Bilder der globalisierten Armut
Auf den ersten Blick zeigen die Bilder von Simon Menner makellose Großstadtfassaden. Erst beim genauen Hinschauen fallen die Details auf, die die Kehrseite der Globalisierung widerspiegeln. In seinem Projekt "Metacity" fotografiert der 29-Jährige aus dem Schwarzwald Obdachlose mitten in den boomenden Superstädten.
Das Foto einer nächtlichen Straße in einer amerikanischen Großstadt: Die Perspektive ist auf die sandfarbenen Hochhäuser gerichtet. Limousinen parken am Straßenrand. Straßenlaternen werfen große helle Lichtkegel auf den Gehweg. Alles wirkt geradezu klinisch sauber. Kein Mensch zu sehen. Oder doch: Wenn man ganz genau hinsieht, bemerkt man am rechten Bildrand ein Kleiderbündel. Da liegt ein Obdachloser auf einer Parkbank.
So und so ähnlich sehen die Nachtfotos des jungen Berliner Fotografen Simon Menner aus. Die perfekt ausgeleuchteten Straßenschluchten und Innenräume von Parkhäusern wirken auf den ersten Blick absolut glatt und makellos. Doch es sind gleichzeitig Suchbilder: Denn auf jedem der Fotos im ungewöhnlich großen Format von 95 mal 120 Zentimetern sind irgendwo - klein und unscheinbar, manchmal kaum erkennbar - Obdachlose abgebildet: mal auf einer Treppenstufe, mal in einer Toreinfahrt, mal hinter einer Säule. Der erste Eindruck einer oberflächlich inszenierten Architekturfotografie ist also trügerisch.
Im Moment arbeitet Simon Menner an einer Fotoserie über Obdachlose in Bombay, die er im Frühling aufgenommen hat. Er sitzt in einem Arbeitsraum der Universität der Künste. Routiniert bedient er ein 16.000 Euro teures Spezialgerät:
"Was ich hier tue, ist nicht ne digitale Mystik, sondern es ist tatsächlich etwas, was jeder Fotograf mit jedem Bild macht. Also das mache ich jetzt hier auf nem digitalen Weg. Ich sehe eben meine ganzen Teststreifen innerhalb von ein paar Sekunden im Gegenzug im Labor dauert das Stunden."
Menner ist Jahrgang 1978: kurz rasiertes blondes Haar, wache graugrüne Augen. Er trägt ein braunes Poloshirt, eine schwarze Stoffhose und braune Turnschuhe.
Seit zwei Jahren arbeitet er nun schon an dem Projekt namens Metacity. Die Idee dazu kam ihm während eines Studienaufenthalts in Chicago. Beim Aufnehmen der Fotos in den USA und in Indien hat er ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
"In Bombay wurde ich als störender Faktor wahrgenommen. Da sind die Leute dann meist in Gruppen auf mich zugekommen, haben gefragt: Was machst du hier? In Chicago, wenn die Leute - die da viel vereinzelter liegen - wahrgenommen haben, ich fotografiere, haben die Leute meistens ihre Sachen gepackt und sind gegangen."
Der Begriff Metacity steht für die weltweit ausufernden Megacitys mit ihren Slums, der Armut und Obdachlosigkeit.
Dieses Phänomen will der 29-jährige Menner in seinen Fotografien zeigen. Fotos von insgesamt fünf Städten sollen es irgendwann einmal werden, die er dann in einer gemeinsamen Ausstellung nebeneinander stellen will. Er will die Globalisierung der Armut zeigen. Als nächstes will er nach Shanghai. Denn aus dieser boomenden Stadt sieht man in letzter Zeit oft nur allzu schöne und glatte Architekturfotos:
"Und es befriedigt mich nicht, weil ich das Gefühl habe, jetzt da ich in Chicago war, jetzt, da ich in Bombay war und jetzt, da ich so viel gelesen habe über dieses Thema. Da gibt’s garantiert Obdachlosigkeit, ich hab's nur in keinem von diesen wunderbaren Architekturfotos gesehen. Warum nicht?"
