"Bis es siegt oder mit wehender Fahne untergeht"

Von Bernd Ulrich |
Am 17. Dezember 1939 sank in der Mündung des Rio de la Plata das deutsche Panzerschiff "Admiral Graf Spee". Kapitän zur See Hans Wilhelm Langsdorff sah das Schiff und seine Besatzung zuvor in einer aussichtslosen Lage - und wählte die unausweichlich "heldenhafte" Alternative.
"Auf Befehl des Reichspräsidenten taufe ich Dich Admiral Graf Spee!"

Huberta Gräfin Spee – Tochter des Namensgebers – taufte an diesem 30. Juni 1934 einen neuen Panzerkreuzer. Das Schiff war artilleristisch schnelleren Gegnern überlegen und konnte zugleich stärkeren Gegnern einfach davonlaufen. "Pocket battleship" - Westentaschen Schlachtschiff – so nannten es die Briten.
Der Name des Panzerkreuzers aber - Admiral Graf Spee - sollte für Besatzung und Schiffsführung eine Verpflichtung sein. Der Taufredner, der damalige Chef der Marineleitung, Admiral Erich Raeder:

"In guten und in trüben Tagen, in Sturm und Wetter, in Kampf und Not – stets sei eingedenk des Vermächtnisses von Falkland, ein Streiter und ein Hüter zu sein für des Vaterlandes Größe und die Ehre seiner Flagge."

Bei den Falklandinseln war Graf Spee im Dezember 1914 mit seiner Flotte "einer überlegenen britischen Seestreitmacht erlegen". Mit wehender Fahne ging er unter und starb gemeinsam mit 2200 Seemännern, darunter seinen zwei Söhnen, den geforderten Heldentod. Und Raeder wusste auch, was die Todgeweihten damals umtrieb:

"Mit dem letzten Atemzuge des Vaterlandes gedenkend, wussten diese deutschen Männer zu handeln und zu sterben, wie das Gesetz es befahl, das ehern in ihr Soldatenherz eingegraben war."

In der deutschen Marine wurde die Erinnerung an Spee besonders gepflegt. Dies vor allem, nachdem 1918 die Novemberrevolution von den Mannschaften der Hochseeflotte ausgegangen war. Seither hing der Marine das Odium des Verrats an - sie war eben nicht mit wehender Fahne untergegangen.
Nie wieder durfte so etwas vorkommen. In solchem Geiste war die deutsche Marine erzogen und dem neuen "Volkskanzler" Adolf Hitler, so Raeder, "zugeführt" worden. Dies muss wissen, wer ermessen will, was der dritte und letzte Kommandant des neuen Panzerkreuzers getan hat.
Kapitän zur See Hans Wilhelm Langsdorff, Jahrgang 1894, hatte die "Graf Spee" und rund 1000 Mann Besatzung kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs in den Südatlantik geführt. Nach der Versenkung von neun britischen Handelsschiffen befand er sich auf dem Heimweg, als er am 13. Dezember 1939 vor der Mündung des Rio de la Plata in eine britische Kreuzergruppe hineinlief. Die Graf Spee konnte den britischen Schiffen zwar schwere Treffer beibringen, brach aber das Gefecht ab und lief mit Beschädigungen, 36 Toten und etlichen Verwundeten in den Hafen von Montevideo ein. Langsdorff entschloss sich, nach Rücksprache mit der Seekriegsleitung in Berlin und deren nicht eindeutiger Order, am 17. Dezember das Schiff in der Mündung des Rio de la Plata mit der noch verbliebenen Munition zu sprengen. Vor der Besatzung betonte er:

"Ich werde uns nicht von einer Übermacht in Stücke schießen lassen. Für mich sind tausend junge Männer lebend mehr wert als tausend tote Helden."
Die später im nazifreundlichen Argentinien internierte Besatzung dankte es ihm. Der Artillerie-Mechaniker Waldemar Pawelsky:

"Der Kommandant hat tausend Menschen das Leben gerettet. Er hätte auch bis zum letzten Mann kämpfen können. Und dann hat er sich eben gesagt, nicht wahr, es ist Wahnsinn, denn die Engländer hatten ja schon alles vor dem Hafen vor Montevideo zusammengezogen."

Am Morgen des 20. Dezember wurde Langsdorff, in Uniform auf der Reichskriegsflagge liegend, tot aufgefunden. Er hatte sich mit seiner Dienstpistole erschossen – so wollte er seine Ehre und die der Flagge retten.
Doch der Verlust des modernen Schiffes und die Art seines Untergangs wurden ihm nicht verziehen. Am 22. Dezember 1939 verkündete Raeder, mittlerweile Chef der Seekriegsleitung, in einem Geheim-Erlass:

"Das deutsche Kriegsschiff kämpft unter vollem Einsatz seiner Besatzung bis zur letzten Granate, bis es siegt oder mit wehender Fahne untergeht."

Daran hielten sich künftig fast alle Kommandanten der Marine. In der Forschung wurde dies zu Recht als eine amtliche und verbindliche Anweisung zum Selbstmord bezeichnet. Hitler indessen hat noch in seinem politischen Testament den fanatischen Einsatz- und Durchhaltwillen der Kriegsmarine gerühmt. Auch deshalb bestimmte er den ihm treu ergebenen Großadmiral Karl Dönitz zu seinem Nachfolger.