Bilder vom Menschen heute und morgen

Von Ulrike Gondorf · 23.06.2006
Mit soviel Sorgen und so wenig positiven Erwartungen wie heute hat selten eine ganze Gesellschaft auf Kinder und Jugendliche geblickt. Im Duisburger Wilhelm-Lehmbruck-Museum setzen jetzt Schüler aller Schulformen aus ganz Deutschland ein markantes Signal dagegen. "100 Jahre – 100 Talente" heißt der Skulpturenwettbewerb, den das Museum anlässlich seines Jubiläums durchgeführt hat.
"Das Hauptthema war: wenn einer fällt. Das Bild ist so aufgebaut, dass einer auf dem Boden liegt, und von hinten immer mehr nachdrängen. Die einen übersehen ihn und treten ihn, und ganz vorne steht noch einer, der versucht dem aufzuhelfen, dass er nicht tot getrampelt wird."

Florian, 16 Jahre alt und Schüler der 10. Klasse der Schloss-Schule in Kirchberg an der Jagst, erläutert die Arbeit, die seine Klasse gemeinsam im Kunstunterricht gestaltet hat und die nun einen der drei Hauptpreise im Schülerwettbewerb des Wilhelm-Lehmbruck-Museums gewonnen hat. Das figurenreiche und spannungsvoll komponierte Ensemble aus kleinen Pappmaché-Figuren, die alle in sorgfältigen, nach dem lebenden Modell gestalteten Bewegungsstudien festgehalten sind, überzeugte die Jury. Die künstlerische Qualität der Ergebnisse des Wettbewerbs, dessen interessanteste Arbeiten bis zum 17. September in einer Sonderschau in Duisburg präsentiert werden, hat die Auswahl gar nicht leicht gemacht.

"… mir gehen die gar nicht aus dem Sinn, die haben so eine starke Ausdruckskraft, dass ich die Gestaltung und Bildfindung ganz stark erinnere."

Schwärmt die Museumspädagogin und Kuratorin Cornelia Brüninghaus-Knubel., die den Wettbewerb zum 100-jährigen Bestehens des Museums organisiert hat.

Die Resonanz war überwältigend. 800 Schulen aller Schulformen aus ganz Deutschland haben sich für die Teilnahme interessiert. Per Los fiel die Entscheidung, wer eine Arbeit einreichen durfte, denn mehr als die zu den 100 Jahren passenden 100 Talente konnte man im Lehmbruck-Museum weder unterbringen noch begutachten. Ausgestellt sind jetzt die 50 besten, und die ersten Preisträger freuen sich außerdem über einen Geldpreis und eine Einladung zu einem Wochenende rund um die Ausstellungseröffnung in Duisburg.

"Viel mehr solche Projekte, viel mehr."

Wünscht sich die Kunstlehrerin Romy Anka, die mit der Gruppe aus Baden-Württemberg gekommen ist. Sie hat beobachtet, wie die Herausforderung durch die Aufgabe eine richtige Welle von Kreativität ausgelöst und auch den Umgang der Schüler miteinander verändert hat.

"Dann legt man die Grundlagen, etwas Theorie, ein paar Beispiele aus der Kunstgeschichte, dann läuft das eigentlich von ganz allein. Dann setzen sich meistens ein paar zusammen, meistens fragen sie schon, kann man das nicht als Zweier- oder Dreiergruppe machen, und dann geht’s los."

"Wir mussten uns ja gegenseitig absprechen, wer welche Figur macht und haben uns gegenseitig geholfen."

"Die Idee war halt, dass wir Menschen in Bewegung darstellen, und dazu haben wir uns ein spezielles Thema überlegt: wenn einer fällt. Und dann hat jeder dazu ne Figur gemacht, einer der auf dem Boden liegt, ein anderer die Figur, die ihm aufhilft, und so dass dann halt alle zusammen ein Projekt haben."

Ergänzt Juliane, die auch an der Figurengruppe "wenn einer fällt" mitgearbeitet hat.

"Wir haben uns schon Gedanken gemacht, und es ist erschreckend, wie das Kunstwerk zutrifft, was man in den letzten Wochen über so Ausschreitungen an schulen gehört hat. Die Arbeit ist ja schon bisschen älter, und dass das jetzt noch so zutrifft, das ist schon erschreckend."

Andere Schüler beweisen eine ähnlich ausgeprägte Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik in der Auseinandersetzung mit einem der beliebtesten Thema der eingereichten Arbeiten: dem Umgang mit Medien. Verkabelte Köpfe, in Schubladen aufgeteilte Gehirne, schon halb zu Fantasy-Gestalten mutierte Computerspieler, mit unverdaulichen Botschaften aus Bildern und Texten im wahrsten Sinne des Wortes zugekleisterte Gestalten haben die Schüler geschaffen. Rollenbilder und Rollenverhalten haben sie zu kritischen Stellungnahmen provoziert, Schlankheits- und Schönheitswahn und Manipulation durch Werbung sind ebenso Thema geworden wie Umweltzerstörung, Krieg, Krankheit und Tod.

"Man sieht hier, dass nicht alle Schüler so sind, wie man allgemein denkt, sondern dass sich auch manche Gedanken machen und denken, was sie tun können."


Service:

Die Schau "100 Jahre - 100 Talente – Bilder vom Menschen heute und morgen.
Die Ausstellung zum Schulwettbewerb" ist im Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg bis zum 17. September 2006 zu sehen.