Bildungspolitik

Kompetitions-Gehechel in den Schulen

Von Burkhard Müller-Ulrich · 01.12.2013
Eine fragwürdige und eine erfreuliche Kulturinstitution werden in den Feuilletons unter die Lupe genommen. Seitenblicke gelten dem Schwabinger Kunstfund und einem neuen Plattenladen in Brooklyn.
"Die KSL gehört zu den wichtigsten Institutionen im deutschen Kulturbetrieb, zu den erfolgreichsten wohl auch, obwohl ihr segensreiches Wirken nur wenigen bekannt ist. Wenn überhaupt, wird bei Kunstkäufen allenfalls kurz erwähnt, dass dieser 'mit Hilfe der Kulturstiftung' gelang,"
schreibt Regina Mönch in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, und wahrhaftig: der Beweis für die behauptete Unbekanntheit liegt schon darin, daß kaum jemand das Kürzel KSL auf Anhieb aufzulösen vermag. Es steht für die von der Bundeskulturstiftung fein zu unterscheidende "Kulturstiftung der Länder", die hier aus Anlaß ihres 25-jährigen Bestehens porträtiert wird. Sie dient hauptsächlich als Einkaufskonsortium in Sachen Kunst und hat mit ihrem Jahresetat von derzeit zehn Millionen Euro den Ankauf von mehr als tausend Kunstwerken sowie Künstler-Nachlässen und Autographen durch die öffentliche Hand ermöglicht.
Außerdem finanziert die Kulturstiftung der Länder die Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung mit, die Museen und Bibliotheken berät, wenn es darum geht, herauszufinden ob die Werke in ihren Sammlungen einst Juden abgepreßt oder geraubt worden sind. Die Bedeutung dieser Arbeit ist durch den Fall Gurlitt der Öffentlichkeit deutlich geworden. Die Generalsekretärin der KSL, Isabel Pfeiffer-Poensgen, erklärt in dem Zusammenhang:
"In der aufgeheizten Diskussion [zum Schwabinger Kunstfund] geht momentan unter, daß – endlich – enorm viel geforscht wird und der Wille da ist, in jeden Winkel zu schauen. Diese zahlreichen, sehr positiv aufgenommenen Anstrengungen wurden durch das unglückliche Agieren der bayerischen Justiz beschädigt, was mich betrübt."
Soweit die FAZ über eine erfreuliche Kulturinstitution und nun die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG über eine fragwürdige. Thomas Steinfeld setzt sich nämlich mit der sogenannten Pisa-Studie auseinander, die seit nunmehr 13 Jahren die Medien, die Bildungspolitiker, die Schulverwaltungen und die gesamte Öffentlichkeit verrückt macht und deren neueste Ergebnisse am Dienstag vorgestellt werden. Die große Frage ist dann: Werden die Fünfzehnjährigen in Deutschland weiterhin auf dem 16. Platz bei mathematischen Aufgaben und auf dem 20. beim Leseverständnis landen? Steinfeld hält diese Frage und dieses ganze Kompetitions-Gehechel für Unsinn, und er hat ein paar gute Argumente. Zum einen:
"Ist dieses Land nicht das bei weitem erfolgreichste in Europa, obwohl es andere Nationen gibt, die nordischen Staaten vor allem, die auf der Pisa-Rangliste deutlich weiter oben stehen?"
Zum anderen ist bekannt, daß die Voraussetzungen für die Teilnahme an den Tests in verschiedenen Ländern oft nicht vergleichbar sind, und daß die Herstellung eben solcher Vergleichbarkeit eine politische Fiktion von Wissen impliziert. In Steinfelds Worten:
"Die Fiktion, Vorhandenes zu messen, ist die Spanische Wand, hinter der sich die Pisa-Tests in den vergangenen Jahren (…) in ein Projekt zur Neubestimmung der Begriffe 'Bildung' und 'Wissen' verwandelt haben. Sie haben sich längst von einem deskriptiven zu einem normativen Projekt entwickelt, sie geben dem Schulunterricht einen neuen Inhalt und verändern seinen Zweck."
Zum Schluß ein Abstecher nach New York, genauer nach Brooklyn und noch genauer: nach Williamsburg, wo der legendäre Londoner Plattenladen Rough Trade gerade eine Filiale eröffnet hat. Hannes Stein berichtet in der WELT über die pittoreske Lokalität und wundert sich nach einem Interview mit dem englischen Chef Nigel House darüber, daß dieser offenbar keine Ahnung hatte, in welcher Gegend er sich da niedergelassen hat. Williamsburg ist nämlich von Satmarern bevölkert, Mitgliedern einer chassidischen Sekte, die an dieser Ecke von Brooklyn ihr frommes jüdisches Paralleluniversum errichtet haben.
Dazu Hannes Stein:
"Es muß ein klein wenig erschütternd genannt werden, daß House das nicht klar ist. Kann man sich den weißen Inhaber eines Ladens vorstellen, der sich in Harlem ansiedelt, dabei aber keinen Schimmer hat, daß dies traditionell die Heimat der Schwarzen ist?"