Birthler-Behörde will nicht ins Bundesarchiv
Nach dem Willen von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sollen die Stasi-Akten, die derzeitig von der sogenannten Birthler-Behörde verwaltet werden, mittelfristig ins Bundesarchiv wandern. Die Behörde soll ihre Bildungstätigkeit einstellen und sich auf die Erschließung und Auswertung der Stasi-Akten konzentrieren. Den Bildungsauftrag ihrer Behörde in Frage zu stellen, hält Marianne Birthler für verhängnisvoll.
Auch Marianne Birthler ist sich natürlich bewusst, dass ihre Behörde nicht für die Ewigkeit konzipiert wurde, aber die Absicht des Kulturstaatsministers, die Stasi-Unterlagen mittelfristig dem Bundesarchiv zu überantworten, beurteilt sie doch sehr skeptisch. Vor 2019 daran zu denken, sei völlig indiskutabel, sagt Marianne Birthler und sie begründet dies mit den völlig unterschiedlichen Grundsätzen, denen das allgemeine Archivrecht einerseits und die Stasi-Unterlagenbehörde andererseits gesetzlich verpflichtet sind. Das Stasi-Unterlagengesetz basiere aus verfassungsrechtlichen Gründen auf einem Verwendungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt, die Archivgesetze des Bundes und der Länder hingegen gingen von der generellen Nutzungsmöglichkeit der Unterlagen – mit bestimmten Ausnahmen – aus:
„Stasi-Unterlagen sind ein Sonderbestand, für den der Gesetzgeber aus gutem Grund gesonderte rechtliche Normen festgelegt hat. Der Grund dafür ist vor allem der besondere Charakter der Unterlagen, die zu einem erheblichen Teil menschenrechtswidrig erhoben wurden.“
Die rechtlichen Konsequenzen, die zum Teil gravierenden Folgen für die DDR-Aufarbeitung, sind nach Ansicht der Behörden-Chefin noch nicht hinreichend geklärt. Eine Übernahme der Stasi-Unterlagen durch das Bundesarchiv könne zu Lasten der behörden-internen Forscher und Wissenschaftler gehen, ohne gleichzeitig externen Kollegen den Zugang zu erleichtern. Auch die Absicht, jene Akten, die zur Zeit bei den Außenstellen der Stasi-Unterlagenbehörde lagern, den Landesarchiven zu überlassen, stößt auf große Skepsis:
„Eine solche Verlagerung von Teilen der Bestände auf die Landesarchive würde auch bedeuten, dass ein weltweit einmaliger Bestand auseinandergerissen würde, was bei der Natur dieser Unterlagen, die ja die Hinterlassenschaften eines stark zentralistischen Apparates waren, besonders gravierende Folgen hätte.“
Für die Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde kommt es bei allen möglichen Veränderungen auch darauf an, die internationale Vorbildfunktion des deutschen Umgangs mit den Geheimdienst-Akten eines repressiven Regimes nicht aus den Augen zu verlieren. Sie selbst erfahre bei Gesprächen in den neuen EU-Staaten Mittel- und Osteuropas immer wieder:
„Dass man im Ausland, wo ja der Streit um die Frage, soll man überhaupt aufarbeiten, braucht man dafür überhaupt Geheimdienstakten, wo der heftig im Gange ist und wo zum Teil auch die kleinen, schwachen Aufarbeitungs-Lobbys mit dem Rücken zur Wand stehen. Dass man dort sehr genau registriert, was die Deutschen an diesem Punkt machen und ein Abbau einer international bekannten Institution wäre dann auch möglicherweise für viele ein fatales Signal, was eine ungute Wirkung hervorrufen würde.“
Das Konzept des Kulturstaatsministers zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit regt Marianne Birthler noch an anderer Stelle zu kritischen Anmerkungen an. Den Bildungsauftrag ihrer Behörde in Frage zu stellen, hält sie für verhängnisvoll. Und die Ausführungen zum Thema „DDR-Alltag“ greifen ihrer Ansicht nach zu kurz, weil sie zu ausschließlich auf das „Angst-Anpassungssyndrom des Alltags“ abstellten. Es gehe nicht nur um Unterdrückung, Ausgrenzung und Verfolgung, sondern auch darum, Opposition und Widerstand, Anpassung und Opportunismus aufzuzeigen:
