Bilder aus dem Seelenleben junger Popmusiker

Rezensiert von Martin Risel · 21.07.2006
Einblicke ins Private von Künstlern bekommt man bei diesem "Skizzenbuch unterwegs" reichlich: Die Herausgeber haben Musiker befragt nach einem Ort, der ihr Leben nachhaltig beeinflusst hat. Von einfachen Strichpinseleien bis zu auch handwerklich wertvollen Ölgemälden reicht die Palette der meist spontan entstandenen Werke. Auch die dazugehörigen Texte gehen von schlichten Bilderklärungen bis zu literarischen Kurzgeschichten.
Skizzenbücher durchziehen die Kunstgeschichte - und von Bedeutung sind nicht nur die von bildenden Künstlern. Ein Skizzenbuch von John Lennon wurde gerade versteigert und der Berliner Pop-Art-Musiker-Maler Jim Avignon hat eine Doppel-CD mit 100 Zeichnungen in Buchform herausgebracht.

Es sind vor allem die Einblicke ins Private von Künstlern, die man sich von einem Skizzenbuch erhofft. Und die man bei diesem "Skizzenbuch unterwegs" bekommt - und zwar reichlich: Der deutsche Rockbuch Verlag hat Musiker befragt nach einem Ort, der ihr Leben nachhaltig beeinflusst hat. Und - so der Untertitel des Buches - "100 Originale von Musikern der Indieszene" erhalten.

Vor allem viele der neuen britischen Bands sind vertreten wie Coldplay und Franz Ferdinand, einige der zuletzt populärsten deutschen Sängerinnen wie Judith Holofernes und Inga Humpe, internationale Gruppen wie The Manic Street Preachers und Maroon 5 - 100 Musiker von Rang und Namen im Pop-Rock-Bereich des neuen Jahrtausends. Vorgestellt werden sie alle in kurzen lexikalischen Einführungen, die allerdings eher für Popkenner geschrieben sind.

Man muss aber die Bands und Musiker nicht kennen, um aus diesem Buch Erkenntnisse, Kunstgenuss und Lesevergnügen zu ziehen. Zunächst die ganz allgemeine, dass Musiker als übers Land ziehende Gesellen keineswegs nur heimatlose Vagabunden sind. Natürlich bringt das Tourleben einen anderen Bezug zu dem, was wir Heimat nennen. Aber in manchen heimatlichen Gefühlen sind die Menschen doch gleich.

Befragt nach einem markanten Ort, der unauslöschbare Spuren in seinem Leben hinterlassen hat, antwortet zum Beispiel der New Yorker Songpoet Adam Green, dessen Skizze auf dem Buchcover abgebildet ist: "Ganz klar, dass ich mein Kinder- und Jugendzimmer gezeichnet habe. Warum mir dieser Ort so wichtig ist? Nun, er war meine Höhle, mein erster privater Platz."

Für seine Musikerkollegen war dieser wichtige Ort ein Baum oder ein Motorrad-Festival, ein Dachboden oder ein Krankenbett, ein Übungsraum oder der eigene Kopf. Die kurzen Geschichten der Musiker zu ihren Bildern sind naive Kindheitserinnerungen - oder zum Beispiel die Lüftung eines Geheimnisses: Da wird der Platz verraten, der den Autor zu seinen besten Songideen inspiriert. Kurze Märchen, persönliche Erlebnisse und Fantasiegeschichten kommen in Bild- und Textform vor. Ein Traum etwa, in dem es um eine Gestalt geht, die mit einer Luftpumpe Geister aufbläst.

Von einfachen Strichpinseleien bis zu auch handwerklich wertvollen Ölgemälden reicht die Palette der meist spontan entstandenen Werke. Auch die dazugehörigen Texte gehen von schlichten Bilderklärungen bis zu literarischen Kurzgeschichten.

Ein Manko des Buches: Bilder, Texte und biografischer Teil sind voneinander getrennt und so blättert man ständig Hin und Her. Ansonsten haben die Künstlerin Silke Leicher und der Journalist Manuel Schreiner als Herausgeber Fleißarbeit beim Zusammenstellen geleistet. Und das Vorwort dem Sänger der Band Maximo Park überlassen, der während seines Kunststudiums in Literatur promoviert hat und als Musiker "auf die Flüchtigkeit des Lebens auf Tour verweist".

Paul Smith: "Manchmal sollte man sein Zuhause vergessen und den Augenblick genießen. Andererseits trösten einen Gedanken (und in der Folge dann Bilder) aus der Heimat oder von Orten und Menschen, die einem angenehme Träume machen. Ich hoffe, dieses Buch vermittelt Ihnen etwas von unser aller Leben."

Das tut es, dieses Bilderbuch aus dem Seelenleben junger Popmusiker.


Silke Leicher/Manuel Schreiner (Hrsg.): Skizzenbuch unterwegs. 100 Originale von Musikern der Indieszene
Rockbuch-Verlag, Schlüchtern 2006, 248 Seiten