Bildgewaltig zurückgemeldet

Von Holger Hettinger |
Hans-Jürgen von Bose stammt aus einer musikalischen Schule, in der Zwölftonmusik und Serialität zur musikalischen Grundlagenforschung gehörten. In der Kenntnis genau dieser Gesetze gelingt es ihm allerdings auch ganz besonders gut, genau diese Regeln gekonnt auszuhebeln.
Wie das nun mal so ist mit Etiketten: allzu viel passt nicht drauf. So sind denn auch die Aufschriften, mit denen man die Musik des Münchner Komponisten Hans-Jürgen von Bose bedacht hat, mehr Schlagwörter als Charakterisierungen: Sticker mit den Aufdrucken "Neue Einfachheit" oder "Neue Subjektivität" verunklaren eher von Boses künstlerische Position, als sie einzuordnen.

Immerhin: Die Richtung stimmt. "Einfacher" und "subjektiver" war es in der Tat, was der damals 25-jährige Komponist Hans-Jürgen von Bose bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik 1978 einbrachte. In einem viel beachteten Referat sprach er vom Gefühl des Alleingelassenseins, vom Bröckeln des Fortschrittsglaubens und davon, dass die Musik ein - Achtung, böses Wort! - "Gefühl" der Zeit transportieren soll.

Das war damals unerhört. In Darmstadt, dem diskursgestählten Bollwerk der musikalischen Avantgarde, konnte man von vielem reden, aber doch bitte nicht vom Gefühl. Dabei war von Bose das Vokabular derer, die ihn nun skeptisch verwirrt beäugten, wohl vertraut, denn er stammt aus einer musikalischen Schule, in der Zwölftonmusik und Serialität zur musikalischen Grundlagenforschung gehörten. Diese Gesetze kannte von Bose sehr gut - vielleicht war er genau deswegen in der Lage, sie so gekonnt auszuhebeln.

Dabei sind viele denkwürdige Werke entstanden: intime Kammermusik-Miniaturen genauso wie große Opern-Würfe, sinnenpralle Orchesterwerke ebenso wie präzise durchleuchtete Stücke für Singstimmen.

Von Boses Werke eröffnen sowohl auf der intellektuellen als auch auf der emotionalen Ebene so viele Zugänge, wirken zugänglich und komplex zugleich. Wie offen von Bose gegenüber den unterschiedlichsten musikalischen Strömungen ist, mag ein Blick auf seine Schüler erklären: als Kompositionsprofessor in München hat er so unterschiedliche musikalische Charaktere wie Moritz Eggert und Anno Schreier geformt.

In den letzten Jahren ist es still um Hans-Jürgen von Bose geworden: ein Burn-out hat ihm viel Kraft geraubt. Im vergangenen Jahr hat er sich mit einem bildgewaltigen "Kafka-Labyrinth" zurückgemeldet. Und Kafka ist auch in diesem Jahr sein Anknüpfungspunkt: "Verkehr mit Gespenstern" heißt sein Musiktheater-Werk nach Kafka-Texten, das nun an der Wiener Kammeroper uraufgeführt worden ist.