Bis an die Grenzen der Meinungsfreiheit

Von Jürgen König · 05.03.2013
Was darf die Satire? Was muss sie dürfen? Darüber wurde jetzt in der Akademie der Künste debattiert. Für den Akademie-Präsidenten Klaus Staeck gibt es eine Grundregel, "die Satire verteidigt immer die Schwachen gegen den Übermut der Starken".
Es war der Abend des Kurt Westergaard. Der aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen konnte und doch sehr präsent war; in einer Videobotschaft hielt er mit freundlicher Ruhe ein Plädoyer für die Meinungs- und Kunstfreiheit; über seine Karikatur von 2005 - der Prophet Mohammed mit einer Bombe als Turban - sagte er:

"Ich wollte mit meiner Zeichnung darstellen, dass eine Religion Extremisten hat, die Teile ihrer Heiligen Schrift als geistige Munition und als Sprengstoff für Mord und Zerstörung brauchen oder missbrauchen. Die Zeichnung war richtig. Jetzt will man mich umbringen, aber ich gedenke zu überleben, in Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst der dänischen Polizei ein nahezu normales Leben zu leben."

Dieses "normale Leben" beschrieb Akademiepräsident Klaus Staeck, in dem er von den Vorbereitungen des Besuchs von Kurt Westergaard in der Berliner Akademie der Künste erzählte.

"Alles war vorbereitet, das Bundeskriminalamt hat uns betreut auf eine, ja: sehr freundliche Weise; es wäre allerdings etwas längerfristig geworden, bis wir hier reingekommen wären mit den Schleusen, und die Spürhunde hätten vorher da sein müssen; er wäre gekommen mit drei dänischen Sicherheitsbeamten in einem gepanzerten Auto; wir hatten ein anonymes Hotel ausgemacht- und da sind wir eigentlich beim Thema."

Und dieses Thema heißt für Klaus Staeck:

"Ich glaube, wir sind als Akademie verpflichtet, Leute, die von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen und durch wen auch immer bedroht werden - das sind nicht immer nur die christlichen und die muslimischen Fundamentalisten, es gibt ganz andere Bedrohungen auch - dass wir sie verteidigen.

Wenn wir es nicht tun, wer sollte das eigentlich machen - jedenfalls als eine Institution? Die dann auch Gefahr läuft, dass sie Risiken eingeht: Das Bundeskriminalamt hatte uns darauf hingewiesen, dass, wenn er gekommen wäre, er in der Gefahrenstufe Eins eingestuft wird, das entspricht so etwa dem israelischen Staatspräsidenten."

Es wurde auch der Abend des Klaus Staeck. Der verhinderte, dass das Erzählen von der eigenen Arbeit ins allzu Anekdotenselige abrutschte, indem er wieder und wieder auf die "Bedrängnis" hinwies, in der Kurt Westergaard und seine Frau sich doch befänden, mit welcher Gelassenheit er seine Situation ertrage und wie ermutigend es doch sei, dass da einer - allen Widrigkeiten zum Trotz -, "seine Arbeit" mache und immer wieder darauf hinweise, dass es nicht hinzunehmen sei, das freie Wort unterdrückt zu sehen, die Demokratie lebe davon; die "Selbstzensur" vieler Künstler - auch der Medien, die etwa die Mohammedkarikaturen aus Angst nicht abgedruckt hatten -, sei ein Problem.

Martin Sonntag von der Kasseler Galerie für komische Kunst, "caricatura", hat eine Veränderung beobachtet: Auch Christen würden angesichts etwa von Jesuskarikaturen inzwischen wesentlich öfter mit ihren "verletzten religiösen Gefühlen" argumentieren als früher.

"Wir kriegen ja oft Beschwerden über irgendwelche Karikaturen, die zu frauenfeindlich, zu behindertenfeindlich, zu irgendwas-feindlich sind - die können wir aber nicht alle abhängen, weil dann hängt irgendwann nix mehr an der Wand, das geht ja auch nicht ... Diese Beschwerden, wenn es um Cartoons im Bereich Kirche und Religion ging, waren immer von einer Betroffenheit getragen, und wir haben mit den Leuten auch immer geredet - seit 2006 ist es jetzt aber so: wenn man eine Karikaturen zum Thema Kirche und Religion hat, ist der erste Satz, den wir jetzt gehört haben, immer: 'Ich fühle mich in meinen religiösen Gefühlen verletzt!'

Der zweite Satz ist: 'Mit Mohammed traut ihr euch das nicht! Die würden euch mal schön die Bude einrennen ...' Daraus folgere ich: eigentlich ist die christliche Welt, also der fundamentalistische Teil dieser christlichen Welt - die sind so richtig neidisch, die wollen eigentlich auch einen Dschihad haben, die wollen auch mal so richtig ... das ist so meine Erfahrung aus dem letzten Sommer eigentlich ..."

Gibt es eine Grenze, was Satire darf und was nicht? Eine "rote Linie" gäbe es nicht, so die allgemeine Meinung: Jeder Einzelfall sei anders und müsse einzeln betrachtet werden. Die Grenzen der Toleranz seien schon auszutesten, aber: die Verantwortung sei zu wahren. Eine Provokation um der Provokation willen - das nicht. Immer müsse ein Anliegen spürbar werden, ein "Eintreten für die Schwachen". Klaus Staeck:

"Es gibt vor allen Dingen eine Grundregel, die für mich immer auch ganz wichtig war: die Satire verteidigt immer die Schwachen gegen den Übermut der Starken. Nie umgekehrt. Man kann nicht einfach eine Bösartigkeit als Satire ausgeben und sagen: ist doch Meinungsfreiheit. Da gibt es schon doch ziemlich klare Grenzen."

Heißt, die Schwachen zu schützen, zum Beispiel keine Witze über Behinderte zu machen?

"Wir haben bei uns in der Galerie ganz oft die Situation, dass es so eine Gutmenschen-, Stellvertreterdiskussion gibt, wo Leute reinkommen und sagen:

'Dieser Witz ist behindertenfeindlich, oh Gott, den müsst ihr abhängen, das ist ganz schlimm!'

Gleichzeitig aber haben wir ganz viele Behinderte als Stammgäste, die sagen: 'Nein, zeigt Witze über Behinderte, weil sonst wären wir ausgegrenzt. Wir wollen auf dem Feld der Komik und des Humors auch mit dabei sein.'"

Ein großer Abend der Berliner Akademie der Künste. Dass die gesamte Akademie bei der Einladung Kurt Westergaards hinter ihm gestanden habe, das, sagte Klaus Staeck, mache ihn stolz.

Und dann kommt man hinaus und sieht, obwohl Kurt Westergaard doch gar nicht da war, viele Polizisten.

Link zum Thema:

47. Akademie-Gespräch "Satire ist kein Himbeerwasser"
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