Bio-Landwirtschaft

Stabilität statt Wachstum

Kühe stehen auf einer Weide.
Kühe stehen auf einer Weide. © Deutschlandradio / Ellen Wilke
Von Imogen Herrad · 21.10.2015
Biobauern bewegen sich auf einem schmalen Grat: Ist der Hof zu klein, ist es für sie schwer, die saisonalen Schwankungen auszugleichen. Ist das Geschäft zu groß, wird es schwer, alles im Griff zu behalten. Biobauer Schmitz hat für sich ein Maß gefunden.
Ein idyllisches Tal im Siebengebirge: sanfte, bewaldete Hügel; grüne Weiden, auf denen schwarzweiße Kühe grasen. Viel Natur, wenig Menschen. Das Dörfchen Hanf in der Nähe von Bonn ist ein beschaulicher Erdenwinkel. Hier, so möchte man meinen, hat sich in hundert Jahren nichts geändert. Der Eindruck bleibt zunächst auch noch bestehen, wenn man mit dem Landwirt und Besitzer der gescheckten Rinder, mit Bernd Schmitz ins Gespräch kommt.
"Wir machen das schon seit, ja, fast sechs Generationen jetzt, seitdem hat die Familie sich hier angesiedelt. Und es war bis jetzt immer möglich, mit viel Engagement, das weiter zu entwickeln, weiterzuleben, weiterzugeben."
"Weiterentwickeln", das ist ein Schlüsselwort für Bernd Schmitz. Seit sechsundzwanzig Jahren führt er den Hanfer Hof; in der Zeit hat sich viel entwickelt: viel verändert. 2004 hat er aus dem Hof einen Biobetrieb gemacht. Seit 2014 baut er für die örtliche Solidarische Landwirtschafts-Gruppe - kurz SoLaWi - Gemüse an.
Eine Kuh pro Hektar
Noch beschränkt sich der Gemüseanbau auf zwei Hektar und ist damit durchaus überschaubar. In der Hauptsache nutzt er seine Fläche als Weide- und Acklerland, erklärt der Bauer:
"Wir haben so knapp 80 Hektar, die wir bewirtschaften. Davon ist aber ein Teil auch Vertragsnaturschutzfläche, also wir machen nicht nur Bioanbau, sondern wir machen auch Naturschutzpflege. Das betrifft sogar 15 Hektar von unserem Betrieb, die dann aber zum Teil auch mit Tieren genutzt werden können, in späteren Verlauf des Jahres; aber im ersten Teil eben nicht. Und mit dieser Fläche kommen wir eigentlich ganz gut hin und haben einen, wie sagt man, niedrigen Viehbesatz von ungefähr einer Großvieheinheit – worunter man sich eine Kuh vorstellen muss, ja. Das auf 10,000 Quadratmeter verteilt; eine Kuh auf 10,000 Quadratmeter, was einem Hektar entspricht."
Damit sind Schmitzens Weiden durchaus dünn besiedelt. Zwei Kühe pro Hektar sind auch für Biohöfe erlaubt; konventionelle Betriebe können sogar bis zu drei Kühen pro Hektar Gründfläche halten. Aber dem stehen außer Schmitzens Credo, dass weniger oft mehr ist, auch ganz praktische Erwägungen gegenüber: die nicht einfachen Bodenverhältnisse im Siebengebirge bescheren ihm unebene Flächen, die sich oft in Hanglage befinden; wenig ergiebige Böden, wo auf felsigem Gestein nur eine dünne Erdschicht aufliegt. Wollte er mehr Kühe halten, müsste er Futter zukaufen, Mist entsorgen.
Und auch die Nähe zu den Tieren gäbe es in dieser Form nicht mehr. Nach dem Ausmisten streut Bernd Schmitz die Ställe für die Kälber mit der Hand ein: von einem großen Rundballen löst er mit der Gabel Stroh ab, schüttet es auf und trägt es, Gabel um Gabel, in die Ställe, von wo ihm die Kälber mit großen Augen zusehen.
"Es ist sehr schön hier, ich wirtschafte hier gerne, ich lebe hier sehr gerne, und möchte da auch weiter den Betrieb stabil führen können. Aber es ist immer wieder eine Herausforderung. weil eben so ein Waldrand Feuchtigkeit mit sich bringt; zum Beispiel bei der Getreideernte, da wird's nicht so schnell trocken. Im Winter lange Schatten, im Frühjahr langsame Bodenerwärmung – das sind alles Nebenbegleiterscheinngen einer wunderschön abwechslungsreichen Landschaft."
1300 Biohöfe in NRW - die meisten mit weniger als 40 Hektar
Mit achzig Hektar zählt Schmitzens Hof zu den größeren landwirtschaftlichen Betrieben in Nordrhein-Westfahlen. Fast die Hälfte aller Bauernhöfe im Bundesland – 47 Prozent – hat eine Größe von zehn bis fünfzig Hektar. Schmitzens Hof zählt zu den 22 Prozent, die zwischen fünfzig und hundert Hektar groß sind; nur neun Prozent der Höfe haben über hundert Hektar. In dieser Statistik sind übrigens konventionelle und Bio-Höfe zusammengefasst. Im Schnitt hat jeder der 1.304 Biohöfe in Nordrhein-Westfahlen eine Nutzfläche von gut vierzig Hektar und ist damit nur halb so groß wie der Betrieb von Bernd Schmitz.
"Und dann hat der Betrieb 16 Hektar, die als Ackerfläche genutzt werden. Und auf diesen Ackerflächen werden Getreidesorten, verschiedene, angebaut. Kleegras wird angebaut, und wir haben seit letztem Jahr zwei Flächen, die mit Gemüse bestellt werden."
