Sammelbeschwerde gegen "Bild"

Auf dem Weg zur Rüge, die nicht juckt

08:24 Minuten
Auf einem Schild prangt das Logo der "Bild"-Zeitung.
Die "Bild" steht nicht zum ersten Mal im Fokus des Presserats. © picture alliance / Wolfram Steinberg
Moritz Tschermak im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 07.12.2021
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Beschwerden über die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung gibt es immer wieder. In der Coronapandemie hat sich das Blatt mehrmals gegen Forscherinnen und Wissenschaftler gewandt. Die haben jetzt den Presserat zu Hilfe gerufen.
Beim Deutschen Presserat ist eine Sammelbeschwerde von 84 Wissenschaftlern gegen die "Bild"-Zeitung eingegangen. Das Blatt hatte zwei Forscher und eine Forscherin mit Bild und Namen gezeigt und sie in der Überschrift als "Lockdown-Macher" bezeichnet.
Das Selbstkontrollgremium der deutschen Presse prüft nach eigenen Angaben nun, ob der Beitrag gegen den Pressekodex verstößt. Wenn ja, könnte ein Verfahren gegen "Bild" und "bild.de" eingeleitet werden.
"Die Beschwerdeführer kritisieren, es werde der falsche Eindruck erweckt, dass Wissenschaftler Corona-Maßnahmen beschließen, für die aber die Politik verantwortlich sei", sagt Presserats-Sprecherin Sonja Volkmann-Schluck. "Dies schüre Verschwörungstheorien und sei zudem ein Aufruf zur Hetze gegen Wissenschaftler."

Was bedeutet die Prüfung des Presserates?

Stellt der Presserat tatsächlich einen Verstoß gegen den Pressekodex fest, wird über die Maßnahmen gegen "Bild" entschieden. "Das wird in dem Fall keine Frage sein", sagt Moritz Tschermak. Er ist Chefredakteur bei "bildblog.de", einer Website, die die Presselandschaft kritisch beobachtet.
Die Redaktion, beziehungsweise der Verlag, können sich dann zur Veröffentlichung äußern. "Das ist aus meiner Sicht immer der interessanteste Teil, zu sehen, wie rechtfertigt die Redaktion die Art und Weise der Berichterstattung", sagt Tschermak. Die härteste Maßnahme wäre eine Rüge des Presserats.

Wie ist die "Bild" mit der Kritik umgegangen?

In der Zeitung ist eine kleine Meldung erschienen, in der erwähnt wird, dass es Kritik an der Berichterstattung des Blattes gab. "Aber im Vergleich zum Ursprungsartikel deutlich kleiner und deutlich weiter hinten", sagt Tschermak. Auch online sei darüber berichtet worden, aber "auch da nicht prominent auf der Startseite wie der Ursprungsartikel, sondern irgendwo versteckt in den Untiefen von bild.de".
Zu dem Vorgang hat sich inzwischen auch "Bild"-Chefredakteur Johannes Boie geäußert: Wissenschaftler seien wichtig in der Pandemie, Kritik an ihnen müsse angemessen sein, das gelte auch für "Bild". "Das kann man als Eingeständnis eines Fehlers verstehen", sagt Tschermak.

Kratzt eine Rüge die "Bild" überhaupt?

Dass eine Rüge des Presserats die "Bild" beeindruckt, bezweifelt Tschermak: "Es ist so, dass es die Redaktion nicht nur nicht juckt, teilweise wird es auch als Auszeichnung verstanden."
Ex-Chefredakteur Julian Reichelt soll sogar bei Beschwerden des Presserats gejubelt haben. "Er sah das als Bestätigung seiner Art und Weise, Journalismus zu machen", sagt Tschermak.
Auch mit der Pflicht, Rügen des Presserats abzudrucken, wird bei der Zeitung eher lax umgegangen: "Das macht 'Bild' ab und zu, nicht immer", sagt Tschermak. Gerne in der Samstag-Ausgabe, weil die die geringste Auflage habe.

Fehltritt oder ganz normaler "Bild"-Alltag?

"Business as usual ist das nicht unbedingt", sagt Tschermak über die Überschrift im kritisierten Artikel. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Lage sei sie "bemerkenswert heftig". Dennoch: Ähnliche Fälle kämen etwa zwei Mal im Jahr vor.
(beb)

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