Biografie

Halb Prinz, halb Mensch

Prinz Max von Baden sitzt in Uniform auf einem Lehnstuhl
Prinz Max von Baden (1867-1929) © picture-alliance / dpa
Von Klaus Pokatzky · 02.01.2014
Mit "Prinz Max von Baden" schließt der Historiker Lothar Machtan eine Lücke. Wenig Literatur gibt es bisher über den umstrittenen Aristokraten - den sein Biograf als schutzbedürftig und zerrissen beschreibt.
Man nannte ihn despektierlich den "Bademax" – oder auch den "diplomatischen General", was damals auch nicht besonders liebevoll war. Am Anfang, am 10. Juli 1867, stand seine Geburt in eines der regierenden deutschen Herrscherhäuser, mit einer Mutter aus dem russischen Zarengeschlecht: Am Ende, am 6. November 1929, starb er als eine der besonders umstrittenen politischen Persönlichkeiten seiner Zeit. Dazwischen lag ein Leben, in dem er "halb Prinz, halb Mensch" sein wollte, wie sein Biograf Lothar Machtan schreibt: Prinz Max von Baden, der letzte Kanzler des wilhelminischen Kaiserreiches, der "etwas aus der Art geschlagene Fürst".
Ein Mann, dessen Namen wir vielleicht im Geschichtsunterricht aufgeschnappt haben. Literatur gibt es kaum über ihn – auch wenn Golo Mann über Max von Baden geschrieben und des Prinzen "Erinnerungen und Dokumente" herausgegeben hat – mit freundlicher Förderung der großherzoglich-badischen Nachkommen. Lothar Machtan füllt also eine Lücke und er macht das weitgehend überzeugend, obwohl ihm fürstliche Freundlichkeit nicht zuteilwurde. Der Nachlass der Familie blieb ihm verschlossen, was ihn heftig grämt. Aber so schlimm nun auch nicht scheint: Der Prinz hat fast so eifrig Briefe geschrieben, die in diversen Archiven erhalten sind, wie heutzutage Leute E-Mails verfassen. An "die mütterliche Freundin" Cosima Wagner etwa, an den "Leibarzt und Freund" Axel Munthe, an befreundete Standesgenossen wie den Fürsten Ernst zu Hohenlohe-Langenburg.
Widerwillen gegen Parlamentarismus
Mithilfe dieser schriftlichen Zeugnisse stellt Lothar Machtan "Max' Image" auf die Probe: "Kein preußischer Militär" zu sein, "sondern süddeutscher Hocharistokrat mit liberalen Avancen, kultivierter und gebildeter Bürgerfürst ohne Berührungsängste". Die Probe besteht Max nicht. Bei aller Bildungsattitüde mit Wagner und Nietzsche, trotz eines Umfelds aus dem liberalen Bürgertum, das ihn am Ende für fünf Wochen in das Amt des Reichskanzlers brachte: Seinen "Wertehimmel" beschreibt Lothar Machtan als "hochadelig autonom". Max äußerte "den allergrößten Widerwillen" gegen den Parlamentarismus, wetterte wider "die Freiheit der Presse – diesen Freibrief der Dummheit und Gemeinheit". Den Krieg wollte er noch mit einem "Ethischen Imperialismus" gewinnen, die deutsche Kampfbereitschaft "durch Versittlichung der deutschen Kriegszielpolitik" steigern – als schon alles verloren war.
Am ersten Novemberwochenende brach er zusammen und musste mit einem Opiumpräparat für 36 Stunden in einen komaähnlichen Tiefschlaf versetzt werden. Da meuterten schon die Matrosen in Kiel, die Novemberrevolution nahm ihren Anfang. Am 9. November verkündete Prinz Max, im Bündnis mit dem sozialdemokratischen Führer Friedrich Ebert, eigenmächtig die Abdankung seines Verwandten Wilhelm II. – weshalb ihn die Hohenzollern-Getreuen bis zum Lebensende hassten. "Faktisch musste er Berlin als politischer Versager, und auch als Verräter seines Kaisers verlassen", schreibt Lothar Machtan. In der Geheimsprache seiner engsten politischen Berater wurde er "Der Wunschlose" genannt. Max war kein Treibender, sondern ein Getriebener – "extrem schutzbedürftig und irgendwie zerrissen".
Ein Mann im Versteck
Als Grund für die Zerrissenheit diagnostiziert sein Biograf Maxens Homosexualität – wobei seine Beschäftigung mit diesem Aspekt gelegentlich obsessive Züge annimmt. Lothar Machtan hat auch schon in einem Buch nachzuweisen versucht, dass Adolf Hitler schwul war. Doch in seiner Max-Biografie präsentiert er – abgesehen von gelegentlich recht ausschweifender Fantasie – überzeugende Belege für des Prinzen "päderastische" Neigungen. Die nicht nur in einer Schwulen-Kartei des Berliner Polizeipräsidenten erfasst waren, sondern auch unter den deutschen, miteinander versippten und verschwägerten Fürstenfamilien so geläufig waren, dass Wilhelm II. sie mit Begriffen wie "Schlappschwanz", "impotent" oder "weibisch" sogar in amtliche Schriftstücke schrieb. So entsteht das Bild eines Mannes, der sich immer wieder neue Männerbeziehungen zulegt und doch, verheiratet, zwei Kinder, für fürstlichen Nachwuchs zu sorgen hat– das Bild eines Mannes im Versteck, mit dem der Leser nur Mitleid bekommen kann.
Auch, wenn dem Buch gelegentlich ein verschlankendes Lektorat nicht geschadet hätte: Lothar Machtan hat pünktlich zum Jubiläum des Ersten Weltkrieges ein lesbares Werk vorgelegt, das nicht nur eine Biografie-Lücke schließt, sondern auch erhellende Einblicke in die letzten Wochen des Krieges bietet.

Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
670 Seiten, 29,95 Euro, E-Book 25,99 Euro

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