Gemüseanbau auf einem modernen Bauernhof ist eher ungewöhnlich. Bis zum vergangenen Jahr hat er sich auch auf dem Hanfer Hof auf einen Garten am Haus beschränkt, wo die Familie für den Eigenbedarf Kartoffeln, Kürbisse und Tomaten angebaut hat. Für den Verkauf Gemüse zu produzieren, ist viel zu unrentabel - jedenfalls, wenn man es auf die konventionelle Art macht. Bauer Bernd Schmitz geht mit der solidarischen Landwirtschaft andere Wege.
'Wir sind eine Gemeinschaft von, ja, 170 Leuten, die sich knapp 140 Einheiten - wie wir sie nennen, Ernteeinheiten - teilen. Und das ist damit eine sehr breite Grundlage, sodass jeder mit einem bisschen, sozusagen, dazu beiträgt, und nicht die Last der Minderernte allein beim Bauern hängen bleibt."
Für den Landwirt liegt der Vorteil auf der Hand: Durch die SoLaWi hat Bernd Schmitz zumindest ein kleines regelmäßiges Einkommen, sodass er nicht mehr gänzlich den gnadenlosen Schwankungen des Marktes unterliegt. Aber auch die Verbraucher profitieren, erzählt Gesa Maschkowski, eine der Gründerinnen der SoLaWi Bonn. Sieben Verteilerstationen unterhält die Gruppe über die Stadt Bonn verteilt.
"Selbst wenn ich im Bioladen einkaufe - es ist was anderes, wenn ich weiß: hier ist meine Ernte; ich kenne die Menschen, die's angebaut haben, die's geerntet haben, die's verteilt haben; ich hab teilweise selber mitgeholfen. Das ist so etwas wundervolles. Auch dieses Gefühl, eigenes Brot in der Hand zu halten, aus unserem Getreide - das kann man gar nicht aufwiegen. '19"
Als Mitglied in einer SoLaWi-Gruoppe wird der moderne Mensch, der meist völlig von der Natur entfremdet ist, stärker in den Naturkreislauf eingebunden und erkennt zum Beispiel auch, dass es bestimmte Gemüse- und Obstsorten nur zu bestimmten Jahreszeiten gibt. Momentan, mitten in der Erntezeit, ist die wöchentliche Gemüsekiste ein wahres Füllhorn, schwärmt Gesa Maschkowski.
"Also, wir haben eben die Kürbisse, die Kartoffeln; es gibt Brot; wir haben Sellerie. Wir haben Mangold gehabt, Zucchini, Möhren, Salate verschiedenster Sorten - Endivie, Asia-Salat... Also, momentan ist - natürlich, jetzt ist Herbst - ein irres Angebot. Auch der Winter ist oft sehr vielseitig. Die knappen Zeiten sind immer im Frühjahr, so April, Mail - wenn die Lagerware alle ist und das Neue noch nicht so richtig da ist. Also man muss sich nicht nur auf saisonale Belieferung einstellen, sondern auch auf unterschiedliche Mengen."
Die knappen Zeiten sind immer im Frühjahr
Das ist nicht immer eine erfreuliche Erkenntnis, aber auch Bernd Schmitz hält das Modell der solidarischen Landwirtschaft trotzdem - oder sogar: auch deshalb - für zukunftsweisend.
"Eine bäuerliche Landwirtschaft mit kleinen Strukturen, die eine stabile Form darstellen eben auch für die Menschen, weil sie relativ unabhängig von außen sind, das sehe ich als sehr wichtigen Punkt an. Und wenn wir allein mit einem kleinen Teil der Fläche schon 170 Menschen mit Gemüse und Kartoffeln versorgen können – was natürlich dann saisonal ist, das ist auch eine gewisse Umgewöhnung, natürlich, sozusagen, man muss sich drauf einlassen. Aber für mich ist das ein Zukunftsmodell."
Die Zukunft ist für den Landwirt nicht nur eine abstrakte politische Größe. Er denkt auch an seine ganz persönliche Zukunft und an die seines Hofes: seine fünf Kinder wachsen auf dem Hanfer Hof auf; die älteste Tochter arbeitet in der Landwirtschaft, und auch die jüngeren Kinder helfen schon tatkräftig mit - wenn sie nicht gerade auf dem Spielzeugtraktor spielen. Soll auch die sechste Generation den Hanfer Hof weiter bewirtschaften, so muss Bernd Schmitz ihnen einen langfristig rentablen Betrieb hinterlassen. Er macht sich viele Gedanken darüber, wie das am besten zu erreichen ist.
"Also ich bin ein Gegner total der Spezialisierung, wie es leider in dem konventionalen Bereich heute sehr stark verbreitet ist. Und ich hab gesagt, Naja, ich will mal, wenn man's auf den Aktienbereich sagen würde, ein breites Portfolio haben. Ja, im Moment wird es eher immer breiter, weil sich das als stabilisierender Faktor herausgestellt hat. Man kann mal an einer Seite ein schlechtes Jahr erwischen, oder mal einen Einbruch haben an Erträgen; oder wie jetzt im konventionellen Bereich aktuell der Milchpreis ganz niedrig gefallen ist – ist bei uns zum Glück nicht passiert – die Möglichkeit besteht immer, und wenn man 'nen Betrieb breiter aufgestellt hat, wirtschaftet man vielleicht nicht im Einzelsektor so rationell, aber aus meiner Sicht ist man nicht so abhängig von Marktschwankungen."
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