Aufgewachsen ist Menner im Schwarzwald, in Hüfingen, einem 5000-Einwohner-Ort. In der Pubertät beginnt er zu malen und fertigt Skulpturen an. Von den fünf Kindern der Familie ist er das einzige, das sich für Kunst interessiert. Die Mutter ist Kindergärtnerin, der Vater Bauarbeiter. Manchmal fühlte sich Simon Menner ein bisschen wie der Fremde in der Familie:
"Aber was ganz schön ist, dass mir da nichts in den Weg gelegt wurde. Vielleicht haben sie gedacht: Der spinnt ein bisschen. Aber soll er mal spinnen, war eher die Einstellung. Das fand ich ganz gut, davon hab ich profitiert."
Und so verlässt er mit 22 Jahren nach Abitur und Zivildienst die badenwürtembergische Heimat, zieht nach Berlin.
Bevor Menner aber an der Universität der Künste angenommen wird, muss er sich insgesamt dreimal bewerben. In der Zwischenzeit arbeitet er als Krankenpfleger für eine querschnittsgelähmte Frau, reist mit ihr nach Italien. Während der Studentenzeit finden erste größere Ausstellungen mit seinen Arbeiten statt, er gewinnt einige Auszeichnungen und kann so seinen ersten eigenen Katalog finanzieren. Die für ihn bisher wichtigste Ausstellung war letztes Jahr in Weimar. Dort waren seine Arbeiten neben Werken von Anselm Kiefer, Albrecht Dürer und Goya zu sehen.
"Und ich hatte als Einziger nen eigenen Raum. Ach ja, das war, das fühlte sich sehr, sehr richtig an."
Letztes Jahr absolvierte er ein Praktikum in einer sehr renommierten Berliner Fotogalerie. Um Selbstvermarktung zu lernen, was viele andere junge Künstler sehr vernachlässigen, wie er meint. Mittlerweile arbeitet er halbtags in dieser Galerie, denn allein von der Kunst kann er noch nicht leben. Doch Menner ist fest entschlossen, sein Projekt fortzuführen. Er ist mit seiner Situation durchaus zufrieden:
"Weil ich bin dadurch auch in ner besseren Situation als viele andere Absolventen, also ich muss nicht kellnern, ich muss nicht im Callcenter arbeiten. So, ich brauche kein Harz IV beantragen. Sehr schön."
Menner fährt sich mit der Hand durch das kurz rasierte Haar. Dabei fällt eine Tätowierung am linken Handgelenk auf. Das Wort "Nichts" in chinesischen Schriftzeichen.
So und so ähnlich sehen die Nachtfotos des jungen Berliner Fotografen Simon Menner aus. Die perfekt ausgeleuchteten Straßenschluchten und Innenräume von Parkhäusern wirken auf den ersten Blick absolut glatt und makellos. Doch es sind gleichzeitig Suchbilder: Denn auf jedem der Fotos im ungewöhnlich großen Format von 95 mal 120 Zentimetern sind irgendwo - klein und unscheinbar, manchmal kaum erkennbar - Obdachlose abgebildet: mal auf einer Treppenstufe, mal in einer Toreinfahrt, mal hinter einer Säule. Der erste Eindruck einer oberflächlich inszenierten Architekturfotografie ist also trügerisch.
Im Moment arbeitet Simon Menner an einer Fotoserie über Obdachlose in Bombay, die er im Frühling aufgenommen hat. Er sitzt in einem Arbeitsraum der Universität der Künste. Routiniert bedient er ein 16.000 Euro teures Spezialgerät:
"Was ich hier tue, ist nicht ne digitale Mystik, sondern es ist tatsächlich etwas, was jeder Fotograf mit jedem Bild macht. Also das mache ich jetzt hier auf nem digitalen Weg. Ich sehe eben meine ganzen Teststreifen innerhalb von ein paar Sekunden im Gegenzug im Labor dauert das Stunden."
Menner ist Jahrgang 1978: kurz rasiertes blondes Haar, wache graugrüne Augen. Er trägt ein braunes Poloshirt, eine schwarze Stoffhose und braune Turnschuhe.
