Birkenwald auf Deck 12

Von Axel Schröder · 16.03.2013
Die Osterferien stehen vor der Tür, die Urlaubsziele sind ausgewählt. Die einen bleiben zu Hause, die anderen wollen in die Sonne, die Berge, ans Meer. Doch immer mehr Deutsche entscheiden sich für eine Kreuzfahrt. Auf immer größeren Schiffen mit immer größerem Komfort: Die Branche boomt.
Martina Reuter ist Überzeugungstäterin, ein Vollprofi. Im engen Kleid führt sie von einer Sensation zur anderen. Begeisterung im Blick:

"Das Schiff hat insgesamt 14 Decks. Wir haben 1097 Kabinen an Bord. Das sind alles Details, die finden sie auch in ihren Unterlagen. Hier befinden wir uns jetzt auf Deck 9. Und was sie hier jetzt sehen, ist ein wesentliches aller AIDA-Schiffe, die seit 2007 gebaut worden sind: das Theatrium."

Und dieses Theatrium erstreckt sich über drei Decks, eine rundgeschnittene Halle. Martina Reuter ist Pressesprecherin bei AIDA-Cruises. Sie zeigt die im Boden versenkbare Bühne, die gut gepolsterten hellen Sitzbänken ringsherum. Durch die Panoramascheiben fällt der Blick auf den wolkenverhangenen schwarzen Abendhimmel. Das Schiff verlässt den Hafen von Emden, startet zur kleinen Reise über Nordsee und Elbe nach Hamburg.

Reuter: "Ich würde jetzt gerne mit Ihnen hochgehen in unseren Spa-Bereich, in unsere Wellnessoase. Genau. Die ist wirklich sehr schön geworden."

Der Tross setzt sich in Bewegung, teilt sich auf die acht Fahrstühle auf, es geht nach oben, immer hinter Martina Reuter her. Heute Abend wird an Bord die AIDA-Clubnacht gefeiert, eingeladen sind 2.000 Gäste, die treuesten Kreuzfahrtfans. Sie flanieren über die Decks, erkunden das nagelneue 350-Millionen-Euro-Schiff. Alle Räume und Gänge werden beschallt.

Leise Wohlfühlklänge, sogar auf draußen, auf Deck. Anfang der Woche hat es die Papenburger Meyer-Werft feierlich übergeben. Es ist das zehnte Schiff von AIDA-Cruises. Die Firma hat ihren Sitz in Rostock, sie gehört zur US-amerikanischen Carnival Corporation, zum weltgrößten Kreuzfahrtkonzern.

Reuter: "Der gesamte Spa-Bereich, die sogenannte Wellness-Oase erstreckt sich sage und schreibe auf 2.602 Quadratmeter. Hier an Bord haben wir für die Wellness-Oase das Thema Skandinavien gewählt. Und hier - lassen sie sich überraschen - werden wir Birken und Kiefern vorfinden. Sie sehen, es ist alles sehr hell und sehr freundlich ..."

Und die Massagekabinen sind nach dänischen und schwedischen Inseln benannt, referiert Reuter.

Spa-Manager: "Sie gehen hier rein, haben einen neuen Haarschnitt, neue Fingernägel, neue Fußnägel. Und dann gehen sie rüber auf die andere Seite, lassen eine Gesichtsbehandlung machen. Und dann gehen sie eine Etage höher, da kriegen sie eine Ganzkörpermassage und dann gehen sie in die Sauna und dann sind Sie ganz zufrieden."

Bier aus entsalztem Meerwasser
Anderthalb Stunden dauert der Rundgang über das Schiff. Bestaunt wird: eine 400 Meter lange Joggingstrecke, ein amerikanisches Diner, das Restaurant "Bella Donna" und das "Brauhaus": weißblaue Wimpel und Bierbänke, gesäumt von zentimetergenau installierten Ahornbäumen. Der Stamm ist echt, das üppige Blattwerk angeklebtes Plastik. Immerhin: Das Bier ist echt, gebraut an Bord mit entsalztem Meerwasser. Martina Reuter atmet durch, verabschiedet sich.

Zwei Stunden später startet das Abendprogramm im Theatrium: ein junger Mann mit weißer Uniform und Schulterklappen steht auf der Bühne, liefert das nächste Highlight. Vor voll besetzten Rängen präsentiert er - größer, schneller, weiter - die nächste schon im Bau befindliche Schiffsgeneration. Hinter ihm, auf einer riesigen Leinwand wird der Entwurf für das so genannte "Patio-Deck" gezeigt:

Entertainer: "Da geht's los: Wir haben ein bisschen Wasserspiele. Dieser Bereich ist begehbar von den Panoramakabinen. Wir haben da auch Suiten. Und dieser Bereich ist für die Gäste vorbehalten, die diese Panoramakabinen buchen."

