Bin ich mein Auto?

Von Oliver Seppelfricke |
„Fragen und Blumen“ im Kunsthaus Zürich ist die erste Retrospektive von Peter Fischli und David Weiss in der Schweiz. Die Reise geht von der ersten gemeinsamen Arbeit 1979, der Fotoreihe „Wurstserie“, die den Eindruck von Teppichauslegeware erweckt, über das Werk „Kleine Fragen, große Fragen“ bis zum letzten Geniestreich „Sichtbare Welt“.
Beim Schweizer Künstlerduo Fischli Weiss ist nichts das, was es scheint. Ein Autoreifen ist nicht aus Gummi, eine Öldose nicht aus Plastik, eine Europallette ist nicht aus Holz und eine Vase ist nicht aus Glas. Alle Materialien sind verfremdet. Meist ist es Polyurethan, das genutzt wird. Gepresst, geklebt, bemalt, etikettiert. Eine kindliche und diebische Freude haben die zwei Künstler am Verfälschen.

Bice Curiger, Kuratorin der Schau: " Ein ganz wesentlicher Zug dieser Kunst ist, dass wir gerade als Alltagsmenschen total überrascht werden. Sie leuchten immer die Grauzonen aus, wo man denkt, da hat man jetzt Gewissheit. Man muss ja auch als Alltagsmensch, man kann nicht an allem zweifeln. Man kann nicht zweifeln, dass eine Treppe einen ein Stockwerk nach oben bringt. Sonst ist man nicht lebensfähig. Das heißt dann, dass man auch ein bisschen abstumpft. Und genau das ist ja die Aufgabe der Kunst, dass sie uns ein bisschen sensibilisiert, wacher macht für die Umwelt, für das Leben. Für auch ganz große Fragen, die ins Philosophische gehen.“

Sind Tiere Menschen? Sind die Außerirdischen schon lange als Joghurt unter uns? Bin ich mein Auto? Acht Diaprojektoren werfen solche Fragen an die Wand. Fragen voller Witz und Hintersinn. Es ist das Werk „Kleine Fragen, große Fragen“, das 2003 auf der Biennale preisgekrönt wurde. Fragen sind bei Fischli Weiss unabdingbar.

Bice Curiger: " Das Fragen beginnt natürlich schon in ihrem Atelier vom Moment an, wo die beiden entschieden haben, zu zweit und nicht allein zu arbeiten, müssen sie ja schon irgendwann zu einem Konsens kommen. Die erste Frage, die sich stellen immer, ist, was findest Du? Da steht man schon im Produktionsstadium. Aber das Fragen, das geht ja darum, dass es kleine und große Fragen gibt. Es gibt eine im Fragetopf, die heißt, „Stinke ich?“, und dann gibt es eine andere „Wohin steuert die Galaxis“? Das verbindet uns ja alle. Könige, Bettler, alle fragen sie, alle haben solche Fragen in sich. "

Die Arbeit im Duo ist übrigens auch der Grund, warum Peter Fischli und David Weiss keine Interviews geben. Wie soll man auch sprechen – gleichzeitig zu zweit?! Die Schau im Kunsthaus Zürich umfasst das ganze zeitliche und inhaltliche Spektrum in der Arbeit von Fischli Weiss. Filme, Fotos, Videos, Skulpturen, Installationen.

Kein Thema und kein Material ist für sie zu langweilig, um daraus nicht Kunst zu machen. Die Reise geht von der ersten gemeinsamen Tat 1979, der Fotoreihe „Wurstserie“, bei der Wurstscheiben in Nahaufnahme so angeordnet sind, dass sie zum Beispiel wie Auslegeware in einem Teppichhaus aussehen, bis hin zum letzten Geniestreich, der 30 Meter langen Vitrine „Sichtbare Welt“, in der die beiden bekannte Motive wie den Grand Canyon oder das Opernhaus in Sydney so anordnen, dass man tatsächlich etwas Neues sieht.

Und: Man begegnet Teilen des großartigen Werks „Plötzlich diese Übersicht“ von 1981. Schlüsselszenen aus der bekannten und vor allem aus der unbekannten Weltgeschichte haben die zwei in ungebrannten Ton festgehalten: die Frau in der Küche, ein DJ bei der Arbeit, ein Traktor auf dem Feld, ein Eremit in der Höhle, Max und Moritz vollgefressen oder Mick Jagger, nachdem er „Satisfaction“ komponiert hatte, alles en miniature – Fischli Weiss sind Enzyklopädisten, wohl wissend, dass heute keine Enzyklopädie mehr möglich ist. Da sich alles ständig ändert, im nächsten Moment schon ist alles anders. Und aus diesem Fiasko gibt es nur den Ausweg des Humors und der Ironie.

Bice Curiger: " Damals 1979, als sie zusammen begonnen haben, Kunst zu machen, war die Stimmung natürlich schon noch sehr ernst. Sie war geprägt von diesen großen männlichen Künstlerpersönlichkeiten, die sicher auch große Kunst gemacht haben. Aber ich glaube, es ist nicht jedem gegeben, in so eine Rolle hineinzuwachsen. Diese Minimal Art oder Joseph Beuys oder diese sehr ernsthafte Kunst wurde durch Fischli Weiss ein bisschen versinnlicht. Es wurde ihr die Luft ein bisschen abgelassen.“

Dass die Arbeit von Fischli Weiss nicht ohne Humor zu verstehen ist, sieht man am besten am Werk „Der Lauf der Dinge“. 1985 entstanden, war es zwei Jahre später beim Publikum der Documenta ein Riesenrenner. Ganz wie der Titel es sagt, sieht man in einem Film Dinge laufen. Ablaufen. Im Atelier haben die zwei Künstler mit den unterschiedlichsten Materialien eine Kettenreaktion ausgelöst. Wasser, das in einen Eimer tropft, schwappt irgendwann auf den Boden über, löst dort Seife auf, der Schaum verbreitet sich und stößt eine hochkant stehende Tür um, der Druck vom Fall setzt eine Kugel in Bewegung, die ihrerseits eine Bewegung auslöst, usw. usw. Ganze 30 Minuten dauert dieses Spektakel (das übrigens, wie die Entwurfsskizzen und der Begleitfilm erstmals zeigen, minutiös und jahrelang geplant war), einer Dominosteinreihe gleich fällt alles um, man biegt sich vor Lachen wie bei Laurel und Hardy, Buster Keaton oder dem HB-Männchen. Nur ein Teil eines großartigen Werks, das man nun in der ganzen Bandbreite erleben kann, intelligent, verspielt, sinnlich und sachlich ist es, eine Freude für alle Sinne und den Geist, einfach Fischli Weiss. Zwei, die im Grunde große Kinder sind...

Service:
Vom 6. Juni bis zum 9. September 2007 zeigt das Kunsthaus Zürich die erste Retrospektive „Fragen und Blumen“ der zeitgenössischen Künstler Peter Fischli und David Weiss in der Schweiz.