Bischof zur Arabienreise des Papstes

"Die Gläubigen vibrieren dem Besuch förmlich entgegen"

Papst Franziskus während seiner wöchentlichen Audienz auf dem Petersplatz in Rom.
Papst Franziskus reist in die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Christen dort genössen eine "respektable Freiheit", meint Bischof Paul Hinder. © Getty Images / Giulio Origlia
Paul Hinder im Gespräch mit Ute Welty |
Zum ersten Mal überhaupt reist morgen ein Papst in die Vereinigten Arabischen Emirate. "Ein historisches Ereignis", sagt Bischof Paul Hinder. Christen gibt es dort mehr, als man erwartet: Denn viele Arbeitsmigranten sind christlich.
Ute Welty: Die letzten Vorbereitungen laufen für eine Papstreise, die morgen beginnt und die ein außergewöhnliches Ziel hat: Zum ersten Mal überhaupt reist ein Oberhaupt der katholischen Kirche in die Vereinigten Arabischen Emirate und betritt damit muslimischen heiligen Boden. Mehr als 96 Prozent der Staatsbürger der Emirate bekennen sich zum Islam, christlichen Glaubens sind vor allem die vielen Arbeitsmigranten, und die machen immerhin rund 80 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. So wundert es dann nicht, dass es einen apostolischen Vikar für das südliche Arabien gibt, und das ist Bischof Paul Hinder. Ich habe Seine Exzellenz gefragt, was für ihn dieser Papstbesuch bedeutet.
Paul Hinder: Es sind zwei Gefühle. Eins ist natürlich der Stress, denn wir hatten extrem wenig Zeit, den Besuch vorzubereiten. Auf der anderen Seite bin ich natürlich glücklich. Es ist ja ein einzigartiges Erlebnis und ja, man kann schon sagen, ein historisches Ereignis. Vor allem die Gläubigen, die erwarten den Papst da mit großer Freude, die vibrieren dem Besuch förmlich entgegen.

"Alle sind sehr enthusiastisch"

Welty: Anlass für diese historische Reise, Sie haben es gerade gesagt, ist eine interreligiöse Begegnung mit dem Titel "Human Fraternity". Was steht dahinter?
Hinder: Ich könnte jetzt sagen, der kommt nicht unseretwegen, sondern wegen dieses Anlasses, und das hat auch zu tun mit seiner speziellen Beziehung, mit dem Groß-Imam von Ägypten, dem früheren Rektor der Al-Azhar-Universität. Ich kenne die Details nicht, dieses Ereignisses, also wir werden sehen, was der Papst dann bei diesem Anlass sagt.
Bischof Paul Hinder
Bischof Paul Hinder ist als apostolischer Vikar für das südliche Arabien zuständig.© Deutschlandradio / Nils Heider
Welty: Die Vereinigten Arabischen Emiraten haben eine recht ungewöhnliche Bevölkerungsstruktur mit einem extrem hohen Ausländeranteil. Sie als gebürtiger Schweizer gehören ja auch dazu. Wie sehr insgesamt nehmen die Menschen Anteil an diesem Besuch?
Hinder: Generell, was ich gesehen habe, sind alle sehr enthusiastisch, auch und gerade die Einheimischen. Die Regierung tut alles, um den Besuch gut zu gestalten und zu einem Erfolg zu machen. Sie haben natürlich auch das Anliegen, dass das Bild der Vereinigten Arabischen Emirate ja nicht getrübt wird durch irgendwelche Fehler. Davon profitieren wir jetzt auch, die sind also großzügig in der ganzen Vorbereitung, und die Infrastruktur, die logistischen Probleme, die werden weitestgehend von der Regierung in die Hand genommen und gelöst. Das entlastet uns natürlich kräftemäßig und vor allem auch finanziell, sonst hätten wir große Schwierigkeiten mit diesem Besuch.

Auch aus dem Jemen kommen Gläubige

Welty: Welche Möglichkeiten wird es geben, dem Papst zu begegnen? Allein aus Oman und Jemen werden ja etwa 120.000 Gläubige erwartet.
Hinder: Die Gläubigen kommen in erster Linie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Aus Jemen erwarte ich nur eine kleine Gruppe, aber das ist an sich schon ein Ereignis, dass es möglich ist, dass einige wenige in dieser Situation das machen können. Ich bin sehr dankbar, dass das möglich wird.
Welty: Und welche Möglichkeiten gibt es, dem Papst zu begegnen?
Hinder: Dem Papst zu begegnen, die sind minim, also selbst für mich als Bischof.
Welty: Das heißt, Sie werden Franziskus vielleicht gar nicht sehen?
Hinder: Ja, sehen schon. Sehen schon und sicher auch die Hand drücken, das ist kein Problem, aber ich werde ihn kaum persönlich jetzt in einem individuellen Gespräch erleben können – vermutlich, ich werde noch sehen. Aber so, wie das Programm jetzt strukturiert ist, bin ich zwar ständig mit dabei, aber Sie wissen ja, wie das ist bei diesen offiziellen protokollarischen Anlässen: Da gibt es nur geringste Möglichkeit, wirklich in ein intensiveres Gespräch zu treten.
Welty: Franziskus legt normalerweise sehr viel Wert darauf, auch mit Menschen - sozial Benachteiligten und so weiter - zu sprechen. Soweit ich das Programm kenne, ist das jetzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht vorgesehen.
Hinder: Ja, es gibt nur einen ganz kurzen Moment, wenn er den sogenannten privaten Besuch in der Kathedrale macht. Da haben wir arrangiert, dass einige behinderte und ältere Personen mit dabei sein können, aber er wird also nur einige Minuten da sein. Aber wenigstens ist das so ein Moment, wo er – übrigens ohne die Massenmedien – kurz einigen Leuten begegnen wird.

