Bildung

Lehrer jetzt

Schülerin mit Migrationshintergrund meldet sich im Unterricht
Schüler mit Migrationshintergrund werden von ihren Lehrern oft unterschätzt © dpa / Waltraud Grubitzsch
Von Catrin Watermann · 05.05.2014
Lehrer werden dringend gesucht. Berlin geht jetzt in die Offensive und wirbt in ganz Deutschland um Nachwuchs. Auch Quereinsteiger sind willkommen. Den Ruf hören vor allem prekär Beschäftigte. In der zentralen Bewerbungsstelle am Alexanderplatz drängeln sich Journalisten, Künstler und Uni-Dozenten.
- Telefonwahl, Tuten -
Hotline: Senatsverwaltung für Bildung, Kurinth, einen schönen guten Tag!
Barbara Engel: "Guten Tag, mein Name ist Engel. Ich rufe an wegen des Bewerbungsverfahrens für Lehrer, die jetzt zum neuen Schuljahr als Quereinsteiger ein Referendariat machen wollen. Jetzt habe ich gehört, dass Sie auch persönliche Beratungen anbieten, also dass man einfach vorbei kommen kann."
Hotline: "Ja, das können Sie: Heute von 16 bis 18 Uhr ist die Sprechstunde. Da sitzen allerdings jetzt schon einige Menschen, aber wenn Sie Wartezeit mitbringen, reihen Sie sich dort ein. Der nächste Termin ist dann nächster Montag, 9 bis 12 Uhr."
Barbara Engel: "Dann komme ich am Montag vorbei. Danke, erstmal auf Wiederhören!"
Barbara Engel ist Politologin. Die 43jährige arbeitet seit über zehn Jahren als Journalistin und Medienpädagogin - freiberuflich. Doch das ist ihr auf Dauer zu unsicher, besonders seit sie Kinder hat. Im Lehrerberuf sieht sie einen Ausweg.
Barbara Engel macht sich auf den Weg zum Beratungsgespräch am Alexanderplatz. Und sie ist nicht die einzige: In Berlin herrscht akuter Lehrermangel. Bis 2020 müssen mindestens 10.000 neue Lehrer eingestellt werden. Darum hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres im Februar auch Quereinsteiger aufgerufen, sich zu bewerben. Seitdem erlebt die zuständige Behörde einen wahren Ansturm.
- Stimmengewirr, Telefonklingeln bei der Hotline der Senatsverwaltung -
Hotline: "... schreiben auf den Umschlag Senatsverwaltung für Bildung, Zentrale Bewerbungsstelle, aber auch Quereinsteiger auf den Umschlag, dann wird das in der Poststelle gleich richtig sortiert, ja gerne, alles Gute und viel Erfolg, Tschüss!"
In der eigens eingerichteten Hotline im dritten Stock gehen pausenlos die Telefone, sechs Frauen und Männer sitzen in dem Raum und versuchen die Fragen der Anrufer zu beantworten. Die meisten von ihnen: pensionierte Studienräte. Falsche Erwartungen so mancher Anrufer stellen sie sofort richtig. Dabei erleben sie immer wieder...
Hotline-Mitarbeiter: "...dass Leute, die überhaupt keine Voraussetzungen erfüllen, dann wirklich sehr enttäuscht sind, weil in der öffentlichen Mitteilung unseres Hauses auch nicht deutlich gesagt wird was Mindestvoraussetzung ist für den Lehrerberuf. Dass die Leute mindestens ein Fach der Berliner Schule studiert haben müssen, auf universitärem oder Fachhochschulniveau. Das ist einigen nicht klar. Und dann können wir leider mal den Metzgermeister nicht einstellen, weil wir auch das Fach Wurstfabrikation hier nicht haben im Land Berlin."
Die meisten Interessenten haben einen Hochschulabschluss ...
- Wartesaal, leises Stimmengewirr -
...so wie Barbara Engel, die inzwischen eine Nummer gezogen und seit einer guten Stunde auf ihr Beratungsgespräch wartet.
