Bilder vom Mars

Von Michael Böddeker |
Unser Wissen über das Sonnensystem und unsere Nachbarplaneten hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Das verdanken wir Raumsonden wie der "Mars Express", die für uns das Sonnensystem erkunden. Ihre Fotos und Messdaten funken sie dann zur Erde zurück.
"Das sind halt dann 300 Terrabyte Speicher und 800 Prozessoren, wo man dann wirklich viele Stereodaten auf einmal prozessieren kann."
Der Physiker Thomas Roatsch geht durch den Serverraum des Instituts für Planetenforschung. Hier, auf den zahlreichen PCs und den übermannshohen Rechenclustern, kommen die Daten von Raumsonden an. Die Belüftung kühlt die Prozessoren, ein warmer Luftstrom durchzieht den Raum.
"Also in dem Raum kann man keinem Menschen zumuten zu arbeiten."
Muss aber auch niemand – die Computer arbeiten selbstständig, und die Wartung geschieht von außerhalb. Der stämmige Mann mit Vollbart weist auf einen der Großrechner.
"Da haben wir dann hier hinten noch ... eben Rechner, die nur da stehen und die Daten dann halten. Dann müssen wir auch alle Daten noch einmal sichern (...), damit eben wirklich diese Daten, die ja unersetzbar sind, nicht verloren gehen können."
Wenn diese wichtigen Daten hier ankommen, haben sie schon einen sehr weiten Weg hinter sich.
Die Kameras der Raumsonden "Mars Express" und "Cassini" fotografieren die Oberflächen von Mars und Saturn.
"Bei den meisten Missionen sind es ähnlich wie bei privat genutzten Kameras Flächensensoren. Allerdings mit wesentlich weniger Pixeln. Also 1000 mal 1000"."
Also zwischen einem und vier Megapixel.

Die Bilder landen zunächst in einem Speicher der Raumsonde. Die Funk-Übertragung zur weit entfernten Erde ist schwierig, nur 2 bis 300 Kilobit pro Sekunde sind möglich. Deshalb muss zunächst die Datenmenge verkleinert werden.
Datenkompression gibt es auch hier auf der Erde, etwa im Internet. Bilder und Klänge werden "klein gerechnet": Unwichtige Informationen verschwinden, und übrig bleiben Dateien in Formaten wie MP3 oder Jpeg, die wesentlich schneller übertragen werden können. An Bord der Raumsonden geschieht im Grunde das Gleiche.
Per Funk kommen diese komprimierten Bilddaten dann über Antennen in digitaler Form zur Erde. Einige Minuten brauchen die Signale vom Mars. Vom Saturn aus kann es sogar anderthalb Stunden dauern.
Auf der Erde fangen riesige Parabol-Antennen die schwachen Signale wieder ein. Viel hilft viel – je größer die Antenne, desto besser.
""Die NASA hat eben drei, sehr schön, alle 120 Grad verteilt rund um die Erde - Australien, Spanien und Kalifornien. Und die ESA hat dann auch zwei große Antennen in Australien und Spanien."
Von den Bodenstationen reisen die Daten per Internet weiter zum Berliner Zentrum für Planetenforschung.
Hier beginnt nun die Arbeit von Thomas Roatsch und seinen Kollegen. Sie kontrollieren, ob die eingehenden Bilder komplett sind, ob also zum Beispiel alle Zeilen eines Bildes angekommen sind. Sie dekompimieren die Daten - dadurch werden sie wieder sehr viel größer. Und sie versuchen, daraus ein Gesamtbild anzufertigen.
"Was wir dann eben später machen, ist mehrere Fotos zusammenzusetzen zu größeren Mosaiken. Aber ansonsten ist es wirklich so, wie wir es aus dem Urlaub kennen. Wir gucken uns die Fotos an und versuchen dann, besondere Merkmale darin zu erkennen. Man guckt, gibt es neue Krater, wie sieht die Kraterform aus, wie viele gibt's? Aus der Anzahl der Krater kann man auch Rückschlüsse ziehen auf das Alter der Gegend."
Jetzt kommen auch Planeten-Geologen wie Ernst Hauber ins Spiel.

"Unsere Grundarbeitsmethode ist: Wir vergleichen es mit bekannten Gegenden auf der Erde. Wenn wir also wissen, wie auf der Erde ein Vulkan ausschaut, und wir finden auf dem Mars etwas, was so ähnlich aussieht, kann man über einen Analogieschluss zumindest mit der Arbeitshypothese beginnen, das sei auch ein Vulkan. Viel hängt wirklich davon ab, wie viel wir schon von der Erde wissen."
Und weil bestimmte Bodenstrukturen auf dem Mars aussehen wie irdische Flusstäler, vermuten die Forscher, dass auch auf dem Mars früher einmal Wasser geflossen ist. Insbesondere interessieren sie sich für mögliche Permafrostgebiete auf dem Mars.
"Also Gebiete, wo Wasser im Untergrund vorhanden sein könnte. Und Wasser ist immer dann interessant, wenn man nach möglichen Klimarelikten sucht - und dann im Endeffekt sogar nach Bereichen, wo Leben hätte möglich sein können."

Neue Entdeckungen machen die Forscher aber nicht nur anhand der einfachen Fotos. Oft können die Fotokameras nämlich nicht bis auf die Oberfläche eines Himmelskörpers blicken. Das ist auch beim größten Saturn-Mond Titan der Fall. Hier blockiert eine dichte Gashülle die Sicht. Dann helfen sogenannte Spektrometer weiter, die auch Licht mit Wellenlängen aufnehmen, das für das menschliche Auge nicht sichtbar ist, und das die Gashülle durchdringen kann. Physiker Thomas Roatsch:

"Eines dieser Spektrometer fliegt auch auf der Cassini-Mission im Saturn-System. Eine Mitarbeiterin unserer Abteilung hat eben eine Totalreflektion gesehen, die als eindeutiger Beweis gilt für eine Methan-See-Oberfläche auf dem Titan."

Der Kohlenwasserstoff Methan kommt auf der Erde meist gasförmig vor. Auf dem Titan allerdings ist er wegen der niedrigeren Temperatur flüssig und bildet dort große Seen mit spiegelglatten Oberflächen, die Teile des Sonnenlichts reflektieren.

"Das ist (wie Sie schon sagten) eine der herausragendsten Entdeckungen im letzten Jahr gewesen."

Und die Zukunft dürfte noch weitere Entdeckungen bereithalten: Erst kürzlich hat die US-Raumfahrtbehörde NASA die Cassini-Mission bis zum Jahr 2017 verlängert.