Bin ich etwa nicht schön?
Frauenakte sind in der Kunstgeschichte meist von Männern erschaffen worden – aber nicht nur. Die Museen Böttcherstraße in Bremen zeigen in der Schau "Sie. Selbst. Nackt. Paula Modersohn-Becker und andere Künstlerinnen im Selbstakt" die weibliche Sicht auf den Körper der Frau.
In dieser Ausstellung ist alles anders: Es wimmelt zwar von gemalten, gezeichneten und fotografierten Frauenakten, doch eine botticellihaft-schöne Venus ist nicht dabei. Der Grund: Hier blicken Künstlerinnen auf ihr nacktes Selbst. Nach vielen Jahrhunderten, in denen ausschließlich Künstler das Bild von der nackten Frau bestimmten, entwickelte die US-amerikanische Malerin Joan Semmel in den 1970er Jahren ein grandioses Bild für die Wiederaneignung des eigenen Körpers: Auf großem Format sieht man, was sie sah, als sie auf dem Boden kauernd an sich hinabblickte: Brüste, Bauch, verschränkte Beine, eine raue Fußsohle, etwas Teppich.
Kuratorin Verena Borgmann: "Das ist eben kein Fremdblick, sondern mein eigener Blick. Das ist mein Körper, und den zeige ich so, wie ich möchte, und ob ich da jetzt eine Speckfalte hab oder meine Brust schief hängt, das ist dann in dem Fall egal. Und das zeigt dann eben auch diese mutige Herangehensweise der Frauen, sich eben abzusetzen von klassischen Schönheitsidealen, von traditionell gewünschten Blickwinkeln oder Darstellungsweisen."
Bis um 1900 war Kunst fast eine reine Männerdomäne. Und so entstand erst 1906 der vermutlich erste weibliche Selbstakt der Kunstgeschichte: Paula Modersohn-Becker malte sich als Schwangere. Die Haare hochgesteckt, eine Kette um den Hals, hält sie mit beiden Händen ihren Bauch, und blickt prüfend aus dem Bild. Diese Arbeit, die zum Bestand der Museen Böttcherstraße gehört, inspirierte Verena Borgmann zu ihrer ungewöhnlichen Ausstellung.
"Und wir haben geguckt, ausgehend von diesem Bild: Wie entwickelt sich das in der Kunstgeschichte weiter? Wie gehen Frauen in der Nachfolge mit ihrem Körper und mit Körperlichkeit in der Kunst um? Welche Beweggründe führen sie dazu, sich selbst nackt darzustellen?"
Werke von 40 internationalen Künstlerinnen aus hundert Jahren sind zu sehen: Anfänglich ging es - ebenso simpel wie radikal - um die Entdeckung des eigenen Körpers, der in den prüden Jahren um 1900 bis zum Hals unter Stoff versteckt war. Doch schon in den 20er Jahren gingen die Frauen in die Offensive: Endlich hatten sie sich den Zugang zu den Akademien erkämpft, und so präsentieren sich Marianne Breslauer oder Suzanne Valadon selbstbewusst mit ihren Arbeitsutensilien, fordern so, als Künstlerinnen ernst genommen zu werden.
Stets diente der Akt auch der kritischen Selbstbefragung. Elfriede Lohse Wächtler zeigt sich mit abwesendem Blick in fast transparent wirkender, sich auflösender Nacktheit. Dieses schmerzhafte Bild entstand 1930, kurz nach einem Nervenzusammenbruch.
"Dadurch, dass sich die Frauen die Positionen erkämpft haben, Künstlerin zu sein, selbst sich zum Motiv zu machen, und dieses Motiv der nackten weiblichen Frau so darzustellen, wie es ihnen gefällt, und die Beweggründe einfließen zu lassen, die ihnen wichtig sind, hat es sich komplett wegentwickelt von dem männlichen Blick."
Besonders rasant und umfassend geschieht dies seit den 70er Jahren: Dank US-amerikanischer Frauenbewegung und feministischen Künstlerinnen zerschmettern diese seitdem lustvoll, ironisch und provozierend gesellschaftlich festgeschriebene Rollenbilder. Sie thematisieren am eigenen nackten Körper Jugendwahn, Rassismus und Gewalt. Und sie entwerfen gesellschaftliche Utopien: Die Fotografin Catherine Opie etwa inszenierte sich 2004 vor einem roten Brokatvorhang als Maria mit dem Kinde. Allerdings ist sie eine sehr kräftige Frau mit kurzen Haaren und Tätowierungen auf der Schulter - und sie ist lesbisch.
"Sie stellt es in Frage: "Was ist männlich, was ist weiblich?" Und kann ich, wenn ich "männlich" aussehe, nicht trotzdem eine gute Frau und eine gute Mutter sein? Und somit stellt sie nicht nur den heutigen Blick auf die Frau als Mutter, oder die Idealvorstellung der lieblichen Mutter in Frage, sondern auch die ganze kunsthistorische Tradition der Darstellungen von Mutter und Kind."
Genau diese ständige Unangepasstheit macht die Ausstellung ungemein anregend und erfrischend. Und jetzt, wo es sie gibt, entpuppt sie sich natürlich als längst überfällig: Jahrhunderte lang bestimmten Künstler das Bild von der Frau. Und was kam dabei heraus außer deren eigene Fantasien, Wünsche, Idealvorstellungen und Ängste? Nun blicken Frauen seit gerade einmal hundert Jahren auf sich selbst - und ihre Bilder strotzen vor Realitätssinn und Lebensnähe.