Diese Panoramakabinen kosten dann rund 250 Euro pro Tag. Wer eine einfache Außenkabine bucht, muss etwa 150 Euro ausgeben. Noch günstiger sind die Innenkabinen: fensterlose Schuhkartons mit Doppelbett, Dusche und WC für 80 bis 100 Euro. Alle Kabinen werden jeden Morgen von Reinigungskräften aus fernen Ländern in Ordnung gebracht. Und natürlich kann man auch shoppen auf dem Schiff: Ingrid und Manfred Möller aus Hamburg schlendern durch eine Boutique an Bord. Beide Ende fünfzig und begeisterte Kreuzfahrer:

"Man ist jeden Tag woanders. Hat sein Hotel. Muss nicht den Koffer auspacken. Man sieht was von der Welt und ist immer unterwegs."

Wie alle anderen Gäste wurden die Möllers zur ersten Party an Bord eingeladen. Kost und Logis übernimmt AIDA-Cruises, denn immerhin gehören alle Gäste zur AIDA-Club-Kategorie "Grün": Sie alle haben in den letzten fünf Jahren mindestens 100 Tage an Bord verbracht. Zu diesem Kreis gehören auch Astrid John und ihr Mann Wolfgang Schreiter. Ein elegantes Pärchen, 25 Mal waren sie schon auf Kreuzfahrt. Er liegt dann morgens in der Sonne und trainiert nachmittags - drei Stunden pro Tag - im Fitnessraum. Seine Frau geht ihre eigenen Wege:

"Ich suche mir immer irgendwo einen stillen Bereich. Wo nicht gerade die Animation tobt, ist nicht unbedingt so mein Fall. Das heißt, ich gehe meistens ganz vorne aufs Schiff, wo es etwas ruhiger ist, suche mir eine schöne Liege. Und auf den anderen Schiffen gibt es so eine schöne Hemingway-Lounge, wie sie in Ruhe lesen können, wo es ruhig ist. Es findet sich immer ein Plätzchen."

Eine große Gemeinschaft
Wichtig ist den beiden das Prinzip "Club-Schiff": das hat etwas von einer großen Gemeinschaft, schwärmt das Paar. Man komme schnell mit anderen ins Gespräch, lerne Leute kennen, die einem im Alltag nicht begegnen. Deshalb ist Wolfgang Schreiter auch skeptisch, ob ihm das gerade vorgestellte neue Schiff gefallen wird:

"Wir sind ein Clubschiff, das eine Einheit bildet. Und wenn sie jetzt Bereiche bekommen, wie der Moderator es vorgestellt hat, die dann nur zugänglich sind für ganz bestimmte Menschen, dann ist der nächste Schritt: Restaurants, die nur für diese Menschen zugänglich sind. Und dann haben sie wie auf amerikanischen Schiffen eine Drei-Klassen-Gesellschaft. Und das ist das, was wir ablehnen. Dann werden wir auch nicht mehr AIDA fahren. Um das ganz klar mal zu sagen ..."

Und außerdem dürfen auch nicht zu viele Schiffe gebaut werden, so Schreiter. Denn um die zu füllen, müssen die Preise sinken. Und damit die Standards:

"Wir wollen keine Campingplatz-Atmosphäre. Wir wollen eine Upper-Class-Atmosphäre im Clubbereich, wo die Menschen sich verstehen. Wo sie eine einheitliche Erfahrung umsetzen können. Und das ist das Wohlfühlen auf AIDA."

Das Ehepaar schlendert weiter, durch die Parfümerie, vorbei an den Schaufenstern, über den blanken Steinboden. 1,5 Millionen Deutsche waren im letzten Jahr auf den Upper-Class-Schiffen unterwegs. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Der AIDA-Chef Ungerer hat also allen Grund, entspannt zu sein. Er steht am Rand des Theatriums, wippt verhalten im Takt der kleinen Live-Band im Hintergrund:

"Wir haben da im Moment nicht mal zwei Prozent Marktdurchdringung. Wenn man sich die Entwicklung in anderen Ländern wie zum Beispiel den Vereinigten Staaten oder Großbritannien ansieht, dann sieht man, was für große Potenziale Kreuzfahrt in Deutschland auch noch hat."

Ungerer lächelt. Die Geschäfte laufen gut.
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