"Das innerkirchliche Leben floriert"

Welty: Wie muss ich mir christliches Leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten vorstellen, wie gut oder wie schlecht funktioniert der Dialog mit dem Islam?
Hinder: Also zunächst, das innerkirchliche Leben, das ist eigentlich florierend, vor allem wenn man das vergleicht mit der Situation in Europa. Jetzt, was den Dialog anbetrifft, da muss man einfach die Grenzen sehen unserer Leute. Die leben in ihrer speziellen Arbeitswelt und haben natürlich schon im Alltag etwas Kontakt mit den Muslimen, auch unter den Arbeitskollegen – eine Pakistani, die Bangladeschi und so weiter. Diese Leute sind ja meistens auch Muslime. Und was läuft auf der offiziellen Ebene von solchen Anlässen – jetzt dieser interreligiöse Dialog am Montag vor allem oder Sonntag und Montag – und bei anderen Gelegenheiten, das hat seinen eigenen Wert, aber man muss einfach die Grenzen auch sehen dieser Großanlässe, bei denen sicher schöne Worte fallen, aber wo dann die eigentliche Vertiefung manchmal zu wünschen übrig lässt.
Welty: Wir erleben vielerorts eine Verhärtung der Fronten zwischen den Religionen – im Nachbarland Saudi-Arabien beispielsweise ist die Ausübung des Christentums verboten. Haben die Emirate das Potenzial, auch mit diesem Papstbesuch die Verhärtung ein Stück weit aufzubrechen?
Hinder: Hier in den Vereinigten Arabischen Emiraten wie auch in anderen Ländern der Region gibt es doch eine respektable Freiheit und Öffnung, was die Freiheit, die Religion auszuüben, bedeutet. Saudi-Arabien, wie Sie eben erwähnt haben, ist ein spezieller Fall. Wie weit das denn Auswirkungen haben wird auch auf das Königreich von Saudi-Arabien, werden wir sehen. Ich bin da kein Prophet.

"Das Verhältnis ist besser geworden"

Welty: Sie leben ja seit mehr als 15 Jahren in der Region – wie hat sich Ihr Blick auf diesen Austausch denn verändert in dieser Zeit? Sind Sie selber härter oder weicher geworden?
Hinder: Das Verhältnis, habe ich den Eindruck, ist besser geworden generell, und ich selber fühle mich heute im Kontakt freier als am Anfang, wie ich hier war, wo ich eine viel größere Unsicherheit auch in mir selber gespürt habe. Das ist eigentlich weggegangen, und ich habe heute keine Schwierigkeiten mehr, mit den Emiren oder wer immer das ist in einem gewissen freien Kontakt zu reden. Das wächst einem ein Stück weit zu, wenn man länger hier lebt und einige Grundregeln beachtet, wie die Kontakte hier laufen. Man muss immer sich vor Augen halten, wir leben hier in Monarchien, und die persönlichen Beziehungen spielen eine viel größere Rolle noch als in anderen gesellschaftlichen Systemen.
Welty: Ist also gegenseitiges Verständnis der Schlüssel zum Erfolg, der Schlüssel zu mehr Verständigung?
Hinder: Ja, gegenseitiges Verständnis und ich würde sagen, gegenseitiges Wissen. Ich denke, eine der Schwächen – übrigens nicht nur hier, ich denke, das gilt auch für Europa –, dass wir sehr oft wenig wissen über das, was der oder die andere glaubt. Ich habe das selber in meinem Leben erfahren, dass mir das zum Glück etwas zugewachsen ist aufgrund der Umstände, dass ich mich vertiefen musste auch in die Denk- und Glaubensweise, ich sage jetzt in diesem Fall des Islam. Und das hilft schon für ein besseres Verständnis und vor allem zu differenzieren, dass wir nicht alles in denselben Bottich werfen, weil die Gefahr besteht ja, dass wir aufgrund gewisser Vorkommnisse dann verallgemeinern, das ist ja geschehen, gerade im Umfeld des Terrorismus, dass das dann generalisiert wird in einer Weise, die eigentlich nicht zulässig ist, obwohl man auch diesen Aspekt natürlich nicht verharmlosen darf. Das sind existente Gefahren, die nun einmal existieren, auch im Islam wie in anderen fundamentalistischen Bewegungen anderswo.
Welty: Nicht Lawrence, aber Bischof von Arabien, so wird Paul Hinder gern bezeichnet. Sein offizieller Titel lautet apostolischer Vikar für das südliche Arabien, und wir haben gesprochen anlässlich des Papstbesuches ab morgen in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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