Richard Ford: " "Ich hatte eine Tutorin. Sie kam in mein Haus in die Berliner Uhlandstraße. Sie war sehr ernst und sehr streng. Sie machte mich glauben, mein Verstand sei nicht logisch genug, um Deutsch zu lernen. Sie sagte, Deutsch sei eine sehr logische Sprache. Ich habe Grund zur Annahme, dass das nicht stimmt. Aber vielleicht hatte meine Lehrerin in dem Punkt Recht, dass mein Gehirn einfach nicht für das Deutsche gemacht ist. Ich schäme mich jedenfalls dafür, nicht genug Deutsch gelernt zu haben, um es in Deutschland anwenden zu können. Aber ich kann es einfach nicht."
In seiner Muttersprache Englisch ist Richard Ford allerdings ein meisterhafter Stilist und Chronist des Alltagslebens. Und das, obwohl er schon immer an einer Lese- und Hörschwäche gelitten hat. Die zwang ihn dazu, besonders konzentriert anderen Menschen zu lauschen. Eine Gabe, die sich Richard Ford bis heute bewahrt hat.
Die Romanfigur Frank Bascombe ist ebenfalls ein guter Zuhörer. Er engagiert sich ehrenamtlich in einem Verein, in dem er sich die alltäglichen Probleme von Menschen anhört und mit ihnen nach einer Lösung sucht. Dabei hat Bascombe selbst genug Probleme: Seine Ehefrau hat ihn verlassen. Und dann wird auch noch Prostatakrebs bei ihm diagnostiziert. Das alles in einer Phase, die der 55-jährige Bascombe selbst die "Permanenzphase" nennt.
Richard Ford: "Die Permanenzphase, die zu jeder Zeit des Lebens eintreten kann, ist jene Phase, in der mehr vom Leben hinter einem liegt als vor einem. Wer in dieser Phase ist, hat bereits mehr Fehler gemacht, als er in der Zukunft machen kann. Man kann sich vielleicht besser von den Erfahrungen des Verlustes lossagen und ist vielleicht weniger besorgt über die Vergangenheit. Dafür interessiert man sich mehr für die Zukunft. Es ist die Phase des Lebens, in der man denkt: ‚Das ist der Lebensabschnitt, an den sich die Menschen nach meinem Tod erinnern werden. Also werde ich diesen Abschnitt lieber nutzen.’"
Frank Bascombe hat ihn lange dort genutzt, wo in Amerika die Immobilien am teuersten sind: an der Küste New Jerseys. Aber er, der Immobilienhändler, ekelt sich vor den Schwindel erregenden Preisen der Häuser und Grundstücke. Das Land New Jersey wird zur Metapher für die Regeln des Marktes, für den amerikanischen Traum vom perfekten Ferienhaus, für die Moderne. Der moralische Zeigefinger ist Richard Ford aber fremd. Sein Vater, der starb, als Richard 16 war, übte ebenfalls den Beruf eines Händlers aus, eines reisenden Handelsvertreters:
"Als ich jung war, wusste ich viel darüber, was mein Vater tat. Aber ich hatte keinen Handelsinstinkt. Ich konnte niemandem etwas verkaufen. Verkaufen gefiel mir nicht. Mein Vater liebte es. Seit langem interessiert es mich aber, wie Menschen sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Das sagt nämlich viel über sie aus. Vielleicht ist die Tatsache, dass ich über einen Mann schreibe, der ein Händler ist, in gewisser Weise eine Hommage an meinen Vater."
Richard Fords Mutter ist mit dafür verantwortlich, dass Frank Bascombe im Roman den Umzug in ein neues Haus und das Reisen selbst als einen befreienden Neuanfang versteht. Unzählige Male ist Richard Ford innerhalb der USA umgezogen. Geradezu ein Umzugssüchtiger war er:
"Die Auffassung, man müsse an einen Ort gehen und dann dort bleiben, hat mich nie überzeugt. Die Lieblingsfernsehsendung meiner Kindheit hieß ‚I love Lucy’. Darin fuhr Lucys Familie von New York nach Los Angeles. Ich sah das und dachte: ‚Auch ich könnte verreisen!’ Meine Mutter - Gott hab sie selig - und ich wollten immer eine gemeinsame Busreise nach New York machen. Das war für mich eine sehr romantische Vorstellung: in Mississippi in den Bus einzusteigen und auf dem New Yorker Times Square wieder auszusteigen. Das war Teil meines Lebens: Die Romantik des Reisens."
