Bilder einer Stadt

Von Susanne von Schenk |
Heinrich Heidersbergers Name ist eng mit der Stadt Wolfsburg verbunden. Hierhin wurde er Anfang der 60er gerufen, um den technischen Aufbruch der Stadt fotografisch zu dokumentieren. Die überwältigenden Aufnahmen des Volkswagenwerkes, der Stadt und ihrer jungen Architektur sind längst zu Ikonen der Nachkriegsmoderne geworden. Zum 70. Geburtstag der Autostadt widmet Wolfsburg seinem Fotografen nun eine Retrospektive.
Eine Tankstelle, über der sich ein dunkler Himmel wölbt, eine Aufnahme vom Sprungturm des Volkswagenbades im Sommer. Klassiker - man kennt die Bilder und weiß nicht, von wem sie sind.

Anfang der 60er Jahre zog der Fotograf Heinrich Heidersberger nach Wolfsburg. Da war er Mitte fünfzig. Die Stadtväter hatten jemanden gesucht, der den technischen Aufbruch des Ortes ins Visuelle übersetzen sollte. Fortan hielt Heidersberger, der bei Fernand Léger in Paris Malerei studiert und dort die Fotografie entdeckt hatte, die Aufbruchsstimmung in der jungen Industriestadt fest.

"Gerade in dieser Aktion, Wolfsburg interessant darzustellen, entstanden auch Aufnahmen vom Volkswagenwerk."

Heinrich Heidersberger, hier in einem älteren Interview, ist bis zu seinem Tod im Jahr 2006 in Wolfsburg geblieben. In seinen Fotografien, die er immer wieder bearbeitete, ging es nicht um die reine Dokumentation von Wirklichkeit, sondern, so Markus Brüderlin, Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, um deren Interpretation.

"An dem Bild ’Kraftwerk’ kommt das sehr schön zum Ausdruck, weil da zwei Welten zusammentreffen: einerseits die Sachlichkeit, die knallharte, klare, brillante Präsenz der Architektur des Kraftwerks, ein mächtiger Bau, und auf der anderen Seite durch die Belichtungszeiten entstanden die verschwommenen, fast traumartigen Wolkenschwaden, die um dieses Kraftwerk herumziehen. Beides zusammen ergibt etwas sehr Metaphysisches oder etwas Surreales."

Heinrich Heidersberger suchte wiederholt Orte auf, die sinnbildlich für die Transformation des dörflichen Wolfsburg zu einer Industriestadt stehen: auf einer Wiese eine kleine Pferdeherde, auf dem Platz dahinter parkende Volkswagen, im Hintergrund eine gigantische Baustelle vor Rauchschwaden und fahlem Himmel.

Und immer wieder fotografierte Heidersberger das Erfolgsmodell, den VW Käfer: in Fertigungshallen, auf Parkplätzen, auf Güterzügen, mit Menschen, die ihn montieren. Aber Heinrich Heidersberger war nicht der Hoffotograf des Volkswagenwerks, er setzte sich auch kritisch mit den Arbeitsprozessen der Moderne auseinander.

Die hervorragende Ausstellung "Heinrich Heidersberger. Rückkehr zum Aufbruch" widmet sich nicht nur der Genese der Stadt Wolfsburg in den 60er Jahren, sondern auch dem umfangreichen Werk eines vielseitigen Künstlers, der ein Einzelgänger war und die Öffentlichkeit scheute. Seine dezente Aktserie "Kleid aus Licht" oder seine grafische Fotografie zeigt vor allem eins: Heinrich Heidersberger war ein großartiger Fotograf, der bis ins hohe Alter experimentierfreudig blieb.