Biografie

Ein erstaunliches Lebenswerk

Von Nikolaus Bernau · 03.02.2014
Er gilt als einer der Großen der Architektur im 19. Jahrhundert: Martin Gropius. Endlich liegt nun eine Biografie vor. Arnold Körte - selbst verwandt mit der bürgerlichen Familie Gropius - zeichnet sein Leben und sein Wirken nach und arbeitet seine Bedeutung für Berlin heraus.
Es wird oft behauptet, Berlin habe kein altes Bürgertum, sei auch deswegen kulturell so offen für neue Entwicklungen. Doch wer genauer hinsieht, findet auch in dieser Stadt, wenngleich versteckt, die langen, verschlungenen Familien-Linien alter Reichsstädte. Eine davon ist die der Familie Gropius.
Wenigstens drei Mal hat der Name dieser Familie Kultur- und Kunstgeschichte geschrieben: um 1800, um 1870 und in den 1920ern. Auch das dürfte einen Teil des Interesses an dem schwergewichtigen Band von Arnold Körte über den Architekten Martin Gropius begründen. Körte, selbst Architekt mit Schwerpunkt Bauen in Entwicklungsländern, gehört übrigens verschwippt auch zur Familie Gropius.
So mancher wird Martin mit Carl Wilhelm Gropius verwechseln, dem Begründer des in der Theater-, Kunst- und Stadtgeschichte berühmten Gropius‘schen Dioramas, in dem Karl Friedrich Schinkel um 1810 seine ersten großen Erfolge als Bühnenmaler feierte. Und noch mehr werden Martin für Walter Gropius halten, den Begründer des Bauhauses. Doch Martin Gropius, dessen Großonkel, war einer der Großen der deutschen Architektur des mittleren 19. Jahrhunderts.
Gropius als Architelktur-Hoffnung
Eine Zeit des Umbruchs: 1824, als Gropius in eine überaus bürgerliche Familie hineingeboren wurde – man wohnte in einem der berühmtesten Privathäuser Berlins, der vom Architekten des Brandenburger Tors, Carl Gotthard Langhans, geplanten Villa des Schauspielers und Dramaturgen Iffland – stand Schinkel in der Blüte seiner Kraft. 1880, als Martin Gropius starb, herrschte fast überall die prunkende internationale Neurenaissance das Architekturleben. Nur in Berlin hielt noch die spätklassizistische Schinkelschule das Feld, und Gropius war lange Zeit die Hoffnung derjenigen, die meinten, dass diese auch Reichsarchitektur werden könne.
Kaum verwunderlich, hatte er erst alleine und seit 1866 zusammen mit seinem Partner Heino Schmieden ein erstaunliches Werk vollendet: Mehr als 120 Bauten und Projekte erfasst Arnold Körte in seiner Biografie, von Trinkhallen und Festdekorationen, den Umbau der Singakademie, Schulen, Villen, Guts- und Stadthäusern über Krankenhäuser und Bürobauten bis zu Kirchen und Museen. Gropius & Schmieden war eines der größten privaten Architekturbüros der Zeit, schon das ist ungewöhnlich, führte doch damals noch der Normalweg der Architekten in den Staatsdienst.
Eine bürgerliche Karriere durch und durch, bis hin in das auffällige Interesse an Fürsorge- und Erziehungsinstitutionen. Erfreulich, dass Körte diese sozialgeschichtliche Bedeutung wenigstens anreißt, genau so, wie er die Bauten immer einbettet in ausführliche stadtgeschichtlichen Untersuchungen.
Modernisierer des Klassizismus
Wir erfahren von den Ausbildungsjahren in Berlin und Dresden, dem Aufstieg als Privatarchitekt, der großen Zeit als Architektur- und Kunstgewerbereformer – ohne ihn hätte das Berliner Kunstgewerbemuseum niemals seine weltweite Bedeutung erlangt. Und immer deutlicher wird dabei, warum Gropius als so große Hoffnung galt: Er war als einziger der späten Schinkelschule in der Lage, die strenge Tradition des Klassizismus zu modernisieren.
Als Martin Gropius 1880 starb, war sein Hauptwerk noch nicht vollendet: Das Berliner Kunstgewerbemuseum. Ein damals unerhört prachtvolles Gebäude mit seinem glanzvollen Lichthof. Es war ein erstes Anzeichen dafür, dass in der jungen Reichshauptstadt Berlin anders gebaut werden müsse als in der preußischen Residenz Berlin. Heute ist das Haus als „Martin-Gropius-Bau“ ein international bekanntes Ausstellungszentrum. Gerettet wurde es übrigens der Berliner Lokallegende nach von Walter Gropius, der das Werk seines Großonkels vor dem lokalen Abrissfuror bewahrte.

Arnold Körte: Martin Gropius: Leben und Werk eines Berliner Architekten (1824-1880)
Lukas Verlag, Berlin 2013
590 Seiten, 70 Euro