„Also, die alltägliche Münze von Unterdrückung, Bevormundung usw. sind, glaube ich, mindestens so wichtige Aspekte wie der brutale Repressionsseite. Wenn man die Menschen erreichen will, muss man auch über den alltäglichen Raub an Freiheit und Demokratie sprechen, sonst passiert das, was ich manchmal schon erlebt hab in der Diskussion mit Jugendlichen: Die sind sichtbar beeindruckt, wenn sie hören, wie Menschen inhaftiert worden sind, wie sie psychisch gefoltert worden sind, wie sie aus dem Land getrieben worden sind. Aber dann kann es ganz leicht passieren, dass sie sagen, das ist wirklich schrecklich, aber wenn man sozusagen als Normalbürger gelebt hat, dann war das Leben ja eigentlich ganz prima. Und dem müssen wir zuvorkommen.“
„Stasi-Unterlagen sind ein Sonderbestand, für den der Gesetzgeber aus gutem Grund gesonderte rechtliche Normen festgelegt hat. Der Grund dafür ist vor allem der besondere Charakter der Unterlagen, die zu einem erheblichen Teil menschenrechtswidrig erhoben wurden.“
Die rechtlichen Konsequenzen, die zum Teil gravierenden Folgen für die DDR-Aufarbeitung, sind nach Ansicht der Behörden-Chefin noch nicht hinreichend geklärt. Eine Übernahme der Stasi-Unterlagen durch das Bundesarchiv könne zu Lasten der behörden-internen Forscher und Wissenschaftler gehen, ohne gleichzeitig externen Kollegen den Zugang zu erleichtern. Auch die Absicht, jene Akten, die zur Zeit bei den Außenstellen der Stasi-Unterlagenbehörde lagern, den Landesarchiven zu überlassen, stößt auf große Skepsis:
„Eine solche Verlagerung von Teilen der Bestände auf die Landesarchive würde auch bedeuten, dass ein weltweit einmaliger Bestand auseinandergerissen würde, was bei der Natur dieser Unterlagen, die ja die Hinterlassenschaften eines stark zentralistischen Apparates waren, besonders gravierende Folgen hätte.“
Für die Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde kommt es bei allen möglichen Veränderungen auch darauf an, die internationale Vorbildfunktion des deutschen Umgangs mit den Geheimdienst-Akten eines repressiven Regimes nicht aus den Augen zu verlieren. Sie selbst erfahre bei Gesprächen in den neuen EU-Staaten Mittel- und Osteuropas immer wieder:
„Dass man im Ausland, wo ja der Streit um die Frage, soll man überhaupt aufarbeiten, braucht man dafür überhaupt Geheimdienstakten, wo der heftig im Gange ist und wo zum Teil auch die kleinen, schwachen Aufarbeitungs-Lobbys mit dem Rücken zur Wand stehen. Dass man dort sehr genau registriert, was die Deutschen an diesem Punkt machen und ein Abbau einer international bekannten Institution wäre dann auch möglicherweise für viele ein fatales Signal, was eine ungute Wirkung hervorrufen würde.“
Das Konzept des Kulturstaatsministers zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit regt Marianne Birthler noch an anderer Stelle zu kritischen Anmerkungen an. Den Bildungsauftrag ihrer Behörde in Frage zu stellen, hält sie für verhängnisvoll. Und die Ausführungen zum Thema „DDR-Alltag“ greifen ihrer Ansicht nach zu kurz, weil sie zu ausschließlich auf das „Angst-Anpassungssyndrom des Alltags“ abstellten. Es gehe nicht nur um Unterdrückung, Ausgrenzung und Verfolgung, sondern auch darum, Opposition und Widerstand, Anpassung und Opportunismus aufzuzeigen:
„Also, die alltägliche Münze von Unterdrückung, Bevormundung usw. sind, glaube ich, mindestens so wichtige Aspekte wie der brutale Repressionsseite. Wenn man die Menschen erreichen will, muss man auch über den alltäglichen Raub an Freiheit und Demokratie sprechen, sonst passiert das, was ich manchmal schon erlebt hab in der Diskussion mit Jugendlichen: Die sind sichtbar beeindruckt, wenn sie hören, wie Menschen inhaftiert worden sind, wie sie psychisch gefoltert worden sind, wie sie aus dem Land getrieben worden sind. Aber dann kann es ganz leicht passieren, dass sie sagen, das ist wirklich schrecklich, aber wenn man sozusagen als Normalbürger gelebt hat, dann war das Leben ja eigentlich ganz prima. Und dem müssen wir zuvorkommen.“