Bischofskonferenz und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs

"Das muss Klick in ihren Köpfen und ihren Herzen machen"

05:59 Minuten
Bischöfe stehen im Gottesdienst in den Kirchenbänken.
Journalist Derek Scally sieht zwei Lager bei den Bischöfen: Nur der eine Teil lasse das Leid und den Schmerz der Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche an sich heran. © picture alliance / dpa / Andreas Arnold
Derek Scally im Gespräch mit Anke Schaefer · 23.02.2021
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Sexueller Missbrauch in der Kirche ist ein Schwerpunktthema der Deutschen Bischofskonferenz. Doch solange Kardinal Woelki und andere Bischöfe sich selbst als Opfer fühlten, könne eine echte Aufarbeitung nicht stattfinden, so Journalist Derek Scally.
Kirchenaustritte und sexueller Missbrauch – das sind zwei der wichtigen Themen bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die am heutigen Dienstag begonnen hat. Ein konkreter Hinweis auf die aktuelle Situation in Köln fehlt allerdings. Hier hält Erzbischof Woelki ein Gutachten über sexuellen Missbrauch wegen rechtlicher Bedenken zurück. Das stößt auf vielfache Kritik, darunter vom Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, der von Woelki "völlige Transparenz, Offenheit und Konsequenz" erwartet.

Betroffenheitsbekundungen reichen nicht

Die Situation erinnere ihn an Irland, so "Irish Times"-Journalist Derek Scally. Sein Buch über die Katholiken in Irland mit dem Titel "The Best Catholics in the World. The Irish, the Church and the End of a Special Relationship" erscheint im März. "Was ich dort immer wieder erlebt habe, ist, dass die Hälfte der Bischöfe es schnell verstanden hat, dass es wirklich ernst ist. Sie lassen das Leid der Opfer an sich heran und wollen tatsächlich handeln", sagt Scally.
Die andere Hälfte jedoch belasse es bei Betroffenheitsbekundungen. "Ich glaube, Herr Woelki ist einer von denen, die denken, ihre Kirche ist von Gott bestimmt, es geht einfach nicht, dass die Kirche böse handeln könnte", vermutet der Journalist. Diese Sichtweise zu überwinden, dauere allerdings sehr lange. "Die Realisten und die empathischen Bischöfe müssen stärker auf die verkopften, defensiven, pikierten einwirken", fordert Scally.

Viel Macht in wenigen Händen

In seinem Buch kommt Derek Scally zu dem Schluss, dass es zu dem Machtmissbrauch, Kindesmissbrauch und Vertrauensmissbrauch kommen konnte, "weil die Kirche ein Teil der Gesellschaft ist." Wenn man die Kirche, die Bischöfe oder die Priester in eine Ecke stelle, "so wie Sündenböcke, ja, die sind ganz böse", dann wolle man sich das eigene Leben einfach machen. Es gehe darum, welche Gesellschaft es zulasse, dass so viel Macht in so wenige Hände kommt.
"Diese Frage habe ich eigentlich aus Deutschland gelernt, nachhaltige Aufarbeitung", sagt Scally. Also nicht von "den" Nazis, "der" SED oder "der" Stasi zu sprechen. Es gehe darum, zu begreifen, "die waren auch deutsche Staatsbürger und Bischöfe und Priester in Irland, die Kinder missbrauchen, waren auch irische Staatsbürger."
In Deutschland sei man in Bezug auf die Kirche jedoch noch nicht an diesem Punkt. Woelki und andere Bischöfe würden noch nicht merken, dass sie hier nicht die Opfer sind. "Das muss Klick in ihren Köpfen und ihren Herzen machen, erst wenn das passiert, kann man weitergehen", sagt Scally.
(cwu)
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