Wartesaal, Aufruf: "Die Nummer 51!"
Stimmengewirr: „Ich bin 60!", „Nummer 51, das bin ich!"
- Schritte, Tür geht auf -
Mitarbeiter Senatsverwaltung: "Dann erstmal herzlich willkommen! Dann interessieren Sie sich für den Quereinstieg..."
Barbara Engel: "Genau. Ich hole gerade mal meine Unterlagen, die werden Sie ja wahrscheinlich brauchen... Ok, was ich jetzt da eingetragen habe, ist bei erstem Fach PW, bei zweitem Fach Soziologie, und beim dritten Fach Pädagogik - gemäß meiner Studienfächer."
Mitarbeiter Senatsverwaltung: "Dann würden wir - wenn wir jetzt ihre Unterlagen entgegennehmen und prüfen - zwei Fächer rausstreichen oder löschen und dafür anstelle von „Politische Weltkunde" würden wir „Sozialkunde" einsetzen. Wenn sie sich jetzt hier bewerben für die zentrale Nachsteuerung. Da fällt alles, was berufsbildend ist, raus, also Pädagogik oder so was..."
Aus Soziologie und Politischer Weltkunde wird das Schulfach Sozialkunde - ausgerechnet eines der drei Fächer, bei denen kein Lehrermangel an Berlins Sekundarschulen und Gymnasien herrscht.
Barbara Engel: "Würden Sie mir denn jetzt überhaupt dazu raten, mich hier zu bewerben? Oder ist es aussichtslos?"
Mitarbeiter Senatsverwaltung: "Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das müssen Sie für sich entscheiden, ich kann Ihnen nur die Karten auf den Tisch legen und sagen: Es sieht so aus."
Barbara Engel: "Danke schön."
Mitarbeiter Senatsverwaltung: "Ja bitte, auch wenn's für Sie vielleicht nicht ganz erfolgreich war. Aber gut.."
- Wartesaal, Schritte, dann Straße und Straßenbahn -
Keine guten Nachrichten für die Journalistin. Enttäuscht fährt Barbara Engel zu ihrer Büroetage in Berlin-Kreuzberg.
- Treppenhaus, Tür wird aufgeschlossen -
Barbara: "Hallo!"
Martin: "Servus!"
Die Journalistin teilt sich die Fabriketage zusammen mit zehn anderen Freiberuflern, zum Beispiel mit Martin, der wie sie als Journalist arbeitet. Als studierter Germanist überlegt auch er, in den Lehrerberuf zu wechseln. Martin will wissen, wie es beim Beratungsgespräch war.
Martin: "... und dann trifft man da das ganze akademische Prekariat vor der Tür?"
Barbara: "Ja, in diesem Wartebereich sitzen, kann man so sagen, alt und jung, Leute Ende zwanzig und da waren Leute, die waren fünfzig, Anfang sechzig, die dort saßen..."
Martin: "Wenn ich mir das so vorstelle, das kann die Schulen schon auch total aufmischen, wenn da so viel buntes Volk reinströmt. Die müssen schon sehr gucken, wen Sie da nehmen."
- Bürogeräusche -
Mit Anfang Vierzig noch mal zurück an die Uni, um ein zweites Fach zu studieren - das wollen beide jedenfalls nicht. Barbara Engel hat aber noch ein letztes Hintertürchen offen. Der Berater bei der Senatsverwaltung hat ihr den Tipp gegeben, sich doch direkt bei einer Berliner Berufsschule zu bewerben. Und zwar an einer Schule, die Lehrkräfte für Pädagogik oder Soziologie sucht. Das sind genau die Fächer, die Barbara Engel im Nebenfach studiert hat.
Barbara: "Ich habe gesehen, es sind gerade 16 Stellenangebote online, und von den 16 kommt eine Schule in Frage, die genau meine Fächerkombination hat. Montag dachte ich, oh, ich habe ganz viele Möglichkeiten, und jetzt ist noch eine einzige übrig geblieben."