Jetzt lebt Richard Ford mit seiner Frau im nordöstlichen Bundesstaat Maine, ohne das momentane Bedürfnis, umzuziehen oder zu schreiben. Auch eine zeitlang nicht zu schreiben, ist für Richard Ford ein Zeichen von Freiheit. Ebenso wie das Motorradfahren. Zu Hause in Maine steht seine Harley-Davidson. Und in Salzburg hat er sich ein BMW-Motorrad ausgeliehen und gemeinsam mit seiner Frau die Landschaft erkundet, im Rausch der Geschwindigkeit. Richard Ford lächelt zufrieden, als er davon erzählt. Wäre er jetzt bereit dazu, wie es im Roman heißt, "seinem Schöpfer zu begegnen"? Die Antwort kommt blitzschnell:
"Ja, ich glaube, das bin ich. Das heißt nicht, dass ich sterben möchte. Aber ich hatte ein sehr glückliches Leben. Ich habe hart gearbeitet. Ich habe eine einzige Person, meine Frau, all die Jahre geliebt. Wenn es mich morgen erwischen sollte, während ich gerade auf einem BMW-Motorrad sitze, und ich mit dem Lastwagen eines Verrückten zusammenprallte, dann würde ich denken: ‚Na gut.’"
Service:
Heute (14.8.07) um 20 Uhr trifft Richard Ford im Rahmen der Salzburger Festspiele auf seinen Landsmann und Schriftsteller-Kollegen Jeffrey Eugenides. Das Gespräch im Schloss Leopoldskron wird Michael Naumann moderieren.
Richard Ford: Die Lage des Landes. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert.
Berlin Verlag 2007. 681 Seiten. Preis: 24,90 Euro.
Richard Ford, ein schlanker Mann mit hoher Stirn und zurückgekämmten grauen Haaren, ist von seinem Platz aufgesprungen. Ängstlich verfolgt er den Flug einer Wespe, wedelt mit den Händen und spricht mit ihr: Sie solle verschwinden und für immer wegbleiben. Erst als klar ist, dass die Wespe das so genannte chinesische Zimmer von Schloss Leopoldskron verlassen hat, setzt sich Richard Ford wieder auf das grünbezogene Barocksofa. Nun ist der 1944 geborene Schriftsteller wieder die Ruhe selbst. Er fixiert sein Gegenüber mit seinen hellblauen Augen und spricht über seinen neuen Roman "Die Lage des Landes".
Die Hauptfigur, Frank Bascombe, ein Immobilienhändler an der Küste New Jerseys, erfährt aus einer Zeitung von einem Mord. Dem Bericht zufolge hatte der Mörder sein Opfer gefragt: "Bist du bereit, deinem Schöpfer zu begegnen?" Frank Bascombe selbst fühlt sich noch nicht bereit zum Sterben. Schließlich habe er noch einiges vor, zum Beispiel Deutsch zu lernen. Das hat auch Richard Ford schon versucht, vor zehn Jahren, als er in Berlin ein Stipendium antrat:
Richard Ford: " "Ich hatte eine Tutorin. Sie kam in mein Haus in die Berliner Uhlandstraße. Sie war sehr ernst und sehr streng. Sie machte mich glauben, mein Verstand sei nicht logisch genug, um Deutsch zu lernen. Sie sagte, Deutsch sei eine sehr logische Sprache. Ich habe Grund zur Annahme, dass das nicht stimmt. Aber vielleicht hatte meine Lehrerin in dem Punkt Recht, dass mein Gehirn einfach nicht für das Deutsche gemacht ist. Ich schäme mich jedenfalls dafür, nicht genug Deutsch gelernt zu haben, um es in Deutschland anwenden zu können. Aber ich kann es einfach nicht."
In seiner Muttersprache Englisch ist Richard Ford allerdings ein meisterhafter Stilist und Chronist des Alltagslebens. Und das, obwohl er schon immer an einer Lese- und Hörschwäche gelitten hat. Die zwang ihn dazu, besonders konzentriert anderen Menschen zu lauschen. Eine Gabe, die sich Richard Ford bis heute bewahrt hat.
Die Romanfigur Frank Bascombe ist ebenfalls ein guter Zuhörer. Er engagiert sich ehrenamtlich in einem Verein, in dem er sich die alltäglichen Probleme von Menschen anhört und mit ihnen nach einer Lösung sucht. Dabei hat Bascombe selbst genug Probleme: Seine Ehefrau hat ihn verlassen. Und dann wird auch noch Prostatakrebs bei ihm diagnostiziert. Das alles in einer Phase, die der 55-jährige Bascombe selbst die "Permanenzphase" nennt.
