Bilderbuch

Schwein gehabt

Der Autor Andreas Steinhöfel hält am 11.10.2013 auf der Buchmesse in Frankfurt am Main bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2013 seine Trophäe hoch.
Andreas Steinhöfel erhielt bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2013 einen Sonderpreis für sein Gesamtwerk. © picture-alliance / dpa / Arne Dedert
Von Sylvia Schwab · 14.01.2014
Irgendwo in Fantasien liegt "GlücksStadt". Dort, wo die Ziegen fliegen und die Häuser auf dem Kopf stehen können. Wo der Mond zwischen den Häusern hängt und die Papageien auf den Wolken Seilchen springen.
Nach GlücksStadt fliegt K. in ihrer fliegenden Teekanne, und aus Glücksstadt schreibt K. Postkarten mit poetischen Texten an ihre Freundin Lena. "GlücksStadt" ist damit so etwas wie ein Briefroman für Kinder. In Sabine Wilharms Bildern sehen wir K. in ihrer Teekanne fliegen, in GlücksStadt ankommen und ihren kugelförmigen Freund Posseck besuchen. Der ist so dick, dass er das Haus nicht mehr verlassen kann.
K. rettet ihn mit Hilfe einer Maneki-Neko, einer japanischen Glückskatze. Auch Hans (im Glück?) mit einem Riesenhaufen von Glücksschweinen ist in Siebenmeilenstiefeln mit von der Partie, ebenso Peterchen vom Mond. Der Mond selbst natürlich auch und eine ganze Ladung wuseliger Sommerfrösche obendrein.
So weit, so konstruiert ist Steinhöfels Geschichte. So magisch-märchenhaft, bedeutungsschwanger und unübersichtlich zugleich. Zu viele zierliche Umwege macht sie, zu viele literarische Anspielungen verstellen den Weg zum Glück. Statt Einfachheit herrscht ein hoher Ton, der Erwartungen weckt, die er nicht einlöst. Das ist schade, kennen wir Andreas Steinhöfel doch als Meister der Zwischentöne, der leisen Komik und des spröden Humors!
Alles schwebt, schwingt, weht und wirbelt
Sabine Wilharms Bilder aber baut eine GlücksStadt-Welt, die ihresgleichen sucht. Mit ihren steilen architektonischen Auf- und Untersichten erinnert die an die labyrinthischen Bilder eines Escher oder an die unmöglichen Perspektiven der magischen Konstruktivisten. Überdimensionierte oder minimalistisch kleine Figuren wimmeln durch die Luft, fantastische Tiere rasen rasant quer durch den Raum. Es herrscht eine unglaubliche Dynamik in diesen Bildern, alles schwebt, schwingt, weht und wirbelt. Man mag gar nicht aufhören, sie zu betrachten, immer Neues zu entdecken, und hat immensen Spaß!
Warum ist Sabine Wilharms überbordende Fantasie so anregend, Andreas Steinhöfels geheimnisvoll raunender Text es aber nicht? Ganz einfach: Weil für dieses Bilderbuch zuerst die Bilder da waren, sie existierten schon seit Jahren als textfreie Kalenderblätter. Andreas Steinhöfel hat die schwierige Aufgabe übernommen, zu den zwölf losen, völlig unabhängigen Seiten eine durchgehende Geschichte zu erfinden. Ein halbes Jahr lang sortierte, fantasierte, verwarf er, bis sich die jetzige Geschichte formte. Und genau das spürt man!
Wo Wilharms surreale Welt ganz konkret, kurios und präzise ist, bleibt der Text notgedrungen im Ungewissen. Wo Wilharms Humor und Witz grenzenlos zu sein scheinen, wirkt die Geschichte bemüht. Und das ist schade! Andreas Steinhöfels "Abschiedsgeschenk" an seinen Carlsen-Verleger, der den Aladin-Verlag gründete, war gut gemeint, aber nicht zu leisten. Denn: Die "GlücksStadt"-Bilder sind einfach zu genial, um durch einen Text ergänzt und zweitverwertet zu werden.

Andreas Steinhöfel/Sabine Wilharm: GlücksStadt
Aladin Verlag, Hamburg 2013
32 Seiten, 16,90 Euro, ab 4 Jahren

Mehr zum Thema