Seit zwei Jahren arbeitet er nun schon an dem Projekt namens Metacity. Die Idee dazu kam ihm während eines Studienaufenthalts in Chicago. Beim Aufnehmen der Fotos in den USA und in Indien hat er ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
"In Bombay wurde ich als störender Faktor wahrgenommen. Da sind die Leute dann meist in Gruppen auf mich zugekommen, haben gefragt: Was machst du hier? In Chicago, wenn die Leute - die da viel vereinzelter liegen - wahrgenommen haben, ich fotografiere, haben die Leute meistens ihre Sachen gepackt und sind gegangen."
Der Begriff Metacity steht für die weltweit ausufernden Megacitys mit ihren Slums, der Armut und Obdachlosigkeit.
Dieses Phänomen will der 29-jährige Menner in seinen Fotografien zeigen. Fotos von insgesamt fünf Städten sollen es irgendwann einmal werden, die er dann in einer gemeinsamen Ausstellung nebeneinander stellen will. Er will die Globalisierung der Armut zeigen. Als nächstes will er nach Shanghai. Denn aus dieser boomenden Stadt sieht man in letzter Zeit oft nur allzu schöne und glatte Architekturfotos:
"Und es befriedigt mich nicht, weil ich das Gefühl habe, jetzt da ich in Chicago war, jetzt, da ich in Bombay war und jetzt, da ich so viel gelesen habe über dieses Thema. Da gibt’s garantiert Obdachlosigkeit, ich hab's nur in keinem von diesen wunderbaren Architekturfotos gesehen. Warum nicht?"
Aufgewachsen ist Menner im Schwarzwald, in Hüfingen, einem 5000-Einwohner-Ort. In der Pubertät beginnt er zu malen und fertigt Skulpturen an. Von den fünf Kindern der Familie ist er das einzige, das sich für Kunst interessiert. Die Mutter ist Kindergärtnerin, der Vater Bauarbeiter. Manchmal fühlte sich Simon Menner ein bisschen wie der Fremde in der Familie:
"Aber was ganz schön ist, dass mir da nichts in den Weg gelegt wurde. Vielleicht haben sie gedacht: Der spinnt ein bisschen. Aber soll er mal spinnen, war eher die Einstellung. Das fand ich ganz gut, davon hab ich profitiert."
Und so verlässt er mit 22 Jahren nach Abitur und Zivildienst die badenwürtembergische Heimat, zieht nach Berlin.
Bevor Menner aber an der Universität der Künste angenommen wird, muss er sich insgesamt dreimal bewerben. In der Zwischenzeit arbeitet er als Krankenpfleger für eine querschnittsgelähmte Frau, reist mit ihr nach Italien. Während der Studentenzeit finden erste größere Ausstellungen mit seinen Arbeiten statt, er gewinnt einige Auszeichnungen und kann so seinen ersten eigenen Katalog finanzieren. Die für ihn bisher wichtigste Ausstellung war letztes Jahr in Weimar. Dort waren seine Arbeiten neben Werken von Anselm Kiefer, Albrecht Dürer und Goya zu sehen.
"Und ich hatte als Einziger nen eigenen Raum. Ach ja, das war, das fühlte sich sehr, sehr richtig an."
Letztes Jahr absolvierte er ein Praktikum in einer sehr renommierten Berliner Fotogalerie. Um Selbstvermarktung zu lernen, was viele andere junge Künstler sehr vernachlässigen, wie er meint. Mittlerweile arbeitet er halbtags in dieser Galerie, denn allein von der Kunst kann er noch nicht leben. Doch Menner ist fest entschlossen, sein Projekt fortzuführen. Er ist mit seiner Situation durchaus zufrieden:
"Weil ich bin dadurch auch in ner besseren Situation als viele andere Absolventen, also ich muss nicht kellnern, ich muss nicht im Callcenter arbeiten. So, ich brauche kein Harz IV beantragen. Sehr schön."
Menner fährt sich mit der Hand durch das kurz rasierte Haar. Dabei fällt eine Tätowierung am linken Handgelenk auf. Das Wort "Nichts" in chinesischen Schriftzeichen.