Bilder vekehren

Von Anette Schneider |
Einige junge Historiker und Kulturwissenschaftler des Instituts für Migrations- und Rassismusforschung in Hamburg haben aus einer privaten Sammlung mit Kolonialpostkarten sowie aus den Archiven mehrerer Hamburger Museen 300 Postkarten aus der Zeit von 1900 bis 1930 zusammengestellt, die sie nun unter dem Titel "Bilder verkehren - Postkarten in der visuellen Kultur des deutschen Kolonialismus" im Kunsthaus Hamburg zeigen.
Die Ausstellung ist unaufwändig, die Ausstellungs-Idee längst überfällig, das Resultat ebenso schlicht wie beeindruckend: erstmals werden in großem Umfang Bildpostkarten des deutschen Kolonialismus gezeigt, die verdeutlichen, wie Vorurteile und Rassismen gemacht wurden, um die Kolonialisierung Afrikas zu legitimieren und - schön zu schreiben.
Felix Axster vom "Institut für Migrations- und Rassismusforschung" und Mitorganisator der Ausstellung:

"In Deutschland war ein ganz großer Markt, hier sind auch sehr viele Postkarten produziert worden, im Jahr circa 500 Millionen Stück. Ich denke, dass es legitimatorische Funktion hatte, kolonial Projekte einfach zu rechtfertigen. Es gibt ein Buch über Kolonialpostkarten jetzt aus dem französischen Kontext, und da hat der Autor mal gesagt, dass Kolonialpostkarten der Dünger des kolonialen Weltbildes waren. "

Durch diesen "geistigen Dünger" muss man sich nun durcharbeiten - was durchaus Erkenntnis bringend ist: gegliedert in Kapitel wie "erobern", "Grenzen ziehen", "Kriege führen" oder "erziehen" geht es den Postkarten stets um eines: das Bild vom guten Weißen zu kreiieren, der den Wilden die Zivilisation bringt. Dafür ist keine Diffamierung zu platt, so werden Afrikaner schon mal als Menschenfresser und Vergewaltiger präsentiert, um den Einfall der Deutschen zu rechtfertigen - während die sich besonders gern als freundliche Chefs geben, z.B. auf Plantagen. Die Postkarten verkehren also die Gewaltverhältnisse und verharmlosen die wirklichen Machtverhältnisse, um die Kolonialisierung auch in den Köpfen daheim voranzutreiben. Dafür entwickelten sie Klischees und Rassismen, die sich bis heute halten, weshalb Kunsthausleiter Claus Mewes die Ausstellung auch so wichtig findet.

"Das ist eigentlich unglaublich, wie stark da mit Klischees, mit rassistischen und sozialdarwinistischen Vorstellungen gearbeitet wird, die heute eigentlich unterschwellig und subtil überall noch anzutreffen sind. Ob es jetzt die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen sind, also die persönlichen Beziehungen. Oder ob es dieses Problem des Untergebeben und des hierarchisch über einem Stehenden ist, ob das ein Grad von Militarismus ist und Dienerverhältnis ist. "

Allen Bildermanipulationen liegt die Grundvorstellung des Kolonialismus zugrunde: die strikte Trennung zwischen weißem Herrn und afrikanischem Untergebenen, Zivilisation und "Wildheit": immer wieder sieht man da den aufrechten Kolonialherren in Uniform und Tropenhelm, während die Eingeborenen als Statisten an den Rand gedrängt werden. Oder die Karikatur eines tumben Afrikaners im Baströckchen und mit Ring durch die Nase, dem man endlich das Heil europäischer Zivilisation bringen muss.

"Es werden Stereotype konstruiert. Man findet z.B. Die Typenfotografie. Es gibt die Missionskarten, wo das Verhältnis zwischen Missionar - also Zivilisation - und "Wildheit" inszeniert wird, in der Form, dass der Missionar immer in der Mitte sitzt und um ihn herum sitzen immer kleine Kinder. Oder es werden die "Erfolge" der Mission derart inszeniert, dass die Afrikaner in europäischer Kleidung stecken, dass sie lesen können."

Auch Groteskes kommt vor, um vor der alltäglichen Brutalität des Systems abzulenken: auf einer Karte steht z.B. eine afrikanische Familie vor ihrer Hütte, und jeder hält eine Flasche Odol-Mundwasser in der Hand.
Gern demonstrieren die Kolonialherren auch ihre Macht: Ganze Postkartenreihen zeigen afrikanische Soldaten unter deutscher Befehlsgewalt. In Reih und Glied stehen sie da, um die deutschen Interessen mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Glaubt man all diesen Postkarten - und das war ihr Zweck - ging die Kolonialisierung reibungslos vonstatten. Um die glatte Oberfläche aufzubrechen, liefern die Ausstellungsmacher zu jedem Kapitel kurze Texte mit historischen Fakten und Zitaten der Unterdrückten, die die Lügen der Postkarten aufdecken und den Blick auf die ganze Wirklichkeit eröffnen. So im Kapitel "Widerstand", ein Thema, das eigentlich natürlich nicht vorkommt - aber ab und an eben doch: indem man ihn diffamiert, wie den Widerstand der Herero-Führer. - Felix Axster:

"Es wird Widerstand sichtbar z.B. Im Herero und Nama-Krieg in Namibia, wo wir Karten haben von Anführern der Herero und Nama, die beide posieren, In so einer Herrscher Pose sind sie aufgenommen. Und auf den Karten sind diese Bilder mit Bildunterschriften versehen, wo dann steht "Der feige Oberhäuptling der Herero"."

Die einzige Kritik, die man an dieser einleuchtend gegliederten, mit intelligenten, einordnenden Texten versehenen und übersichtlich auf großen Wänden präsentierten Ausstellung haben kann ist: Wieso wird sie in einer kleinen Institution wie dem Kunsthaus gezeigt und nicht in einem der großen historischen Museen der Stadt?