Bronzene Elefanten und Ameisenbären

Exotische Tiere im Zoo inspirierten den italienische Bildhauer Rembrandt Bugatti, Bruder des Automobilkonstrukteurs. 80 der 300 Plastiken des jung verstorben Künstlers werden jetzt zum ersten Mal in Berlin ausgestellt.
Zwischen all den bronzenen Elefanten, Ameisenbären und Marabus, den brüllenden oder grasenden Kühen, trinkenden Kamelen und gähnenden Löwen würden die beiden sich beschnuppernden, zurückhaltend liebkosenden Schakale kaum auffallen – wäre da nicht das Gemälde im Hintergrund: Manets „Wintergarten“, die Szene zwischen dem bärtigen Herrn und einer jüngeren Frau.
Philipp Demandt, Leiter der Alten Nationalgalerie, hat die erste Museumsausstellung von Rembrandt Bugatti so arrangiert, dass dessen Tierplastiken – konfrontiert mit den sichtlich verkrampften Beziehungen der Menschen – in ihrer ganzen Kreatürlichkeit auftreten, als in sich ruhende, fremdartig schöne Wesen:
„Das macht ihn eben so einzigartig, dass er es schafft, nichts von Gefangenschaft, nichts von Agonie, aber auch nichts von menschlichen Erwartungen an Tiere in seine Plastiken zu übersetzen.“
Sein Faible für Tiere
Es scheint, als habe Rembrandt Bugatti, Spross der berühmten Möbeldesigner- und Autobauerdynastie, mit seinem Faible für Tiere den Komplikationen des Alltags- und Liebeslebens ebenso ausweichen wollen wie jenen radikalen Neuerungen der Kunst, die um 1900 in Paris unübersehbar waren.
Er fühle sich, so heißt es in einem der ebenfalls ausgestellten Briefe, wie in einer Wüste zwischen lauter Wilden. Sein einziger Trost: der zoologische Garten. Im Jardin des Plantes entstehen, nach wochenlanger Beobachtung und direkt im oder am Gehege, an die 300 Tierplastiken. Ob Bärenfell oder Vogelgefieder, der Autodidakt bildet die Natur nach, in bislang kaum gesehener Vollkommenheit:
„Es geht ihm um ein permanentes Ausreizen dessen, was er kann. Ich halte ihn wirklich für einen geborenen Bildhauer, für einen Mann, der von früher Kindheit an ein absolutes plastisches Talent besitzt.“
Talent nie recht goutiert
Von den Museumsdirektoren wurde dieses Talent nie recht goutiert. In den Beständen der Nationalgalerie findet sich eine einzige Arbeit Rembrandt Bugattis, eine Bulldogge. Die steht jetzt mitten im Anton Graff-Kabinett, umrundet von Porträts der Aufklärungszeit. Elefanten, Störche oder Panther dagegen treffen auf zweidimensionale Artverwandte, auf ihre vielfach Jahrhunderte zuvor gemalten Pendants. Das zeitgt überraschende Begegnungen, schafft auch mal kontemplative Situationen – und lässt im Vergleich immer wieder eine Eigenart des italienischen Bildhauers hervortreten:
„Diese große Empathie, die Bugatti für das Kreatürliche besitzt, die hat er in die Bronze transponiert. Das liegt natürlich daran, dass er die kleinsten anatomischen Details festhält. Wenn also eine Antilope ein schiefes Ohr hat, dann kriegt sie das schiefe Ohr. Und wenn der Dackel ein Glubschauge hat, dann kriegt er das Glubschauge.“
Gezielte Verfremdung war Bugattis Sache
Bewusstes Herausarbeiten einzelner Wesenszüge, das künstlerische Spiel mit der Form oder gar eine gezielte Verfremdung war Bugattis Sache nicht. Deshalb wohl hat der Künstler bislang allein in Sammlerkreisen einen Namen. Alain Delon etwa ist Bugatti-Fan. Nicht nur bei dem Filmstar vermutet man eher ein Faible für das Tiersujet als Interesse an der künstlerischen Durchdringung eines mit Blick auf die Höhlenmalerei geradezu archaischen Motivs. Aber: Delon hat sich 1990 von 40 seiner Bugattis getrennt – um vom Erlös Malerei der Fauves zu kaufen.
„Sie sehen also, dass das Umfeld, in dem Bugatti gesammelt wird, eben kein Tierumfeld ist, sondern wir wissen von vielen Sammlern, dass sie auch Modigliani und Picasso und Braque sammeln.“
Virtuoses Reigen
Damit kommt zumindest indirekt jene Moderne ins Spiel, die allenfalls in der Assoziation des Namens Bugatti mit schnellen Autos, Dynamik und Beschleunigung aufblitzte. Die in Verbindung steht mit der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, bei dessen Ausbruch Rembrandt Bugatti sich freiwillig als Sanitäter meldete. Er las von Zootieren, die wegen Futtermangel getötet wurden, nahm sich 1916 nur 31 Jahre alt in Paris das Leben. Unter seinen letzten Arbeiten: Fünf Kutschpferde, die zum Abdecker geführt werden. Im ansonsten so virtuosen Reigen von Bugattis Tierplastiken sind das absolute Ausnahmen – die aber bei Philipp Demandt den Wunsch nach einer zentralen Platzierung weckten:
„Diese Plastik, die für mich eine Intensität hat, wie man das sonst von einem ‚Gestürzten‘ von Lehmbruck kennt, zusammen mit seinem letzten Werk, dem Christus, auf der Wand mit Caspar David Friedrichs ‚Mönch am Meer‘ auszustellen, zusammen mit der Tigerin, die eine Schlange zerdrückt und den Geiern, die schon warten.“
Bis zum 27. Juli ist die Ausstellung "Rembrandt Bugatti“ in der Alten Nationalgalerie Berlin zu sehen.