Bildungsexperten im Kindergarten

Von Barbara Leitner |
Wie wichtig die frühkindliche Entwicklung ist, ist unter Fachleuten unumstritten. Doch was die akademische Ausbildung der Frühpädagogen anbelangt, lag Deutschland lange Zeit weit unter dem internationalen Standard. Erst vor wenigen Jahren wurde die Ausbildung für die Erzieherinnen und Erzieher reformiert, die ersten Hochschulabsolventen wechseln nun von der Theorie in die Praxis.
"Ich mag den Begriff Erzieherin nicht, weil das Wort erziehen kommt von Kinder irgendwo hinziehen. Frühpädagogin ist ein Begriff, mit dem ich gut leben kann oder Elementarpädagogin und was wir letztendlich machen ist die Bildung für Kinder zu begleiten und da gibt es noch nicht so einen richtigen Begriff für."

Stefanie Schwarz gehört zu den ersten 30 Absolventen, die in Deutschland Erziehung und Bildung im Kindesalter studierten und nach sieben Semestern Studium vor ein paar Wochen ihren Bachelor of Arts erhielten. Die Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin war die erste Fachhochschule in Deutschland, die begann, Erzieherinnen auf Hochschulniveau auszubilden. Nach ihrem Vorbild entwickelten inzwischen 28 Hochschulen - außer im Saarland- in allen Bundesländern einen Studiengang für Erzieherinnen.

"Ich habe das Gefühl. die ganze Pädagogik mit den kleineren Kindern, den jüngeren Kindern ist total im Aufbruch und dieser Aufbruchstimmung ist bis heute zu spüren."

Als Frühpädagogin arbeitet die 31-Jährige heute in einer Berliner Kindertagesstätte. Vor Ort erfährt sie, wie dringend notwendig die bessere Ausbildung in diesem Bereich notwendig ist:

"Viele Erzieherinnen fühlen sich auch überfordert durch die Ansprüche des Berliner Bildungsprogramms. Sie sollen beobachten, sie sollen mit den Eltern anders arbeiten, die sollen ihre Arbeit dokumentieren, und die Arbeit mit den Kindern ist nicht weniger geworden. Und da ist auch schon Skepsis, was wir, ich da reinbringe, einerseits Berufsanfängerin, andererseits bin ich in vielen Themen fitter …"

Besser ausgebildet ist Stefanie Schwarz darin, mit Eltern und Trägern zu reden, die Qualität ihrer Arbeit zu überprüfen und weiter zu entwickeln und vor allem Dinge die Kinder als eigenständige Subjekte wahrzunehmen. Wie das Stethoskop für einen Arzt gehört für Stefanie Schwarz ein Beobachtungsheft zu ihrer Ausrüstung als Bildungsexpertin. Darin hält sie ständig fest, wie die Kinder sich von sich heraus bilden. Auf dieser Grundlage – und nicht nur aus dem Bauch heraus - überlegt sie, welche Angebote dem Kind unterbreitet werden können. Sie hat gelernt, wissenschaftlich begründen vorzugehen – eine Fähigkeit, die sich traditionell ausgebildete Erzieherinnen erst mühsam in Fortbildungen erwerben.

"Wo ich mir viel abgucke ist bei der Arbeit mit Gruppen, einer Gruppe zu sagen, jetzt gehen wir uns alle anziehen, was total wichtig ist, wo man nicht nur aufs einzelne Kind gucken kann."

Trotz erster ermutigender Erfahrungen bei der Professionalisierung der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen: das Gros der 8000 Frauen und Männern, die Jahr für Jahr als Erzieher ausgebildet werden, schreiben sich weiter an einer der rund 400 Fachschulen unseres Landes ein. Zwar wurden überall die Eingangsvoraussetzungen erhöht, reichen heute ein Durchschnitt unter drei, schlechte Noten in Naturwissenschaften und Sprachen oder nur ein Hauptschulabschluss nicht mehr aus, um die Bildung von Anfang an zu begleiten, werden vielerorts Berufserfahrungen und in Berlin sogar ein Abitur verlangt, um Erzieherin werden zu dürfen. Doch einer akademischen Ausbildung des Berufsstandes steht vor allem eines entgegen. Das Geld.

"Es gibt keine höhere Bezahlung bis jetzt."

Als Hochschulabsolventin mit einem Bachelor verdient Stefanie Schwarz 1500 Euro Brutto für 30 Stunden Arbeitszeit. Sie weiß: Nach einem Hochschulstudium müssten es wenigstens 400 bis 500 Euro mehr sein. So viel gegenwärtig über Bildung als Zukunftsfaktor geredet wird: Diese Kosten scheuen die mit Defiziten belasteten Länder und Kommunen.

"Ich finde, der Beruf der Erzieherin muss aufgewertet werden, Erzieherin in Anführungsstrichen. Es sollten alle mehr verdienen, wenn sie sich entsprechend fortbilden und am Thema dran bleiben. Und eigentlich geht es darum, dass wir voneinander lernen, dass ich von den Erzieherinnen lerne, die eine lange Berufserfahrung haben und ich dafür mein Fachwissen einbringen kann und ich befürchte, eine Zweiteilung würde dem entgegenstehen."