Biopic über Tove Jansson

Das unkonventionelle Liebesleben der Mumins-Mutter

05:18 Minuten
Die Künstlerin Tove Jansson zeigt auf einem Schwarz-weiß-Foto aus dem Jahr 1956 die von ihr erfundenen Mumins-Figuren.
Übermütig lachend, ungelenk tanzend: Mumins-Erfinderin Tove Jansson genoss das Leben. © picture-alliance / dpa / Reino Loppinen
Von Barbara Behrendt · 22.03.2022
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Sie war Künstlerin, doch ausgerechnet dicke Fabelwesen mit großen Nasen machten sie berühmt: Tove Jansson wird in Finnland als „Mutter der Mumins“ wie eine Nationalheldin verehrt. Nun kommt ein Spielfilm über sie in die Kinos.
Eine blonde junge Frau, Ende 20 vielleicht, sitzt mit schreienden Babys und verängstigten Müttern in einem Luftschutzbunker im Jahr 1944. Während draußen die Bomben einschlagen und die Sirenen heulen, zeichnet sie Blätter, Bäume und Fantasietiere, die ein bisschen an Nilpferde erinnern. Dann stapft sie durch die zerstörten Trümmer Helsinkis und eine Geschichte formt sich in ihrem Kopf:

Es muss irgendwann an einem Nachmittag im August gewesen sein, als Mumin und die Muminmutter den dichtesten Teil des Urwaldes erreichten. Dort war es ganz still und zwischen den Bäumen war es so schummrig, als hätte sich die Dämmerung bereits herabgesenkt.

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Diese Szene zu Beginn des Films legt nah, wie die Regisseurin Zaida Bergroth das Verhältnis zwischen der Künstlerin Tove Jansson und ihren Fabelwesen, den Mumins, verstanden wissen möchte: eine kindliche, heile Schutzwelt, in der Tove bei Bedarf Zuflucht sucht.

Der Vater sieht nur kindliche Krakeleien

Ihr Vater, ein berühmter Bildhauer, sieht das künstlerische Talent seiner Tochter an kindische Krakeleien verschwendet: "DAS ist keine Kunst", sagt er und tippt auf die Mumin-Zeichnung, die Tove gerade mit Tusche bearbeitet.
Kein Wunder also, dass Tove sich auch selbst für ihre Comics schämt und Zeit ihres Lebens nie recht versteht, warum die bekannte Theaterregisseurin Vivica Bandler die Mumins auf die Bühne bringt und die britische Zeitung „Evening News“ einige Jahre später für Erwachsene wöchentlich eine Reihe abdruckt und so weltweit bekannt macht. Sie freut sich über die lang ersehnte finanzielle Sicherheit – fühlt sich als Künstlerin allerdings verkannt.
Doch für die künstlerische Welt der Tove Jansson, ihre Gemälde, ihre Romane und Karikaturen, auch für die dunklen und bedrohlichen Aspekte der Mumin-Geschichten, fernab der heiteren Kinder-Comics – Krieg, Flucht, Weltuntergang – interessiert sich der Film letztlich nur am Rande.

Im Zentrum steht Toves Liebesleben

Im Zentrum des üppig ausgestatteten Biopics steht das unkonventionelle Liebesleben der Mumin-Erfinderin. Der Film porträtiert sie von 1944 bis etwa 1955 und zeigt eine lichte, leichte, abenteuerlustige Liebende, berührend gespielt von Alma Pöysti, die eine Beziehung zum verheirateten linken Politiker Atos Wirtanen eingeht, den sie gleich zu Beginn des Films in der Sauna verführt und ihm ihre Lebenshaltung verrät:

Tove: „In Marokko kann man Apfelsinen direkt von den Bäumen pflücken. Wir gründen dort eine Künstlerkolonie und erschaffen uns unsere eigene Moral. Kommst du mit?“
Atos: „Ich glaube, dass das Fräulein Jansson mich an der Nase herumführt.“
Tove: „Ich glaube, das Leben ist ein wundersames Abenteuer. Man sollte alle seine Wendungen erkunden.“

Ihre große Liebe findet sie aber in Vivica Bandler, mit der sie eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Die schöne Regisseurin führt Tove in die künstlerische Bohème ein und verschafft den Mumins einen ersten Erfolg auf der Theaterbühne – möchte aber nicht auf ihre sexuellen Freiheiten verzichten.
Hier gelingt Zaida Bergroth eine durchaus anrührende Liebesgeschichte zweier Frauen zwischen Selbstfindung als Künstlerinnen und als eigenwillige Persönlichkeiten, die sicherlich zum Erfolg des Films in Finnland und darüber hinaus beigetragen hat.

Zu viele konventionelle Bilder

Doch die unkonventionelle Liebe steckt in viel zu konventionellen Bildern fest: Der Champagner fließt, der Swing erklingt, die Feste rauschen – es wird geraucht, gefeiert, sehnsuchtsvoll geguckt und leidenschaftlich geküsst; man zieht durch Pariser Bars und lebt in kargen Künstler-Dachgeschosswohnungen.
Unterhaltsam und schön anzusehen ist das allemal, doch die vielseitige Künstlerinnen-Biografie Tove Janssons entwischt dann doch etwas zu sehr in eine hollywoodeske Glätte. Am schönsten ist es, wenn im Abspann ein Original-Video von Jansson eingespielt wird: Übermütig lachend und herrlich ungelenk tanzt sie über eine Wiese wie ein hinkender Troll, ein Energiebündel sondergleichen – von dieser wahren Unangepasstheit hätte man im Film gern noch mehr gesehen.

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