Folglich machen sie auch um das Thema "Altern" keinen Bogen. Judy Chicago sieht es völlig entspannt: Die 70-jährige Pionierin feministischer Kunst fotografiert sich eingewickelt in einen roten Gartenschlauch als "Eve in the Garden". Das ist heute, angesichts von Schönheits- und Jugendwahn, noch immer mutig. Doch Chicagos Lachen stellt klar: "So what? Bin ich etwa nicht schön?"
Kuratorin Verena Borgmann: "Das ist eben kein Fremdblick, sondern mein eigener Blick. Das ist mein Körper, und den zeige ich so, wie ich möchte, und ob ich da jetzt eine Speckfalte hab oder meine Brust schief hängt, das ist dann in dem Fall egal. Und das zeigt dann eben auch diese mutige Herangehensweise der Frauen, sich eben abzusetzen von klassischen Schönheitsidealen, von traditionell gewünschten Blickwinkeln oder Darstellungsweisen."
Bis um 1900 war Kunst fast eine reine Männerdomäne. Und so entstand erst 1906 der vermutlich erste weibliche Selbstakt der Kunstgeschichte: Paula Modersohn-Becker malte sich als Schwangere. Die Haare hochgesteckt, eine Kette um den Hals, hält sie mit beiden Händen ihren Bauch, und blickt prüfend aus dem Bild. Diese Arbeit, die zum Bestand der Museen Böttcherstraße gehört, inspirierte Verena Borgmann zu ihrer ungewöhnlichen Ausstellung.
"Und wir haben geguckt, ausgehend von diesem Bild: Wie entwickelt sich das in der Kunstgeschichte weiter? Wie gehen Frauen in der Nachfolge mit ihrem Körper und mit Körperlichkeit in der Kunst um? Welche Beweggründe führen sie dazu, sich selbst nackt darzustellen?"
Werke von 40 internationalen Künstlerinnen aus hundert Jahren sind zu sehen: Anfänglich ging es - ebenso simpel wie radikal - um die Entdeckung des eigenen Körpers, der in den prüden Jahren um 1900 bis zum Hals unter Stoff versteckt war. Doch schon in den 20er Jahren gingen die Frauen in die Offensive: Endlich hatten sie sich den Zugang zu den Akademien erkämpft, und so präsentieren sich Marianne Breslauer oder Suzanne Valadon selbstbewusst mit ihren Arbeitsutensilien, fordern so, als Künstlerinnen ernst genommen zu werden.
Stets diente der Akt auch der kritischen Selbstbefragung. Elfriede Lohse Wächtler zeigt sich mit abwesendem Blick in fast transparent wirkender, sich auflösender Nacktheit. Dieses schmerzhafte Bild entstand 1930, kurz nach einem Nervenzusammenbruch.
"Dadurch, dass sich die Frauen die Positionen erkämpft haben, Künstlerin zu sein, selbst sich zum Motiv zu machen, und dieses Motiv der nackten weiblichen Frau so darzustellen, wie es ihnen gefällt, und die Beweggründe einfließen zu lassen, die ihnen wichtig sind, hat es sich komplett wegentwickelt von dem männlichen Blick."
Besonders rasant und umfassend geschieht dies seit den 70er Jahren: Dank US-amerikanischer Frauenbewegung und feministischen Künstlerinnen zerschmettern diese seitdem lustvoll, ironisch und provozierend gesellschaftlich festgeschriebene Rollenbilder. Sie thematisieren am eigenen nackten Körper Jugendwahn, Rassismus und Gewalt. Und sie entwerfen gesellschaftliche Utopien: Die Fotografin Catherine Opie etwa inszenierte sich 2004 vor einem roten Brokatvorhang als Maria mit dem Kinde. Allerdings ist sie eine sehr kräftige Frau mit kurzen Haaren und Tätowierungen auf der Schulter - und sie ist lesbisch.
"Sie stellt es in Frage: "Was ist männlich, was ist weiblich?" Und kann ich, wenn ich "männlich" aussehe, nicht trotzdem eine gute Frau und eine gute Mutter sein? Und somit stellt sie nicht nur den heutigen Blick auf die Frau als Mutter, oder die Idealvorstellung der lieblichen Mutter in Frage, sondern auch die ganze kunsthistorische Tradition der Darstellungen von Mutter und Kind."
Genau diese ständige Unangepasstheit macht die Ausstellung ungemein anregend und erfrischend. Und jetzt, wo es sie gibt, entpuppt sie sich natürlich als längst überfällig: Jahrhunderte lang bestimmten Künstler das Bild von der Frau. Und was kam dabei heraus außer deren eigene Fantasien, Wünsche, Idealvorstellungen und Ängste? Nun blicken Frauen seit gerade einmal hundert Jahren auf sich selbst - und ihre Bilder strotzen vor Realitätssinn und Lebensnähe.
Folglich machen sie auch um das Thema "Altern" keinen Bogen. Judy Chicago sieht es völlig entspannt: Die 70-jährige Pionierin feministischer Kunst fotografiert sich eingewickelt in einen roten Gartenschlauch als "Eve in the Garden". Das ist heute, angesichts von Schönheits- und Jugendwahn, noch immer mutig. Doch Chicagos Lachen stellt klar: "So what? Bin ich etwa nicht schön?"