Richard Ford: "Die Permanenzphase, die zu jeder Zeit des Lebens eintreten kann, ist jene Phase, in der mehr vom Leben hinter einem liegt als vor einem. Wer in dieser Phase ist, hat bereits mehr Fehler gemacht, als er in der Zukunft machen kann. Man kann sich vielleicht besser von den Erfahrungen des Verlustes lossagen und ist vielleicht weniger besorgt über die Vergangenheit. Dafür interessiert man sich mehr für die Zukunft. Es ist die Phase des Lebens, in der man denkt: ‚Das ist der Lebensabschnitt, an den sich die Menschen nach meinem Tod erinnern werden. Also werde ich diesen Abschnitt lieber nutzen.’"
Frank Bascombe hat ihn lange dort genutzt, wo in Amerika die Immobilien am teuersten sind: an der Küste New Jerseys. Aber er, der Immobilienhändler, ekelt sich vor den Schwindel erregenden Preisen der Häuser und Grundstücke. Das Land New Jersey wird zur Metapher für die Regeln des Marktes, für den amerikanischen Traum vom perfekten Ferienhaus, für die Moderne. Der moralische Zeigefinger ist Richard Ford aber fremd. Sein Vater, der starb, als Richard 16 war, übte ebenfalls den Beruf eines Händlers aus, eines reisenden Handelsvertreters:
"Als ich jung war, wusste ich viel darüber, was mein Vater tat. Aber ich hatte keinen Handelsinstinkt. Ich konnte niemandem etwas verkaufen. Verkaufen gefiel mir nicht. Mein Vater liebte es. Seit langem interessiert es mich aber, wie Menschen sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Das sagt nämlich viel über sie aus. Vielleicht ist die Tatsache, dass ich über einen Mann schreibe, der ein Händler ist, in gewisser Weise eine Hommage an meinen Vater."
Richard Fords Mutter ist mit dafür verantwortlich, dass Frank Bascombe im Roman den Umzug in ein neues Haus und das Reisen selbst als einen befreienden Neuanfang versteht. Unzählige Male ist Richard Ford innerhalb der USA umgezogen. Geradezu ein Umzugssüchtiger war er:
"Die Auffassung, man müsse an einen Ort gehen und dann dort bleiben, hat mich nie überzeugt. Die Lieblingsfernsehsendung meiner Kindheit hieß ‚I love Lucy’. Darin fuhr Lucys Familie von New York nach Los Angeles. Ich sah das und dachte: ‚Auch ich könnte verreisen!’ Meine Mutter - Gott hab sie selig - und ich wollten immer eine gemeinsame Busreise nach New York machen. Das war für mich eine sehr romantische Vorstellung: in Mississippi in den Bus einzusteigen und auf dem New Yorker Times Square wieder auszusteigen. Das war Teil meines Lebens: Die Romantik des Reisens."
Jetzt lebt Richard Ford mit seiner Frau im nordöstlichen Bundesstaat Maine, ohne das momentane Bedürfnis, umzuziehen oder zu schreiben. Auch eine zeitlang nicht zu schreiben, ist für Richard Ford ein Zeichen von Freiheit. Ebenso wie das Motorradfahren. Zu Hause in Maine steht seine Harley-Davidson. Und in Salzburg hat er sich ein BMW-Motorrad ausgeliehen und gemeinsam mit seiner Frau die Landschaft erkundet, im Rausch der Geschwindigkeit. Richard Ford lächelt zufrieden, als er davon erzählt. Wäre er jetzt bereit dazu, wie es im Roman heißt, "seinem Schöpfer zu begegnen"? Die Antwort kommt blitzschnell:
"Ja, ich glaube, das bin ich. Das heißt nicht, dass ich sterben möchte. Aber ich hatte ein sehr glückliches Leben. Ich habe hart gearbeitet. Ich habe eine einzige Person, meine Frau, all die Jahre geliebt. Wenn es mich morgen erwischen sollte, während ich gerade auf einem BMW-Motorrad sitze, und ich mit dem Lastwagen eines Verrückten zusammenprallte, dann würde ich denken: ‚Na gut.’"
Service:
Heute (14.8.07) um 20 Uhr trifft Richard Ford im Rahmen der Salzburger Festspiele auf seinen Landsmann und Schriftsteller-Kollegen Jeffrey Eugenides. Das Gespräch im Schloss Leopoldskron wird Michael Naumann moderieren.
Richard Ford: Die Lage des Landes. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert.
Berlin Verlag 2007. 681 Seiten. Preis: 24,90 Euro.